Jenas Sporthistorie in Wort und Bild - Sport Geschichte Jena

Es gehörte einfach zum guten Ton
Thüringische Landeszeitung 25. Juni 2009 Nr. 140
Die Anfangsjahre der „100-km-Wanderung rund um Jena“ sahen gar nicht nach einer
Erfolgsgeschichte aus. Waren es bei der Erstauflage 18 Starter, beteiligten sich bei der
zweiten Wanderung 1987 17 Wanderer, die vorwiegend aus Jena kamen. Allmählich
begann aber ein rascherer Anstieg, wozu auch die 1988 eingeführte 35km-Strecke
beitrug. Im Jahr 1989 beteiligten sich schon 98 über 100km und 36 auf der 35km
Strecke.
Wie bei vielen anderen Sportarten in der damaligen DDR, gab es auch bei der
„Horizontale“ mit der politischen Wende nach 1989 „finanzielle“ Probleme. Die
Teilnehmerzahlen gingen massiv zurück, in Jena bei der 100km-Wanderung 1991 und
1992 auf unter 60 für beide Strecken. 1993 kamen nur ganze 12 „100er“ und sieben
„35er“ ins Ziel, die niedrigste Zahl überhaupt in der Geschichte. Vergleichsweise
ähnlich erging es dem Jenaer Kernberglauf. Hier war 1990 wegen zu geringer Nachfrage
bereits die lange Strecke von 40km aus der Veranstaltung genommen worden. Die
Läuferzahl sank hier von etwa 1000 in der „Vorwendezeit“ auf 311 und 1991 sogar
auf 287. Eine verstärkte Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und die Gewinnung des
damaligen Oberbürgermeisters Dr. Peter Röhlinger als Schirmherrn halfen bei der
Überwindung dieser Krise bei der 100km-Wanderung. Die Organisatoren um Lothar
Seifarth und Helga Hohmann hielten vor allem an der langen Strecke von 100km fest.
Diese Strecke war das Markenzeichen und Alleinstellungsmerkmal der Wanderung, die
dann ab 1994 wieder kontinuierlich wuchs. Ab 1996 wurden erstmals mehr als 200
Wanderer im Ziel gezählt. Ab 2004 musste eine Limitierung für die Gesamtstrecke bei
850 Teilnehmern eingeführt werden.
So richtig sind die Hintergründe noch nicht erforscht, warum die „Horizontale“ damals
zu einer „Kultveranstaltung“ unter Jenaer Studenten und Oberschülern wurde. Wenn
auch dadurch die Aufgeberquote auf 50 und mehr Prozent stieg, so gehörte es doch
unter sportlich interessierten Studierenden zum guten Ton, dass man einmal um
Jena gewandert sein musste. Der Altersdurchschnitt um die 30 Jahre bestätigt diese
Entwicklung und liegt deutlich unter dem des GutsMuths-Rennsteiglaufs, wo der
vergleichbare Supermarathon von Eisenach nach Schmiedefeld (73km) bei deutlich
über 40 Jahren liegt. So wie bei den ersten Rennsteigläufen zählt heute der „100er von
Jena“ scheinbar zu einer Mutprobe für Gymnasiasten und Studenten.
Während bei der 100km-Wanderung 2009 die Teilnehmerzahl über 100km bei
insgesamt 77 Frauen (im Ziel) und 346 Männern, die Mehrzahl Studenten, lag, waren
es in der Studentenwertung beim Supermarathon auf dem Rennsteig nur 18 Studenten
und drei Studentinnen. Offensichtlich ist das Konzept der Organisatoren in Jena, dass
man 24 Stunden Zeit und keinen Leistungsdruck hat, genau der richtige Weg, um
junge Menschen an eher extreme sportliche Leistungen heranzuführen. Die Tatsache,
dass man ohne große Probleme auch aufhören kann und auf Grund des Rundkurses
relativ schnell wieder in Jena ist und mit der Straßenbahn oder dem Bus zu seiner
Wohnung kommt, begünstigt sicher auch, dass die Hemmschwelle sinkt, die so eine
Langzeitausdauerbelastung sonst mit sich bringt.
Begünstigt wurde die 100km-Wanderung natürlich auch durch ein geringes Startgeld,
welches fast noch aus Nachwendezeiten stammte und einen zusätzlichen Studentenrabatt.
187