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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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vor allem verstärkt die „dritte Generation betrifft, die oft viel schlechter deutsch<br />

können als ihre Eltern, denn durch den massiven Arbeitsplatzabbau fällt diese Art<br />

von Integration weg.“ (K. Rietz) Als Veranschaulichung schil<strong>der</strong>te Ralf Wieland<br />

den typischen Werdegang e<strong>in</strong>er türkischen Familie seit Anfang <strong>der</strong> 1990er <strong>in</strong> etwa<br />

so: „Der Mann wird nach West- Berl<strong>in</strong> geworben, wo er e<strong>in</strong>en sicheren<br />

Arbeitsplatz f<strong>in</strong>det. Nach e<strong>in</strong>iger Zeit heiratet er sich e<strong>in</strong>e junge Frau aus se<strong>in</strong>er<br />

Heimat, die ke<strong>in</strong> Wort deutsch spricht, um mit ihr e<strong>in</strong>e Familie zu gründen. Kurze<br />

Zeit später wird er, wie viele se<strong>in</strong>er Kollegen, arbeitslos <strong>und</strong> ist jetzt den ganzen<br />

Tag zu Hause. Die Frau f<strong>in</strong>det ebenfalls ke<strong>in</strong>e Arbeit, weil die ganzen Billig- Jobs,<br />

wie z. B. Putzen, schon weg s<strong>in</strong>d. Zu Hause wird nur türkisch gesprochen <strong>und</strong> weil<br />

die Frau ke<strong>in</strong>e Arbeit hat, werden die K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> die KiTa geschickt, wo sie<br />

deutsch lernen könnten. Dann gehen sie <strong>in</strong> die Schule <strong>und</strong> sprechen ke<strong>in</strong> Wort<br />

deutsch.“<br />

Die erheblichen Sprachbarrieren wurden von allen Gesprächspartnern als <strong>der</strong><br />

wesentliche Integrationshemmer bezeichnet.<br />

QM<br />

„Ich denke, dass alle QM- Gebiete e<strong>in</strong>bezogen, wir e<strong>in</strong>iges erreicht haben. Das<br />

QM war <strong>und</strong> ist e<strong>in</strong> Ansatz, um (...) steuernd e<strong>in</strong>zugreifen, nämlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> H<strong>in</strong>sicht,<br />

die soziale Struktur zu stabilisieren <strong>und</strong> dann zu verbessern, denn es ist sehr<br />

auffällig, dass seit ca. 7 Jahren die mittelstandsorientierten Schichten wegziehen<br />

<strong>und</strong> das ist natürlich nicht h<strong>in</strong>nehmbar.“ (C. Hanke)<br />

Über 70 laufende Projekte <strong>in</strong> den beiden hier untersuchten QM- Gebieten zielen<br />

darauf ab, die soziale Infrastruktur <strong>der</strong> Kieze zu verbessern. Das QM soll gegen die<br />

bereits genannten negativen Tendenzen (Segregation durch Des<strong>in</strong>tegration, soziale<br />

Entmischung) wirken <strong>und</strong> die Kiezb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> das Verantwortungsgefühl <strong>der</strong><br />

Bewohner stärken. Übere<strong>in</strong>stimmend wurde sich hier positiv geäußert: „<strong>der</strong><br />

Anfang ist gemacht“, e<strong>in</strong>ige Bürger seien bereits durch das QM aktiviert worden.<br />

Es wurde jedoch auch massive Kritik an <strong>der</strong> Arbeit des QM geäußert. Die<br />

Nachhaltigkeit bei manchen Projekten - vor allem bei den re<strong>in</strong> baulichen<br />

Maßnahmen . die zum Teil stärker f<strong>in</strong>anziert werden als an<strong>der</strong>e Projekte - sei nicht<br />

ersichtlich. Mehrfach wurde das Projekt Fordoner Platz kritisiert, <strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

italienische Piazza umgewandelt wurde. J. Zeller erwähnt <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang e<strong>in</strong>e Episode, die ihm bei <strong>der</strong> Eröffnungsfeier wi<strong>der</strong>fahren ist: Er<br />

hatte e<strong>in</strong> paar Bewohner, die sich e<strong>in</strong>gef<strong>und</strong>en hatten, gefragt, wie sie denn den<br />

Platz fänden. Diese antworteten ihm: ‚Na, denn kommen sie mal <strong>in</strong> 14 Tagen<br />

wie<strong>der</strong>, dann sehen sie ja wie es hier aussieht, alles vollgeschissen von den Tölen<br />

<strong>und</strong> die Türkenbengels reißen gleich heute Abend die Blumen aus den Rabatten.’<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Beispiel: Zum e<strong>in</strong>en habe <strong>der</strong> Bezirk nicht die Mittel, um die<br />

Wasserpumpen auf den (ebenfalls durch das QM neugestalteten) Spielplätzen zu<br />

betreiben, damit die K<strong>in</strong><strong>der</strong> hier mit Wasser <strong>und</strong> Sand bauen können, zum an<strong>der</strong>en<br />

wird durch das QM e<strong>in</strong> teures Verkehrsgutachten erstellt, obwohl die Verwaltung<br />

die verkehrliche Situation <strong>in</strong> den Kiezen seit Jahren kenne, aber nicht die Mittel<br />

hat, erfor<strong>der</strong>liche Maßnahmen e<strong>in</strong>zuleiten. In diesen Beispielen kommt sehr gut<br />

zum Ausdruck, dass die Koord<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Akteure nur mangelhaft ist. Zum e<strong>in</strong>en<br />

soll (siehe Bsp. Fordoner Platz) das Wohnumfeld verbessert werden, zum an<strong>der</strong>en<br />

wurde den Bewohnern nicht nahegebracht, dass sie für dieses Wohnumfeld<br />

mitverantwortlich s<strong>in</strong>d. Die Aktivierung des Verantwortungsgefühls <strong>der</strong> Bewohner<br />

durch das QM kann hier nur als gescheitert bezeichnet werden. Das zweite Beispiel<br />

zeigt deutlich, dass die Koord<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Akteure auf <strong>der</strong> Verwaltungsebene<br />

fehlerhaft ist bzw. die Akteure nicht <strong>in</strong>tensiv genug zusammenarbeiten, also<br />

mangelhafte Koord<strong>in</strong>ation, aber auch mangelhafte Kommunikation vorherrscht.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er wesentlicher Kritikpunkt war, dass die angesprochene Zielgruppe bei<br />

manchen Projekten nicht erkennbar o<strong>der</strong> schlicht verfehlt sei. Beispielsweise ist am<br />

Schnur, O. (Hrsg.):<br />

<strong>Sozialkapital</strong> <strong>und</strong> Engagement <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Nachbarschaft</strong>: Ressourcen für die<br />

„soziale“ Stadtentwicklung. Empirische<br />

Untersuchungen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Wedd<strong>in</strong>g.

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