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Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

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PROJEKTBEIRAT | DISKUSSIONSBEITRÄGE<br />

Ganz auf der Linie der effizienzgesteuerten Logik der Kreditvergabe liegt die aus den Vereinigten<br />

Staaten kolportierte 80/20 Politik, nach der es sich betriebswirtschaftlich lohnen muss, wenn 80%<br />

der Kreditnehmer ihre Kredite bedienen, während die verbleibenden 20% ggf. abgeschrieben werden.<br />

<strong>Die</strong> Folge einer solchen Geschäftspolitik zeigt sich in der spezifisch amerikanischen Deutungssicht<br />

des Verbraucherkonkurses. Der überschuldete Verbraucher ist mit seiner Kaufkraft nach einer gewissen<br />

Sperrfrist dem Wirtschaftskreislauf wieder zuzuführen. Ethische Verantwortungsmax<strong>im</strong>en<br />

treten hinter ökonomisches Kalkül zurück. So gesehen müsste das geltende deutsche Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

drastisch verkürzt und von überbordenden moralischen Anforderungen<br />

entschlackt werden. Am Ende stünde ein Rechtssystem, das die individuelle Verantwortung von<br />

Verbraucher und Kreditnehmer zurückn<strong>im</strong>mt, die staatliche Verantwortung für eine angemessene<br />

Umverteilung und den Ausgleich der Risiken indessen verstärkt.<br />

2. Option: Politisch aktuell ist die Forderung nach weniger Staat, also nach der Ausgestaltung des<br />

Verbraucherkredits- und des Verbraucherinsolvenzrechts nach der Max<strong>im</strong>e individuell selbstverantwortlichen<br />

Handelns. Auch dieser Ansatz findet seine Spuren in der aktuellen Diskussion um die<br />

Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie bzw. der Novellierung des Verbraucherkonkurses.<br />

Danach müsste die Rechtsordnung so beschaffen sein, dass sie die beiden Vertragsparteien in die<br />

Pflicht n<strong>im</strong>mt, um die Risiken der <strong>Überschuldung</strong> so weit als irgend möglich zu reduzieren, anstatt<br />

sie <strong>im</strong> Nachhinein „angemessen” zu verwalten. Eine solche Vermeidungsstrategie hätte zuvörderst<br />

bei einer qualifizierten Beratung anzusetzen, in der standardisierte Bewertungskriterien nur den<br />

Auftakt für eine individuelle Kreditwürdigkeitsprüfung liefern. In Rechtsform gegossen geht es um<br />

„verantwortliche Kreditvergabe“ um „responsible lending“. Derlei Kostenvermeidungsstrategien<br />

sind für die Kreditgeber deshalb teuer, weil mit hohem Beratungs- und Qualifizierungsaufwand verbunden.<br />

Für den Kreditsuchenden bergen sie das erhöhte Risiko einer Ablehnung des Kreditgesuchs,<br />

wenn sich in der Beratung herausstellt, dass er sich den Kredit nicht leisten kann. Der Rechtsordnung<br />

würde die Aufgabe zuwachsen, eine qualifizierte Beratung sicherstellen zu müssen. „know your<br />

product” und „know your customer” wären rechtlich durchzukonfigurieren. Ansätze hierzu finden<br />

sich <strong>im</strong> Versicherungsrecht, <strong>im</strong> Anlagerecht und eben auch <strong>im</strong> Kreditrecht. Der Verbraucher hätte die<br />

Konsequenzen zu tragen, wenn er das Angebot einer qualifizierten Beratung ausschlüge, bzw.<br />

Angaben über seine Kreditwürdigkeit verweigern würde. Staatliche Hilfestellung in der<br />

Verbraucherinsolvenz wäre an ein kooperatives Verhalten zum Zeitpunkt der Kreditvergabe gebunden.<br />

<strong>Die</strong> Problematik einer derartigen Rechtspolitik liegt <strong>im</strong> Leitbild des gläsernen Kreditnehmers,<br />

weil nur der angemessen beraten werden kann und weil nur der unter den Schutz des<br />

Verbraucherinsolvenzverfahrens flüchten könnte.<br />

Fazit: Legt man die Erfahrungen der letzten Jahre zugrunde, so wird die Politik nicht mit eindeutigen<br />

Bekenntnissen aufwarten, sondern den Ruf nach mehr Staat und die Forderung nach weniger Staat<br />

miteinander zu verknüpfen suchen. Rechtliche Lösungsansätze sollten dann aber auch dem Umstand<br />

Rechnung tragen, dass die sozialen und ökonomischen Folgen der <strong>Überschuldung</strong> nur von allen<br />

gemeinsam bewältigt werden können: die Kreditgeber sind zur verantwortlichen Kreditvergabe aufgerufen,<br />

der Verbraucher muss mit dem erhöhten Risiko der Kreditverweigerung <strong>im</strong> eigenen<br />

Interesse leben, der Staat kann die Kosten der <strong>Überschuldung</strong> nicht allein finanzieren, neben den<br />

Verbrauchern müssen sich auch die Kreditgeber beteiligen.<br />

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