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Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

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SCHULDEN-KOMPASS | 1. ZENTRALE BEGRIFFE<br />

1.2 Verschuldung und <strong>Überschuldung</strong><br />

<strong>Die</strong> wichtigste begriffliche Unterscheidung bei Untersuchungen zur <strong>private</strong>n <strong>Überschuldung</strong> ist die<br />

strikte Trennung von „Verschuldung“ und „<strong>Überschuldung</strong>“. Der in diesem Zusammenhang häufig<br />

genutzte populäre Begriff der Zahlungsmoral ist nicht Gegenstand des Schulden-Kompasses.<br />

Verschuldung ist <strong>im</strong>mer die Voraussetzung für eine <strong>Überschuldung</strong>ssituation, aber mit ihr keinesfalls<br />

von vornherein gleichzusetzen. Abschließende Definitionen zur <strong>private</strong>n <strong>Überschuldung</strong> sind aufgrund<br />

des komplexen und von kontinuierlichen gesellschaftlichen Änderungsprozessen beeinflussten<br />

Untersuchungsgegenstandes nicht möglich. Gleichwohl versucht der Schulden-Kompass<br />

sich über interdisziplinäre Ansätze dem Themenkomplex zu nähern. Das Phänomen <strong>Überschuldung</strong><br />

ließe sich wohl am verlässlichsten mit einem Modell erfassen, das sich aus einem Bündel von relevanten<br />

juristischen, demografischen, konjunkturellen, soziologischen und psychologischen<br />

Indikatoren zusammensetzt. Werden jedoch aus einzelnen Einflussfaktoren ohne Berücksichtigung<br />

ihrer gegenseitigen Wechselwirkung Schlüsse auf die <strong>Überschuldung</strong> gezogen, kann dies schnell zu<br />

Fehlinterpretationen führen.<br />

Formalisierte Kategorien auf Basis amtlicher Statistiken und auch der SCHUFA-Daten sind zwar<br />

trennscharf und lassen sich vollständig erheben. Aber auch diese Daten können nur einen Teil der<br />

<strong>Überschuldung</strong>sindikatoren abdecken. Wolfhard Kothe 12 gibt zu bedenken, dass jede formale<br />

Kategorie als Legaldefinition <strong>im</strong>plizite Grenzen hat und daher auch als Indikator für die <strong>Überschuldung</strong>sforschung<br />

nur eingeschränkt aussagefähig sein kann. Beispielsweise erfolgt nicht jede<br />

Zahlungsverweigerung aus <strong>Überschuldung</strong>sgründen und nicht jede Kreditkündigung bedeutet einen<br />

manifesten Gläubiger-/Schuldnerkonflikt, zumal auch die Kredithöhe eine wichtige Einflussgröße ist.<br />

<strong>Die</strong>ter Korczak führt in einem von der SCHUFA veranstalteten Experten-Hearing 13 weiter aus, dass<br />

nur 30% der Klienten von Schuldnerberatungsstellen eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben<br />

haben und ca. 50% bis 70% Kredite gekündigt haben. Würde man sich demnach nur auf die<br />

juristisch formalisierten Konflikte – wie die Kreditkündigung, die Abgabe einer Eidesstattlichen<br />

Versicherung, die Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens oder der Mahnbescheid – beschränken,<br />

blieben jene prekären Finanzlagen unberücksichtigt, die nicht in einen juristisch formalisierten<br />

Konflikt münden. Auch müsse bei Indikatoren auf Basis Personen bezogener Daten bedacht werden,<br />

dass <strong>Überschuldung</strong> nach Ansicht von Gunter E. Z<strong>im</strong>mermann 14 in der Regel ein Problem des<br />

Haushalts ist.<br />

12 Prof. Dr. Wolfhard Kothe, Jurist an der Martin Luther Universität in Halle Wittenberg, Kommentator des Verbraucherinsolvenzrechts,<br />

Mitglied des Beratergremiums der Bundesregierung zum zweiten Armuts- und Reichtumsbericht.<br />

13 Von der SCHUFA HOLDING AG veranstaltetes Experten-Hearing zum Thema Schulden-Kompass und <strong>private</strong> <strong>Überschuldung</strong>,<br />

Juni 2004. Teilnehmer: Prof. Dr. Hugo Grote, Dr. Günter Hörmann, Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Dr. <strong>Die</strong>ter Korczak,<br />

Prof. Dr. Udo Reifner, Dr. Dr. Gunter E. Z<strong>im</strong>mermann.<br />

14 Vgl. Teilanalyse C: Wege in die <strong>Überschuldung</strong> und Ursachen, Schulden-Kompass 2004, S. 115 ff.<br />

15

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