Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

INTERNATIONALER VERGLEICH C | I
C. Überschuldung der Privathaushalte im internationalen Vergleich
Überschuldung bedeutet, dass das für die Schuldenrückführung ursprünglich eingeplante
Haushaltseinkommen ganz oder teilweise nicht mehr verfügbar ist. Zahlungsstörungen, die durch
den (teilweisen) Wegfall eines Einkommens oder durch erhöhte Ausgaben eintreten, müssen
bei – der typischen – Fälligstellung des Gesamtkredits in eine Überschuldung münden, weil der
Schuldner, der schon eine Rate nicht zahlen kann, auf jeden Fall nicht den Restkredit sofort tilgen
kann. Ist die Minderung des verfügbaren Einkommens temporär, kann die Überschuldung
durch Kreditanpassungsmaßnahmen – als ultima ratio auch durch die Entschuldung in einem
Verbraucherinsolvenzverfahren – überwunden werden. Überschuldung kann daher bei geringer
Verschuldung ebenso eintreten, wie hohe Verschuldung nicht per se zur Überschuldung führen muss.
I. Der Anteil überschuldeter Privathaushalte an der Gesamtpopulation
Überschuldung ist ein komplexer Sachverhalt und lässt sich nicht mit einer Kennzahl messen. Die
untersuchten Länder schätzen daher den Anteil überschuldeter Privathaushalte an der Gesamtbevölkerung
oder rechnen ihn hoch. Dabei werten sie z.B. Fallakten von Beratungsstellen, die Schuldner
auf ein Entschuldungsverfahren vorbereiten, aus oder ordnen – stichprobenartig – Privathaushalte
vordefinierten Merkmalen zu, die eine Überschuldungssituation wahrscheinlich werden lassen.
Land
Belgien
Finnland
Frankreich
Großbritannien
Niederlande
Portugal
Schweden
USA
Deutschland
Tabelle 8: Zahl überschuldeter Privathaushalte (Schätzungen, Hochrechnungen)
Bei aller Vorsicht, die bei Schätzungen und Hochrechnungen angebracht ist, ist zumindest zu erkennen,
dass der Anteil überschuldeter Privathaushalte in den Ländern am höchsten ist, die die
Probleme des modernen Schuldturms primär ökonomisch lösen wollen (USA, Großbritannien,
Deutschland). Finnland, Schweden und Frankreich, die die soziale Realität des Ver- und Überschuldungsprozesses
in ihre judiziellen Entschuldungsverfahren stärker einbinden, weisen niedrigere
Quoten aus, wenngleich auch für diese Länder kein Anzeichen für eine Entspannung erkennbar ist. 95
174
Anteil überschuldeter Privathaushalte (geschätzt)
1-4% 89
2002: 2% 90
Schätzung der Französischen Regierung (2003): 700.000 Haushalte (ca. 3%)
Schätzung der Bank von Frankreich (2003): 500.000 Haushalte (ca. 2%)
2001: 1,715 Mio. (7%)
Die Einstufung als überschuldet erfolgte, weil die Haushalte mindestens eines der folgenden drei
Merkmale erfüllten:
• 4 oder mehr Kreditverbindlichkeiten;
• Anteil der Kreditrate (nur Konsumentenkredit) am Bruttoeinkommen > 25%;
• Anteil der Kreditrate (Konsumenten- und Hypothekenkredit) am Bruttoeinkommen > 50%. 91
250.000 Haushalte (ca. 4%)
(bislang keine Hochrechnung)
2003: 140.000 (ca. 3%) 92
3/2004: 1,67%, wenn nur die für „bankrupt“ erklären Schuldner (1.618.062 U.S. Bürger) berücksichtigt
werden. Zieht man die offizielle Armutsrate heran, da Statusarmut und prozedurale
Armut (Ausschluss vom „ersten Kreditmarkt“) zumindest das Risiko einer Überschuldung signifikant
erhöhen, konnten 2002 12,1% der U.S.-Bürger (34,6 Mio.) als vermutlich überschuldet
gelten. Die Berufung auf die Armutsrate ist insofern sogar noch lückenhaft, als das ca. 10,5%
der US-Bürger keine Bankverbindung haben und damit nicht einmal mehr verschuldet sind.
1999: 2,77 Mio. 94 (ca. 7%)