Jenas Sporthistorie in Wort und Bild - Sport Geschichte Jena
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Politischer Fußball gegen Kilia Kiel<br />
Thür<strong>in</strong>gische Landeszeitung vom 4. März 2010 Nr. 176<br />
Unter der Überschrift „<strong>Sport</strong>ler, kämpft gegen die Remilitarisierung“ berichtete<br />
„Das Volk“, die Thür<strong>in</strong>ger Tageszeitung der Sozialistischen E<strong>in</strong>heitspartei (SED) über<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Fußballspiel von Carl Zeiss gegen Kilia Kiel, welches am 7. Januar<br />
1951 stattfand. Dieses Spiel reiht sich e<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e politisch motivierte Serie von<br />
Vergleichswettkämpfen <strong>und</strong> Turnieren, die mit der Gründung der beiden deutschen<br />
Staaten 1949 begann <strong>und</strong> erst mit dem Mauerbau 1961 endete. In dieser Zeit versuchten<br />
DDR-<strong>Sport</strong>geme<strong>in</strong>schaften <strong>und</strong> Verbände kont<strong>in</strong>uierlich auf der unteren Ebene<br />
den „Gesamtdeutschen <strong>Sport</strong>verkehr“ zu pflegen, mit der Zielstellung Argumente<br />
für e<strong>in</strong>e „E<strong>in</strong>heit Deutschlands“ nach Prägung der SED-Führung <strong>in</strong> den Medien im<br />
Gespräch zu halten. Von „westlicher“ Seite wurde dies mit allen möglichen Mitteln<br />
unterb<strong>und</strong>en, da nach ihrer Lesart nur e<strong>in</strong> Deutscher Staat existierte. Die BRD alle<strong>in</strong> sei<br />
Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches <strong>und</strong> die DDR e<strong>in</strong>e kommunistische Diktatur.<br />
Der <strong>Sport</strong> wurde von beiden Seiten mit allen Mitteln <strong>in</strong> die Ause<strong>in</strong>andersetzungen im<br />
Rahmen des „Kalten Krieges“ e<strong>in</strong>bezogen. Das erste „gesamtdeutsche“ Fußballspiel,<br />
bereits im November 1949, unmittelbar nach der Gründung der DDR, fand zwischen<br />
den Mannschaften der Uni <strong>Jena</strong> <strong>und</strong> der Uni Gött<strong>in</strong>gen statt. Auch die Fußballer von<br />
„Carl Zeiss“ wurden <strong>in</strong> das politische Tagesgeschehen voll e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. So kann man<br />
<strong>in</strong> „Das Volk“ vom 19. Dezember 1950 z. B. lesen, dass die Mannschaft von Zeiss<br />
<strong>in</strong> der Pause des Spiels gegen Höhenschönhausen nach e<strong>in</strong>er Ansprache geschlossen<br />
ihren Beitritt zur Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Fre<strong>und</strong>schaft erklärte <strong>und</strong> damit<br />
„die Friedensfront stärkten“. Das Spiel gegen Kilia Kiel wurde wie folgt angekündigt:<br />
„Mit dem Besuch von Kilia Kiel nimmt das neue Jahr für den <strong>Jena</strong>er <strong>Sport</strong> e<strong>in</strong>en<br />
verheißungsvollen Anfang: steht doch gerade das Jahr 1951 ganz im Zeichen des<br />
verstärkten Kampfes um E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Frieden.“ Vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, dass zehn <strong>Jena</strong>er<br />
Bürger wenige Wochen vorher wegen „Westkontakten“ verhaftet worden waren,<br />
relativiert sich der „Wunsch“ nach der „Deutschen E<strong>in</strong>heit“. Der Universitätsturnlehrer<br />
Hans Beitz wurde u. a. als sogenannter Rädelsführer zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt,<br />
von denen er fünf absitzen musste. Als e<strong>in</strong>ziges „Vergehen“ konnte man ihm e<strong>in</strong>e aus<br />
„Westberl<strong>in</strong>“ mitgebrachte Zeitung nachweisen.<br />
Zurück zum Fußball. Wikipedia schreibt zu Kilia Kiel, dass der Vere<strong>in</strong> 1902 als Abspaltung<br />
vom heutigen Holste<strong>in</strong> Kiel als Fußballvere<strong>in</strong> gegründet wurde. Nach dem Ende des<br />
Zweiten Weltkriegs war Kilia Landesmeister <strong>und</strong> 1946 eigentlich für die Teilnahme<br />
an der Norddeutschen Meisterschaft qualifiziert, erhielt aber von der britischen<br />
Militärregierung ke<strong>in</strong>e Startgenehmigung. 1951 spielten sie <strong>in</strong> der Amateurliga<br />
Schleswig-Holste<strong>in</strong> <strong>und</strong> schafften es bis zur Teilnahme an den Aufstiegsspielen<br />
zur Regionalliga. 2008/09 spielten sie <strong>in</strong> der Schleswig-Holste<strong>in</strong>-Liga auf e<strong>in</strong>em<br />
Abstiegsplatz <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Spielzeit 2009/10 <strong>in</strong> der sechstklassigen Verbandsliga Nord-<br />
Ost. Vor dem Anstoß im Ernst-Abbe-Stadion 1951, vor 8.000 Zuschauern, hielt der<br />
<strong>Jena</strong>er Oberbürgermeister e<strong>in</strong>e „flammende“ politische Rede u.a. mit der Bitte an die<br />
Kieler: „Setzt auch ihr euch e<strong>in</strong>, damit die trennenden Zonengrenzen fallen…“ Das<br />
Spiel verlief anfangs ausgeglichen. Die letzten 15 M<strong>in</strong>uten gehörten aber ganz <strong>Jena</strong>, bis<br />
zur 60 M<strong>in</strong>uten stand es 2:2, <strong>und</strong> Simon, Sperschneider <strong>und</strong> noch mal Simon sorgen<br />
für e<strong>in</strong>en 5:2 Sieg.<br />
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