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Sozialkapital und Bürgerengagement in der Nachbarschaft

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Um den Wertewandel <strong>in</strong> Beziehung zum freiwilligen Engagement zu setzen, ist es<br />

wichtig, die Motivation <strong>der</strong> Aktiven zu h<strong>in</strong>terfragen (Abb. 8). Dabei ist<br />

festzustellen, dass traditionelle Motive, wie „etwas für das Geme<strong>in</strong>wohl tun“ o<strong>der</strong><br />

„an<strong>der</strong>en Menschen helfen“ nach wie vor von großer Bedeutung s<strong>in</strong>d. Aber, wie<br />

sich zeigt, ist die Beteiligung nicht ausschließlich von altruistischen Beweggründen<br />

abhängig. Auch selbstentfaltende Motive, wie „Tätigkeit soll Spaß machen“, „mit<br />

sympathischen Menschen zusammenkommen“ o<strong>der</strong> „eigene Kenntnisse <strong>und</strong><br />

Erfahrungen erweitern“ spielen e<strong>in</strong>e weitaus größere Rolle, als man geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong><br />

annehmen würde. Demzufolge lässt sich feststellen, dass freiwilliges Engagement<br />

von selbstentfaltenden Werten nicht e<strong>in</strong>geschränkt wird, ganz im Gegenteil, es<br />

wird vom Individualismus vielmehr kräftig unterstützt <strong>und</strong> mitgetragen. Im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> Entwicklung vom „alten“ zum „neuen“ Ehrenamt sei<br />

gesagt, dass stark <strong>in</strong>stitutionalisierte große Organisationen über<br />

Mitglie<strong>der</strong>schw<strong>und</strong> <strong>und</strong> mangelndes Teilnahme<strong>in</strong>teresse klagen, während gerade <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren sich die Zahl <strong>der</strong> Selbsthilfegruppen <strong>und</strong> selbst organisierten<br />

Initiativen bzw. Projekte stark erhöhte .<br />

Weiterh<strong>in</strong> kann gesagt werden, dass bestimmte soziale Indikatoren geradezu<br />

typisch für die Gruppe <strong>der</strong> Freiwilligen s<strong>in</strong>d. So existiert beispielsweise e<strong>in</strong><br />

Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Engagementbereitschaft <strong>und</strong> dem Bildungs- <strong>und</strong><br />

Berufsstand. Dabei können viele Aktive e<strong>in</strong> überdurchschnittlich hohes Niveau<br />

bei<strong>der</strong> Faktoren aufweisen, was natürlich schlussfolgern lässt, dass bei vielen e<strong>in</strong>e<br />

bessere f<strong>in</strong>anzielle Voraussetzung gegeben ist. Außerdem wurde festgestellt, dass<br />

e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> Engagierten sozial stärker <strong>in</strong>tegriert ist, sprich, sie bewegen sich<br />

sowieso schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em größeren Bekannten- <strong>und</strong> Verwandtenkreis. Zusätzlich<br />

besitzen viele e<strong>in</strong>en ausgesprochenen S<strong>in</strong>n für das Geme<strong>in</strong>wesen.<br />

Beim Vergleich bei<strong>der</strong> Geschlechter, ist festzustellen, dass Männer mit 38 %<br />

aktiver s<strong>in</strong>d als Frauen, von denen sich 30 % beteiligen. Dabei engagieren sich<br />

Männer mit e<strong>in</strong>em wesentlich höheren Zeitaufwand. Während Frauen vorwiegend<br />

<strong>in</strong> familienbezogenen <strong>und</strong> sozialen Bereichen (Schule/K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, Soziales,<br />

Kirche, Ges<strong>und</strong>heit) tätig s<strong>in</strong>d, liegt das Interesse <strong>der</strong> Männer eher bei freizeit- <strong>und</strong><br />

berufsorientierten Bereichen (Sport, Freizeit, Geselligkeit, politische <strong>und</strong> berufliche<br />

Interessenvertretung, Unfall- <strong>und</strong> Rettungswesen). Wichtig bei e<strong>in</strong>igen Männern ist<br />

außerdem e<strong>in</strong>e Funktion o<strong>der</strong> Tätigkeit, die e<strong>in</strong>en gewissen Prestigegew<strong>in</strong>n<br />

verspricht. Entscheidend ist die Erkenntnis, dass sich die geschlechter-spezifische<br />

Arbeitsteilung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft nahtlos <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufteilung <strong>der</strong> freiwilligen<br />

Tätigkeit fortsetzt.<br />

Wie sieht es bei <strong>der</strong> Jugend aus? Die 14- 24- jährigen s<strong>in</strong>d mit 37 %<br />

überdurchschnittlich viel engagiert. Dabei konzentriert sich ihre Aktivität<br />

vorwiegend auf die Bereiche Sport, Freizeit <strong>und</strong> Geselligkeit, Schule, Kultur,<br />

Kirche <strong>und</strong> Rettungswesen. Das wichtigste <strong>in</strong> dieser Altersgruppe ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong><br />

vorhandenes riesiges Engagementpotential. Von den Nicht- Aktiven bek<strong>und</strong>eten<br />

weit über die Hälfte (63 %) e<strong>in</strong> gewisses Interesse, <strong>und</strong> von den Aktiven wären<br />

immerh<strong>in</strong> 57 % bereit, ihr Engagement auszuweiten. Das ist bemerkenswert, <strong>und</strong><br />

wenn Engagement geför<strong>der</strong>t werden soll, dann bietet sich gerade hier e<strong>in</strong><br />

erfolgversprechen<strong>der</strong> Ansatzpunkt. Außerdem ist bei <strong>der</strong> b<strong>und</strong>esweiten Studie<br />

festgestellt worden, dass bei e<strong>in</strong>er späteren Beteiligung auf e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

Gebiet oft die Wurzeln im Jugendalter e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle spielen.<br />

E<strong>in</strong>e weitere für die Betrachtung des freiwilligen Engagements <strong>in</strong>teressante soziale<br />

Gruppe s<strong>in</strong>d die Arbeitslosen. Für sie kann es wichtig se<strong>in</strong>, ehrenamtliche<br />

Tätigkeiten zu übernehmen, da sie so e<strong>in</strong>e Möglichkeit besitzen, <strong>der</strong><br />

gesellschaftlichen Ausgrenzung entgegenzutreten. Sie erhalten sich das Gefühl<br />

gebraucht zu werden. Weiterh<strong>in</strong> haben Arbeitslose durch Freiwilligenarbeit die<br />

Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong><br />

Geographisches Institut<br />

Arbeitsberichte<br />

Nr. 87 (2003)

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