Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

SCHULDEN-KOMPASS | TEILANALYSE C | 1
1. Operationalisierungsansätze zur privaten Überschuldung
Während hinsichtlich der Definition von Verschuldung als jede Form des Eingehens von
Geldverbindlichkeiten, die ökonomisch und juristisch geregelt sind, weit gehend Konsens besteht,
bildet sich dieser erst hinsichtlich der Definition von Überschuldung. Grundsätzlich können
Definitionen der Überschuldung (in Anlehnung an die Konzeptualisierung von Armutsdefinitionen 2 )
unterschieden werden nach subjektiven, relativen und absoluten Ansätzen.
120
Subjektive Überschuldung: Die Person fühlt sich psychisch und finanziell überfordert,
Schulden zurückzuzahlen.
Relative Überschuldung: Trotz Reduzierung des Lebensstiles reicht der Einkommensrest
nach Abzug der Lebenshaltungskosten nicht zur fristgerechten Schuldentilgung aus.
Absolute Überschuldung (Insolvenz): Einkommen und Vermögen des Schuldners reichen
nicht mehr aus, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.
Diese Definition wurde auch bereits im Schuldenkompass 2003 verwendet. 3
Im Mittelpunkt des Interesses der letzten Jahre steht nicht nur das Ausmaß absoluter, sondern vor
allem jenes von relativer Überschuldung, wobei besondere Aufmerksamkeit der Überschuldung von
Privathaushalten gilt. Letzteres liegt darin begründet, dass von Überschuldung und den resultierenden
Folgen nicht nur der Kreditnehmer betroffen ist, sondern auch die weiteren Haushaltsmitglieder.
Weiterhin zeigen Modellrechnungen auf der Basis des SOEP (sozioökonomische Panel) für 2002,
dass zur Bemessung des Gesamtkreditvolumens und deren Tilgung mehrheitlich das Haushaltsnettoeinkommen
dient.
Die oben zitierte Definition relativer Überschuldung ist entsprechend haushaltsbezogen dahingehend
zu adaptieren, dass einerseits das Einkommen des Haushaltes (Haushaltsnettoeinkommen)
im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft zur Schuldentilgung herangezogen wird und sich andererseits
die Lebenshaltungskosten auf den Haushalt (die Wirtschaftsgemeinschaft) beziehen. 4
2 Vgl. Zimmermann, Gunter E.: Armut: Konzepte, Definitionen und Operationalisierungsansätze in der BRD. Wider ein
Ende der Grundsatzdiskussion, in: Soziale Probleme 4 (1993), S. 193-228; Ders.: Ansätze zur Operationalisierung von
Armut und Unterversorgung im Kindes- und Jugendalter, in: Ch. Butterwegge (Hrsg.): Kinderarmut in Deutschland.
Ursachen, Erscheinungsformen und Gegenmaßnahmen, Frankfurt a. M./New York: Campus-Verlag 2000, S. 59-77. Ders.:
Armut, in: B. Schäfers, W. Zapf (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands, 2. Aufl., Opladen: Leske+Budrich,
2001, S. 36-52.
3 Vgl. SCHUFA HOLDING AG (Hrsg.): Schulden-Kompass 2003. Empirische Indikatoren der privaten Ver- und Überschuldung
in Deutschland, Wiesbaden 2003, S. 17.
4 Modellrechnungen zeigen, dass die Kreditvolumina (bestehende Gesamtschuld) und die daraus resultierenden monatlichen
Tilgungsbelastungen mehrheitlich nach dem Gesamteinkommen des Haushaltes (Haushaltesnettoeinkommen)
bemessen und folglich die Kredithaftungen in Haushalten mit mehr als einem Einkommensbezieher mehrheitlich nicht ausschließlich
von einer Person getragen werden. Was für Hypothekarkredite naheliegend ist, gilt mehrheitlich auch für
Konsumentenkredite: Unter der Annahme, dass ausschließlich der Haupteinkommensbezieher in einem Haushalt der
Kreditnehmer ist und entsprechend auch nur er mit seinem pfändbaren Einkommensanteil für die Schuldentilgung herangezogen
werden kann, würde man das unrealistische Ergebnis erhalten, dass drei Viertel aller Haushalte, die nur
Konsumentenkredite besitzen (also keine laufenden Hypothekarkredite haben), überschuldet wären, das heißt, der pfändbare
Anteil des (bereinigten) Nettolohnes reichte nicht aus, die bestehenden monatlichen Belastungen aus
Konsumentenkreditverpflichtungen zu erfüllen.