23.12.2012 Aufrufe

Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

INTERNATIONALER VERGLEICH C | V | 2<br />

unteren Einkommensschichten vom „ersten Kreditmarkt“ (mainstream credit market) und die<br />

Überlassung dieser überschuldungsgefährdeten Gruppe einem unreglementierten „zweiten<br />

Kreditmarkt“ (sub-pr<strong>im</strong>e lending market), dessen Konditionen für die <strong>Überschuldung</strong> von Privathaushalten<br />

mit verantwortlich gemacht werden. 168<br />

Untersuchungen haben für Großbritannien den Ausschluss einkommensschwacher Privathaushalte<br />

von mainstream-Finanzdienstleistungen quantifiziert:<br />

• 7% der Privathaushalte verfügen über kein „mainstream“-Finanzprodukt (Konto,<br />

Kredit, Sparprodukt u.ä.); 169<br />

• 35% der Privathaushalte, die öffentliche Einkommensbeihilfen beziehen,<br />

verfügen über kein Finanzprodukt; 170<br />

• 29% der Privathaushalte haben keinen Zugang zu „mainstream“-Kreditprodukten; 171<br />

• 31-37% der Privathaushalte verfügen über keine Spar- oder Anlageprodukte. 172<br />

Betroffen sind pr<strong>im</strong>är Arbeitslose, Erwerbsunfähige, Niedrigeinkommensbezieher, Alleinerziehende,<br />

alleinlebende Rentner und Einwanderer. Datamonitor identifizierte für das Jahr 1999 8,3 Mio. Briten,<br />

denen der Zugang zum „ersten Kreditmarkt“ wegen ihres Einkommensstatus oder ihrer<br />

Kredithistorie verwehrt war. 173<br />

In den USA 174 sind Privathaushalte mit Niedrigeinkommen 175 wegen ihrer fehlenden oder beeinträchtigten<br />

Kredithistorie weitgehend vom „ersten Finanzdienstleistungsmarkt“ ausgeschlossen. 1999 hatten<br />

nur 33% aller U.S.-Privathaushalte, die einen „mainstream“-Kredit beantragen wollten, einen<br />

Kredit-Score von mehr als 200 Punkten, so dass sie von Anbietern des „ersten Kreditmarkts“ 176<br />

akzeptiert wurden. 1998 wurden bei 45,5% der Privathaushalte mit einem Einkommen von weniger<br />

als 50% des U.S.-Medianwertes die Anträge für einen „mainstream“-Hypothekenkredit pr<strong>im</strong>är<br />

wegen der Kredithistorie (43%) abgelehnt. Bei Haushalten mit einem durchschnittlichen Einkommen<br />

(100-119% des Medianwertes) waren es auch noch 16,6%. Dementsprechend hoch ist der Anteil<br />

von Hypothekenkrediten des „sub-pr<strong>im</strong>e lending“-Markts bei Niedrigeinkommensbeziehern. 177 Im<br />

Gegensatz zum sonstigen Umlauf von Kreditkarten verfügten 1998 nur 7,7% der Privathaushalte<br />

mit Niedrigeinkommen über eine Kreditkarte eines Anbieters, der dem „ersten Kreditmarkt“ zuzuordnen<br />

ist. 178<br />

Kontinentaleuropa kennt wegen der strengeren Reglementierung des Finanzdienstleistungsmarktes<br />

nicht die Trennung zwischen „erstem“ und „zweitem“ Kreditmarkt. <strong>Die</strong> zu beobachtende<br />

Kundensegmentierung befördert allerdings die Entstehung spezifischer, kostenintensiver<br />

Armutsprodukte. Dazu gehören z.B. Mikrokredite (Kleinstkredite), wie sie in Frankreich und Portugal<br />

solchen Privathaushalten angeboten werden, denen ansonsten der diskr<strong>im</strong>inierungsfreie Zugang<br />

zum Kredit versperrt bleibt. <strong>Die</strong> Vergabe- und Preiskonditionen für Mikrokredite sind aber selbst nicht<br />

frei von Diskr<strong>im</strong>inierung und bieten keinen ökonomisch-rationalen Ausweg aus der Schuldenspirale<br />

oder prozeduralen Armut. 179 Einige Skandinavische Länder bieten staatliche „social loans“ zur Überbrückung<br />

von Liquiditätsengpässen an. So hat Finnland einen solchen Anspruch 2003 gesetzlich<br />

formuliert; Erfahrungen mit der Vergabe und den Vergabekonditionen liegen noch nicht vor.<br />

183

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!