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Jenas Sporthistorie in Wort und Bild - Sport Geschichte Jena

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Der USV sucht die Reste e<strong>in</strong>es Kunstwerkes<br />

Thür<strong>in</strong>gische Landeszeitung 22. November 2006 Nr. 32<br />

1927 hatte der <strong>Bild</strong>hauer Prof. Richard Engelmann, welcher Ord<strong>in</strong>arius für Plastik <strong>und</strong><br />

<strong>Bild</strong>hauerkunst an der Staatlichen Hochschule für <strong>Bild</strong>ende Kunst Weimar war, sozusagen<br />

als Geschenk zu se<strong>in</strong>em 60. Geburtstag von der Thür<strong>in</strong>gischen Landesregierung den<br />

Auftrag erhalten, e<strong>in</strong>en Entwurf für e<strong>in</strong>e Plastik zur Ausschmückung des freien Platzes<br />

vor der Landesturnanstalt (Muskelkirche) zu gestalten. Er entwarf daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

überlebensgroßen Speerwerfer, der 1932 als Bronzefigur gegossen <strong>und</strong> auf e<strong>in</strong>em<br />

Travert<strong>in</strong>sockel vor dem heutigen Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft <strong>in</strong> der Seidelstraße<br />

aufgestellt wurde. Die künstlerische Ausführung wurde von Beg<strong>in</strong>n an vor allem von den<br />

<strong>Sport</strong>lehrkräften <strong>und</strong> <strong>Sport</strong>studenten auf Gr<strong>und</strong> der Wurftechnik, die <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise<br />

der e<strong>in</strong>es Speerwerfers entsprach, kritisiert. Richard Engelmann, am 5. Dezember<br />

1868 <strong>in</strong> Bayreuth geboren, hatte <strong>in</strong> München studiert <strong>und</strong> nach Studienaufenthalten<br />

<strong>in</strong> Florenz <strong>und</strong> Paris <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong> eigenes Atelier unterhalten. Er wurde 1913 als Leiter<br />

der <strong>Bild</strong>hauerabteilung an die Hochschule für bildende Künste nach Weimar berufen.<br />

Stilistisch s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Arbeiten dem Neoklassizismus zuzurechnen, der Anfang des<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts für Umbruch <strong>und</strong> Modernität stand <strong>und</strong> den Übergang vom Historismus<br />

zum Bauhaus ermöglichte. Zu se<strong>in</strong>en bedeutendsten Werken, die noch <strong>in</strong> Weimar<br />

erhalten s<strong>in</strong>d, gehören die „Ruhende Frau“ <strong>und</strong> das „Sitzbild zweier Frauen“ am<br />

Van-de-Velde-Bau der Bauhaus-Universität, die bronzene Mädchenfigur an der<br />

Pestalozzischule <strong>und</strong> vor allem das „Wildenbruch-Denkmal“ im Poseckschen Garten.<br />

Dass sich die Plastik des Speerwerfers bis 1940 auf dem Vorplatz der Muskelkirche<br />

hielt, ist eigentlich e<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er, da Engelmann bereits seit 1930 quasi unter<br />

Berufsverbot stand, als die NSDAP zeitweilig an der Landesregierung beteiligt war.<br />

Der neu e<strong>in</strong>gesetzte Direktor der Weimarer Kunsthochschule Schulze-Naumburg,<br />

der später die Aktion „Entartete Kunst“ der Nazis zur „Säuberung“ von Museen <strong>und</strong><br />

Sammlungen leitete, war se<strong>in</strong> persönlicher Gegner. Dazu kam, dass er als „Halbjude“<br />

beruflich degradiert wurde. Nach weiteren beruflichen Beh<strong>in</strong>derungen durch die<br />

Nationalsozialisten übersiedelte Engelmann 1937 nach Kirchzarten, wo er bis zu<br />

se<strong>in</strong>em Tode 1966 künstlerisch tätig war.<br />

Erst am 1. April 1940 beantragte der amtierende Institutsdirektor Ernst Herberger<br />

beim M<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> Weimar, die Plastik des Speerwerfers vor dem Institutsgebäude,<br />

der Metallsammlung zur Geburtstagsspende des Führers bereitstellen zu dürfen.<br />

Am 18. April 1940 erhielt die Ortsgruppe <strong>Jena</strong>-Nord der NSDAP vom M<strong>in</strong>isterium für<br />

Volksbildung den Auftrag, „…ohne öffentliches Aufsehen“ die Figur des Speerwerfers<br />

als besondere Gabe für die Metallsammlung zum Geburtstag des Führers abzubauen.<br />

Wörtlich schrieb M<strong>in</strong>isterialrat Stier: „Es ist mir nicht erwünscht, dass e<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Bekanntgabe dieser Spende <strong>in</strong> den Zeitungen erfolgt.“ Die Ortsgruppe realisierte<br />

den Auftrag postwendend, <strong>in</strong>dem sie die Plastik vom Sockel stürzte <strong>und</strong> per LKW<br />

abtransportierte. Seitdem gibt es ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise über den weiteren Verbleib. Bei der<br />

gleichen Aktion wurde die Plastik „der Fußballspieler“ von Arno Zauche, die im Foyer<br />

des Instituts stand, e<strong>in</strong>geschmolzen.<br />

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