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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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vorteilhaft. Die Netzwerke selbst begünstigen Handlungen, die Individuen o<strong>der</strong><br />

Kollektiven Nutzen verschaffen. Sie stellen erst <strong>in</strong> diesem Nutzen <strong>Sozialkapital</strong> als<br />

Ressource dar. Darüber h<strong>in</strong>aus besteht e<strong>in</strong>e komplementäre Verb<strong>in</strong>dung zum<br />

Humankapital, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kollektivierung humaner Ressourcen auszeichnet.<br />

3.3.2.1 Geme<strong>in</strong>sam s<strong>in</strong>d wir stärker: <strong>Sozialkapital</strong> nach Robert D.<br />

PUTNAM<br />

In COLEMANS Überlegungen äußert sich <strong>Sozialkapital</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e als<br />

<strong>in</strong>dividuelles Gut, dass <strong>in</strong>nerhalb menschlicher Beziehungen <strong>und</strong> Netzwerke zu<br />

f<strong>in</strong>den ist. E<strong>in</strong>en erweiterten Ansatz erarbeitet Robert PUTNAM auf <strong>der</strong> Basis<br />

COLEMANS. Er beschreibt die Qualität von <strong>Sozialkapital</strong> als Kollektivgut von<br />

Geme<strong>in</strong>schaften. Je<strong>der</strong> <strong>in</strong> unserer Quartiersanalyse untersuchte Kiez ist Heimat für<br />

e<strong>in</strong>ige tausend Bürger, die, wenn wir den Kiezbegriff überbeanspruchen, auch<br />

etwas wie e<strong>in</strong>e "Geme<strong>in</strong>schaft" darstellen o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest solche "Geme<strong>in</strong>schaften"<br />

beherbergt.<br />

PUTNAM erforschte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zwei Jahrzehnte andauernden Studie die<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Ungleichheiten italienischer Prov<strong>in</strong>zen zwischen dem<br />

Nord- <strong>und</strong> dem Südteil des Landes. Er stellte unabhängig von an<strong>der</strong>en Faktoren<br />

fest, dass <strong>in</strong> den wirtschaftlich erfolgreicheren Regionen e<strong>in</strong>e ausgeprägtere<br />

Vere<strong>in</strong>skultur bestand <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>tensives Klima des<br />

Vertrauens <strong>und</strong> <strong>der</strong> gegenseitigen Verantwortung herrschte. Die ökonomisch<br />

weniger erfolgreichen Regionen waren dagegen durch das Dilemma<br />

nichtkollektiven Handelns <strong>in</strong>folge gegenseitigen Misstrauens gekennzeichnet. Es<br />

erschien auf <strong>der</strong> Individualebene rationaler, aufgr<strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Normen <strong>und</strong> des<br />

fehlenden Vertrauens Vorteile zuungunsten des Kollektivs zu suchen. Generell<br />

stellte er im südlichen Teil Italiens e<strong>in</strong>e abnehmende B<strong>in</strong>dungstendenz an Vere<strong>in</strong>e,<br />

<strong>Nachbarschaft</strong>, Familie <strong>und</strong> betrieblichen Geme<strong>in</strong>schaften fest. Aus dem fehlenden<br />

Engagement resultieren für ihn erhebliche Probleme für das Geme<strong>in</strong>wohl, weil es<br />

auf Formen <strong>der</strong> kollektiven B<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Unterstützung angewiesen ist. PUTNAM<br />

identifizierte schlussfolgernd im Norden mehr <strong>Sozialkapital</strong> als im südlichen Teil.<br />

Die Ergebnisse dieser Arbeit s<strong>in</strong>d Basis se<strong>in</strong>er Herleitungen zur Wirksamkeit von<br />

<strong>Sozialkapital</strong> auf Gesellschaftsebene <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem Buch „Mak<strong>in</strong>g Democracy Work.<br />

Civic Traditions <strong>in</strong> Mo<strong>der</strong>n Italy“ (1993) veröffentlicht worden. Mit den<br />

Zusammenhängen zwischen Zivilgesellschaft, Demokratie <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Erfolg beschäftigt sich <strong>der</strong> Politologe auch am Beispiel <strong>der</strong> USA <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch<br />

„Bowl<strong>in</strong>g Alone“ (1995), <strong>in</strong> dem er jedoch zu wi<strong>der</strong>sprüchlichen Ergebnissen<br />

kommt. Se<strong>in</strong>er These <strong>der</strong> Auflösung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die im<br />

Resultat e<strong>in</strong>e Reduktion kollektiven <strong>Sozialkapital</strong>s bedeutet, steht zunächst <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsboom <strong>der</strong> 1990er Jahre <strong>in</strong> den USA konträr gegenüber.<br />

Def<strong>in</strong>itorisch bezieht er sich neben COLEMAN auf Jane JACOBS (1961). Nach<br />

JACOBS kann sich auf den Bürgersteigen <strong>in</strong> re<strong>in</strong>en Wohngebieten ebenso wenig<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes <strong>und</strong> vielfältiges Leben entwickeln wie <strong>in</strong> re<strong>in</strong>en Büro- o<strong>der</strong><br />

Geschäftstraßen. In isolierten Parkanlagen sieht sie wie auf trostlosen Spielplätzen<br />

Raum für Gewalt, die <strong>in</strong> belebten gemischten Quartieren nicht auftreten wird.<br />

Beson<strong>der</strong>s wichtig ist es daher, trotz <strong>der</strong> Anonymität <strong>der</strong> Großstadt e<strong>in</strong>e soziale<br />

Kontrolle zwischen Nachbarn zu för<strong>der</strong>n, die Krim<strong>in</strong>alität verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Dies beruht<br />

auf Vertrauen <strong>in</strong> die potenziellen gegenseitigen Hilfeleistungen zwischen nur<br />

flüchtigen Bekannten, <strong>der</strong>en e<strong>in</strong>zige Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>der</strong> Wohnstandort ist (HAUG<br />

2000: 65). Aus diesen Überlegungen erarbeitet später PUTNAM se<strong>in</strong>e<br />

Fragestellungen zu kollektiv wirkendem <strong>Sozialkapital</strong>.<br />

Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Geographisches Institut<br />

Arbeitsberichte<br />

Nr. 87 (2003)

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