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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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Initiativen spielt Engagement <strong>in</strong> zweierlei H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e zentrale Rolle: Zum e<strong>in</strong>en<br />

s<strong>in</strong>d es die Vere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Initiativen, durch ihre Strukturen das Engagement <strong>der</strong><br />

Kiezbevölkerung <strong>in</strong> bestimmten Bereichen wie etwa <strong>Nachbarschaft</strong>shilfe, Jugend,<br />

Kultur, Religion o<strong>der</strong> Sport mobilisieren <strong>und</strong> för<strong>der</strong>n. Zum an<strong>der</strong>en s<strong>in</strong>d es die<br />

Vere<strong>in</strong>sleiter <strong>und</strong> Initiatoren selbst, die durch ihr freiwilliges <strong>und</strong> meist unbezahltes<br />

Engagement dieses erst ermöglichen. Die Antwort auf die Frage nach <strong>der</strong><br />

Motivation <strong>der</strong> Interviewpartner, sich freiwillig zu engagieren, fiel dabei<br />

unterschiedlich aus: Zeit <strong>und</strong> Lust, sich e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen gepaart mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong><br />

die Notwendigkeit („irgendwer muss es ja machen“ , H. Schmidt) <strong>und</strong> das<br />

Bedürfnis, zu helfen ( „wenn ich mit dem Laden drei Mann erreiche <strong>und</strong> die ihr<br />

Leben lang nicht mehr tr<strong>in</strong>ken, b<strong>in</strong> ich <strong>der</strong> glücklichste Mensch“, J. Brunken),<br />

Interesse an e<strong>in</strong>er Tätigkeit vor Ort, die dem eigenen Studienschwerpunkt nahe<br />

kommt <strong>und</strong> so „studieren <strong>und</strong> agieren“ (C. Heise) gleichzeitig ermöglicht, <strong>der</strong><br />

Wunsch nach Bestätigung ( „hier habe ich me<strong>in</strong>e Bestätigung, hier kann ich<br />

helfen“, J. Brunken) aber auch <strong>der</strong> Wunsch nach Mitbestimmung ( „weil ich den<br />

Leuten, die über mich entscheiden, nicht freie Hand lassen will“ , M. Oezkan). So<br />

auch A. Bochum: „Wir können es nicht an<strong>der</strong>en überlassen. Es ist me<strong>in</strong> eigener<br />

Anspruch an die Gesellschaft, etwas zu verän<strong>der</strong>n . Je<strong>der</strong> ist aufgefor<strong>der</strong>t, selbst<br />

etwas beizutragen.“ Deutlich wird, dass die Motivation <strong>der</strong> Experten nicht<br />

materiell begründet ist.<br />

Lei<strong>der</strong> wirken sich aber gerade materielle Zwänge negativ auf die Ausübung von<br />

Engagement aus. Ehrenamtliche Tätigkeit steht dabei oft <strong>in</strong> Konkurrenz zum<br />

Lebenserwerb, da sie viel Zeit kostet <strong>und</strong> „nicht e<strong>in</strong>fach nebenbei“ (C. Heise)<br />

erledigt werden kann. Wenn die ehrenamtliche Tätigkeit zur Zusatzbelastung wird,<br />

erfolgt automatisch e<strong>in</strong>e Selektion potentiell ehrenamtlich Tätiger. Dass dieser<br />

Mechanismus <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße die lokale Geme<strong>in</strong>wesenarbeit auf Gr<strong>und</strong> ihres<br />

hohen zeitlichen Bedarfes z.B. im Bereich <strong>der</strong> Kontaktpflege betrifft, ist nicht nur<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Motivation <strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem Bereich ehrenamtlich Arbeitenden<br />

problematisch son<strong>der</strong>n wirkt sich auch negativ auf die Mobilisierung <strong>der</strong><br />

Engagementbereitschaft <strong>der</strong> übrigen Kiezbewohner aus.<br />

Zum e<strong>in</strong>en ist nach Me<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>iger Gesprächspartner generell „wenig Potential<br />

vorhanden“ (J. Brunken), zum an<strong>der</strong>en stellt sich aber gerade die Mobilisierung<br />

vorhandener Potentiale allgeme<strong>in</strong> als sehr schwierig dar. Die „Mobilisierung [<strong>der</strong><br />

Bewohnerschaft] ist sehr anstrengend“ (C. Heise) <strong>und</strong> nur mittels unermüdlicher<br />

<strong>und</strong> zeitaufwendiger Kontaktarbeit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em geeigneten Anreiz – wie etwa<br />

öffentlicher Wertschätzung, e<strong>in</strong>er Publikation o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach Spaß an <strong>der</strong> Sache -<br />

machbar. Beson<strong>der</strong>s schwierig gestaltet sich nach Aussage e<strong>in</strong>iger Experten die<br />

Mobilisierung von Arbeitslosen, denn „Arbeitslos zu se<strong>in</strong> ist demotivierend <strong>in</strong><br />

je<strong>der</strong> H<strong>in</strong>sicht“ (C. Heise). Das Gefühl <strong>der</strong> Perspektivlosigkeit <strong>der</strong> eigenen<br />

Situation, das e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> Arbeitslosen empf<strong>in</strong>det, wirkt sich negativ auf die<br />

Bereitschaft zum Engagement aus. Dies ist beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>sofern zu bedauern ist, als<br />

dass diese Bevölkerungsgruppe gemäß unserer quantitativen Befragung über e<strong>in</strong><br />

erhöhtes Engagementpotential verfügt (vgl. hierzu Untersuchungsergebnisse<br />

Engagement). Auch die Mobilisierung nicht- deutscher Bevölkerungsgruppen<br />

gestaltet sich für viele Akteure problematisch: „Es s<strong>in</strong>d eher die Deutschen, die<br />

sich engagieren. Die Auslän<strong>der</strong>, mit denen ich Kontakt habe, sagen schon, das<br />

möchten sie schon, das ist ihnen wichtig, aber es dann wirklich zu tun... da ist dann<br />

noch e<strong>in</strong>e Hemmschwelle. Sie trauen sich vielleicht nicht...“ (A. Bochum).<br />

Offensichtlich bestehen hier Berührungsängste zwischen deutschen <strong>und</strong><br />

ausländischen Bewohnern, <strong>der</strong>en Überw<strong>in</strong>dung Zeit braucht <strong>und</strong> oft nur nach<br />

langfristigen persönlichen Kontakten auf Basis von „gewachsenem Vertrauen“<br />

erfolgt (C. Heise).<br />

Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Geographisches Institut<br />

Arbeitsberichte<br />

Nr. 87 (2003)

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