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Die private Überschuldung im internationalen Vergleich

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INTERNATIONALER VERGLEICH E | I | 1<br />

E. Lösungsansätze zur Bewältigung des modernen Schuldturms<br />

I. Verbraucherinsolvenz- bzw. -sanierungsverfahren: Ein Systemvergleich<br />

<strong>Die</strong> Probleme überschuldeter Privathaushalte verlangen nach einer Form der Schuldenregulierung,<br />

die eine Rückführung in eigenverantwortliche Wirtschaftsbeziehungen erlaubt. <strong>Die</strong> wirtschaftliche<br />

Reintegration vollzieht sich in einem längeren Prozess. Das Verbraucherinsolvenz- bzw. -sanierungsverfahren<br />

ist Teil dieses Prozesses. Seine Funktion beschränkt sich bislang weitgehend in einer ökonomischen<br />

Lösung der <strong>Überschuldung</strong> und setzt mit der Restschuldbefreiung konsequent den formalen<br />

Endpunkt. <strong>Die</strong> Restschuldbefreiung bleibt aber ohne nachhaltigen Effekt, wenn dem Haushalt<br />

anschließend ein diskr<strong>im</strong>inierungsfreier Zugang zu Finanzdienstleistungen verwehrt bleibt, die heute<br />

der wirtschaftlichen Daseinsvorsorge zuzurechnen sind.<br />

Während der Restschuldenerlass traditioneller Bestandteil des Angloamerikanischen Privatkonkursrechts<br />

ist 204 , haben sich Kontinentaleuropa und Skandinavien 205 erst unter dem Eindruck eines<br />

massiven Anstiegs der Privatüberschuldung als Folge der globalen Rezession Ende der 80er Jahre 206<br />

vom Grundsatz der „lebenslangen Haftung“ abgewendet. So verkündeten nacheinander Frankreich<br />

(1989), Norwegen (1992), Finnland (1993), Österreich (1994), Schweden (1994), die Niederlande<br />

(1997) und Belgien (1998) Gesetze, die überschuldeten Privatpersonen die Möglichkeit zur<br />

Schuldensanierung einräumen. 207<br />

1. Typologisierung der judiziellen Entschuldungsverfahren<br />

<strong>Die</strong> in den USA, Großbritannien, Skandinavien und Kontinentaleuropa praktizierten Verfahren lassen<br />

sich nach ihrer ideologischen Ausrichtung <strong>im</strong> wesentlichen wie folgt klassifizieren:<br />

• das Verfahrensmodell des „(quick) fresh start”,<br />

• das Wohlfahrtsmodell,<br />

• das Modell der staatlichen Schuldenverwaltung,<br />

• das Modell der Schuldnererziehung.<br />

Das U.S.-amerikanische „(quick) fresh start“-Modell sieht einen weitgehend unbürokratischen,<br />

unkonditionierten, kostengünstigen und schnellen Restschuldenerlass vor. So gewährt das „straight<br />

liquidation“-Verfahren unter Chapter 7 U.S. Bankruptcy Code die Restschuldbefreiung am Ende<br />

eines nur mehrwöchigen Konkursverfahrens, in dem lediglich gesetzlich best<strong>im</strong>mte Vermögensgegenstände<br />

des Schuldners zu verwerten sind; sein Einkommen bleibt hingegen unangetastet. Das<br />

„fresh start“-Modell ist vor dem Hintergrund einer „open credit economy“ zu begreifen. In ihr gilt<br />

der Kredit als Instrument, das dem Wohlstand des Verbrauchers dient. <strong>Die</strong> Risikobereitschaft zur <strong>private</strong>n<br />

Kreditaufnahme soll gefördert und nicht durch ein restriktives Konkursmodell behindert<br />

werden. <strong>Die</strong> <strong>private</strong> <strong>Überschuldung</strong> ist lediglich Ausdruck eines Marktscheiterns; der Privatkonkurs<br />

ist das Mittel, um die Funktionsfähigkeit des Marktes wieder herzustellen. Der Zugang zum Konkursverfahren<br />

ist daher offen. <strong>Die</strong> Verfahrensbeteiligten werden auch in der Konkurssituation als<br />

Marktakteure verstanden. Das Angelsächsische Modell (England und Wales) nähert sich der „fresh<br />

start“-Idee an. Hier ist in Verfahren, die ab dem 1. April 2004 eröffnet werden, die Restschuldbefreiung<br />

spätestens 12 Monate nach Konkurseröffnung zu gewähren. 208 Das pfändbare Vermögen<br />

des Schuldners wird verwertet. Ergänzend kann das Gericht Schuldnern mit verfügbarem<br />

Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze aufgeben, bis zur Dauer von max<strong>im</strong>al 3 Jahren<br />

monatlich Zahlungen an den Konkursverwalter zu leisten. 209<br />

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