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Jenas Sporthistorie in Wort und Bild - Sport Geschichte Jena

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E<strong>in</strong> Haferschleim voller Geheimisse<br />

Thür<strong>in</strong>gische Landeszeitung 6. Mai 2010 Nr. 185<br />

Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em früheren Beitrag geschildert, gelang es 1990 beim Rennsteiglauf, erstmals<br />

Getränke, die man im Osten nur aus dem Westfernsehen kannte, als Sponsorleistung<br />

für alle Läufer auf der Strecke auszugeben. Mit Gatorade hatten dabei viele Läufer e<strong>in</strong><br />

wortwörtlich „durchschlagendes“ Problem. Die Getränkepaletten waren bereits am<br />

Abend vor dem Lauf an die Getränkestellen gebracht worden. Leichter Nachtfrost sorgte<br />

dafür, dass sie früh beim Ausschenken oft noch deutlich unter 5° C kühl waren, was<br />

dazu führte, dass nach den ersten Versorgungspunkten die Wälder rechts <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ks der<br />

Strecke von Läufern bevölkert wurden, die eilig e<strong>in</strong>en Busch suchten. Üblicher Weise<br />

waren bis dah<strong>in</strong> warmer Tee <strong>und</strong> vor allem der legendäre „Rennsteiglauf-Haferschleim“<br />

die wichtigste Flüssigkeitsversorgung beim Rennsteiglauf. Der Haferschleim, der noch<br />

heute zur Standartversorgung an fast allen Verpflegungspunkten der langen Strecken<br />

gehört, war 1973 vom <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong>er Jochen Scheibe entwickelt worden.<br />

Bei den vorangegangenen Testläufen hatten sich die Studenten <strong>und</strong> Oberschüler,<br />

die als Rennsteiglauf<strong>in</strong>itiatoren gelten, vor allem an publizierte Ernährungspläne<br />

der Friedensfahrer gehalten. Dies erwies sich aber teilweise als völlig ungeeignet,<br />

da z. B. feste Nahrung wie Geflügelfleisch beim Laufen stört. In Gesprächen mit<br />

<strong>Sport</strong>mediz<strong>in</strong>er Scheibe wurde dann e<strong>in</strong>e Lösung gesucht, die sowohl kurz- als auch<br />

langkettige Kohlenhydrate, M<strong>in</strong>eralsalze <strong>und</strong> Flüssigkeit vere<strong>in</strong>en sollte. In e<strong>in</strong>em<br />

Haferschleim nur mit Wasser gekocht, angereichert mit Kochsalz, Vitam<strong>in</strong>-C <strong>und</strong><br />

Traubenzucker fand man die Lösung. Tests bei Läufen von Neulobeda über Kahla nach<br />

Stadtroda <strong>und</strong> zurück zeigten, dass dies e<strong>in</strong>e magenverträgliche Lösung war. Beim<br />

ersten Praxise<strong>in</strong>satz 1973, als vier Läufer versuchen wollten, so weit wie möglich auf<br />

dem Rennsteig zu laufen, wurde diese Mischung dann an fast allen Verpflegungsstellen<br />

getrunken. Allerd<strong>in</strong>gs fiel es den Akteuren zunehmend schwerer, dieses mediz<strong>in</strong>isch<br />

durchdachte Stärkungsgetränk runterzuschlucken. Bei der Verzehnfachung der Menge<br />

gegenüber den Testläufen muss e<strong>in</strong> Rechenfehler bei der Mengenzusammensetzung<br />

passiert se<strong>in</strong>. Das Getränk war e<strong>in</strong>fach viel zu salzig. Da bekanntlich der Rennsteig e<strong>in</strong>e<br />

Wasserscheide ist, hatten die Läufer auch ke<strong>in</strong>e Chance, zwischendurch an e<strong>in</strong>er Quelle<br />

e<strong>in</strong>en fischen Trunk zu sich zu nehmen. Der Betreuer, Dietrich Saalfeld, erbarmte sich<br />

aber <strong>und</strong> besorgte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gaststätte alkoholfreie Getränke, die dann etwa nach 50<br />

km zusätzlich getrunken wurden. Wäre dies nicht geschehen, würde es vielleicht heute<br />

ke<strong>in</strong>en Rennsteiglauf geben, da die Akteure vielleicht vorher ihren Lauf verzweifelt<br />

abgebrochen hätten. So schafften sie es fast bis nach Masserberg. Vorher wurde aber<br />

mit diebischer Freude an der Schwalbenhauptwiese, wo <strong>in</strong> Reichweite des Rennsteigs<br />

e<strong>in</strong> Bach im Wiesengr<strong>und</strong> floss, der versalzene Schleim ausgekippt. In den folgenden<br />

Jahren, als aus den vier Rennsteiglaufgründern über 1000 Teilnehmer geworden waren,<br />

wurden die Schleim-Rezepte mehrfach nach neuesten ernährungswissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen abgewandelt <strong>und</strong> ab Mitte der 1980er Jahre e<strong>in</strong>e Babynahrung als<br />

Gr<strong>und</strong>lage verwendet. E<strong>in</strong>e Schwierigkeit war die Zubereitung am Rennsteig, wo oft die<br />

Möglichkeit fehlte, <strong>in</strong> nahe gelegenen Großküchen die benötigten Mengen (mehrere<br />

tausend Liter) zuzubereiten <strong>und</strong> die nötige Temperatur über St<strong>und</strong>en zu halten. Mit<br />

e<strong>in</strong>fachen emaillierten Waschkesseln, die es vor allem <strong>in</strong> den sogenannten „VdgB-<br />

Läden“ gab, <strong>in</strong> denen der Landbevölkerung alles angeboten wurde, was man so als<br />

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