Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

INTERNATIONALER VERGLEICH E | I | 1 | 2
Im Gegensatz zur U.S.-amerikanischen „straight liquidation“-Philosophie folgen die
Skandinavischen und Kontinentaleuropäischen Verbraucherinsolvenz- bzw. -sanierungsmodelle einer
„earned start“-Philosophie 227 . Der Schuldner muss sich seinen wirtschaftlichen Neuanfang
„verdienen“, indem er einen mehrjährigen Zahlungsplan zu erfüllen und sich im übrigen „wohl zu
verhalten“ hat. Im Vergleich der Skandinavischen mit den Kontinentaleuropäischen Verfahrensordnungen
beziehen erstere stärker den sozialen Kontext der Verschuldung ein, während letztere
– mit Ausnahme Frankreichs – Verschuldung primär als individuelles Fehlverhalten begreifen.
Die Kontinentaleuropäischen Verfahrensordnungen begrenzen zwar im Gegensatz zu den
Skandinavischen Modellen nicht den Zugang zum Entschuldungsverfahren, 228 dafür sind aber die
Verhaltenspflichten im eröffneten Verfahren strenger und die Anpassungsmöglichkeiten des
Zahlungsplans an veränderte Umstände geringer.
2. Die grundlegenden Verfahrensstrukturen
Im Gegensatz zur U.S.-amerikanischen Verfahrensstruktur, das sowohl die „straight liquidation“
(Chapter 7 U.S. Bankruptcy Code 229 ) als auch die Schuldenreorganisation 230 (Chapter 13 U.S.
Bankruptcy Code) innerhalb eines Gerichtsverfahrens umsetzt, soll vom gerichtlichen Verfahren in
den Skandinavischen und Kontinentaleuropäischen Modellen nur ausnahmsweise Gebrauch
gemacht werden. 231 Es soll ultima ratio bleiben – der „Stock hinter der Tür“. Vorgeschaltet ist daher
ein außergerichtliches Schuldenregulierungsverfahren, das eine gütliche und interessenwahrende,
gleichwohl flexible, kostengünstige und wenig stigmatisierende Lösung in Aussicht stellen soll. Es ist
der ausdrückliche Wunsch der Europäischen Gesetzgeber, den außergerichtlichen Sanierungsversuch
zu stärken.
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