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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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<strong>und</strong> Bezirk verbessert. Natürlich hat letzterer aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> schlechten F<strong>in</strong>anzlage<br />

an<strong>der</strong>e Schwerpunkte als die Bewohner, dann werden ggf. Kompromisse gef<strong>und</strong>en.<br />

In beiden Kiezen musste das QM bei Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Projektarbeit sehr stark auf die<br />

Bewohner zugehen <strong>und</strong> führte zudem e<strong>in</strong>e aktivierende Bürgerbefragung durch.<br />

Trotzdem sei e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> Bewohner noch nicht erreicht, bemerkt Herr Langer.<br />

„Es gibt immer noch Leute, die Fragen, was ist denn QM, <strong>und</strong> wohnen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nachbarstraße...“ Schulen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e öffentliche E<strong>in</strong>richtungen stellen<br />

dah<strong>in</strong>gehend zwar e<strong>in</strong>e gute Möglichkeit dar, die Bevölkerung zu kontaktieren,<br />

jedoch wird damit nur e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Bewohner erreicht. Es herrsche aber auch e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Gleichgültigkeit <strong>der</strong> Bewohner gegenüber den Projekt<strong>in</strong>itiatoren: „Vielen<br />

ist relativ egal, wer was tut [...] Sie freuen sich e<strong>in</strong>fach, dass es e<strong>in</strong> nettes Fest gibt,<br />

<strong>und</strong> ihnen ist es relativ egal, wer den ganzen Aufwand damit hatte.“ (R. Fischer)<br />

Gleichzeitig räumt er e<strong>in</strong>, „...wir haben sicher manchmal Probleme mit <strong>der</strong><br />

Darstellung.“<br />

Problematisch sei auch noch immer die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> nicht- deutschen<br />

Bevölkerungsgruppen („Die Angebote werden nicht angenommen, wir wissen aber<br />

nicht, warum...“ M. Langer), wie ebenfalls auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Stadtteilpolitiker<br />

kritisch angemerkt wird. Auch komme es vor, dass türkische Frauen sich beteiligen<br />

wollen, aber nicht dürfen (M. Langer). Herausgestellt hat sich, dass<br />

unterschiedliche Arten <strong>der</strong> Ansprache bei Deutschen <strong>und</strong> nicht- Deutschen s<strong>in</strong>nvoll<br />

s<strong>in</strong>d: Deutsche reagieren am ehesten, wenn man sie anschreibt, ausländische<br />

Bewohner dagegen sollten besser persönlich angesprochen <strong>und</strong> für e<strong>in</strong> konkretes<br />

Anliegen begeistert werden (R. Fischer).<br />

Als e<strong>in</strong> ganz wichtiges Instrument bezeichnete Herr Langer den Quartiersfonds.<br />

Die Bewohner wurden so gezwungen, eigene Ideen zu entwickeln <strong>und</strong> aktiv zur<br />

Verän<strong>der</strong>ung ihres Wohnumfeldes beizutragen. Die Bürgerjury, <strong>der</strong>en Mehrheit die<br />

aus per Zufallsauswahl ermittelten Bewohner des Kiezes e<strong>in</strong>nehmen, h<strong>in</strong>terfragte<br />

die e<strong>in</strong>zelnen Projekte sehr kritisch <strong>und</strong> achtete auf Breitenwirkung <strong>der</strong><br />

Realisierungen.<br />

4.5.3.3 Fazit <strong>und</strong> Ansatzpunkte<br />

Das <strong>in</strong> den Kiezen e<strong>in</strong>gesetzte QM mit dem Ziel, den Entmischungstendenzen <strong>und</strong><br />

dem sozialen Abstieg <strong>der</strong> Quartiere entgegenzuwirken, stand <strong>und</strong> steht vor e<strong>in</strong>er<br />

großen Aufgabe, die es nicht alle<strong>in</strong> bewältigen kann.<br />

Gerade das Hauptproblem <strong>der</strong> beiden Kieze, die hohe Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen, ist auf<br />

<strong>der</strong> Ebene des QM schwer zu überw<strong>in</strong>den. „Solange sich die Arbeitsmarktsituation<br />

nicht än<strong>der</strong>t, wird <strong>der</strong> Kiez auf dem Niveau bleiben.“ (M. Langer) Angesichts <strong>der</strong><br />

sich abzeichnenden wirtschaftlichen Entwicklung stimmten beide Experten dar<strong>in</strong><br />

übere<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> entscheidenden Frage, wie man Arbeitslose wie<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> die Gesellschaft <strong>in</strong>tegriere <strong>und</strong> ihnen vor allem e<strong>in</strong>e Perspektive gebe, auf<br />

politischer Ebene gef<strong>und</strong>en werden muss. In <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong> Arbeitslosen- <strong>und</strong><br />

Sozialhilfe sieht R. Fischer dah<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>en ersten Ansatz. Es müssen aber auch<br />

mehr Mittel bereitgestellt werden, die Leute aus <strong>der</strong> Lethargie des<br />

Sozialhilfeempfängerdase<strong>in</strong>s zu reißen. Die ständige F<strong>in</strong>anzknappheit des Bezirks<br />

birgt zudem die Gefahr, dass durch unzureichende Fokussierung auf die<br />

Problemecken des Wedd<strong>in</strong>gs sich die soziale Polarisierung weiter verschärft <strong>und</strong><br />

noch mehr Bewohner wegziehen. Die Vergabe von F<strong>in</strong>anzmitteln ist immer auch<br />

e<strong>in</strong>e politische Entscheidung, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bezirk sollte die Problemgebiete nicht<br />

zugunsten von Vorzeigeecken wie dem Potsdamer Platz vernachlässigen (R.<br />

Fischer). „Da sollten vielleicht mal e<strong>in</strong> paar Bauten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Planung zurückstehen,<br />

<strong>und</strong> das Geld mehr <strong>in</strong> die Bevölkerung fließen.“ (M. Langer)<br />

Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Geographisches Institut<br />

Arbeitsberichte<br />

Nr. 87 (2003)

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