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198 A Strukturen auf Mannigfaltigkeiten<br />
Vektorfeld, Faserbündel, Schnitt<br />
Aber was ist eine Zuordnung? Man vermeidet bei Funktionen f : M → N diesen<br />
unklaren Begriff, indem man f als eine Teilmenge des kartesischen Produktes definiert,<br />
die für jedes p ∈ M genau ein Paar (p, f(p)) enthält, 2<br />
f = {(p, f(p)) : p ∈ M , f(p) ∈ N } ⊂ M × N . (A.19)<br />
Die mathematisch haltbare Definition eines Vektorfeldes u muß den Begriff einer Funktion<br />
verallgemeinern, denn für verschiedene Punkte p sind die Vektoren u|p in verschiedenen<br />
Vektorräumen Tp: es lassen sich Tangentialvektoren an verschiedenen Punkten<br />
nicht addieren.<br />
Wir definieren daher ein Vektorfeld u als einen Schnitt im Tangentialbündel über M.<br />
Das Tangentialbündel TM ist die Menge aller Paare von Punkten p und Vektoren v am<br />
Punkt p,<br />
TM = {(p, v) : p ∈ M , v ∈ Tp} . (A.20)<br />
Ein Schnitt u durch das Tangentialbündel ist eine Teilmenge, die für jeden Punkt p ∈ M<br />
genau ein Paar (p, u|p) ∈ TM enthält,<br />
u = {(p, u|p) : p ∈ M , u|p ∈ Tp} ⊂ TM . (A.21)<br />
Bei den mathematischen Begriffen Bündel, Faser und Schnitten soll die Ähnlichkeit<br />
zu den gleichlautenden Begriffen bei Getreidefeldern das intuitive Begreifen erleichtern.<br />
Allgemeiner ist ein Faserbündel (oder kurz Bündel) B über M eine Mannigfaltigkeit,<br />
in der es eine Projektion auf die Basismannigfaltigkeit gibt,<br />
π : B → M , (A.22)<br />
hier: π(p, v) = p. Die Faser über p ist die Menge der Urbilder, π −1 (p) ⊂ B . Fasern<br />
verschiedener Punkte sind einander isomorph: jeder Punkt p liegt in einer Umgebung<br />
Uα, so daß in ihr die Urbilder π −1 Uα wie ein kartesisches Produkt Uα × N aussehen,<br />
mathematisch: bijektiv stetig auf das kartesische Produkt abbildbar sind. Da die Basismannigfaltigkeit<br />
durch Wegprojizieren der Fasern entsteht, die bijektiv zu N sind,<br />
schreibt man M = B/N .<br />
Zwar sieht jedes Bündel in einer Umgebung jedes Punktes wie ein kartesisches Produkt<br />
aus, aber es gibt nichttriviale Bündel, die kein Produkt sind. Beispielsweise ist das<br />
Möbiusband ein Faserbündel über dem Kreis, S 1 , wobei als Faser das reelle Intervall<br />
[−1, 1] dienen kann.<br />
Ein Schnitt S in einem Bündel B ist eine Teilmenge, die für jeden Punkt p der Basismannigfaltigkeit<br />
M genau einen Punkt der Faser π −1 (p) enthält.<br />
Beim Möbiusband, beispielsweise, gibt es, anders als in einem Produktbündel, keinen<br />
Schnitt, der nicht mindestens eine Nullstelle hat. Ebenso läßt das Tangentialbündel der<br />
Kugeloberfläche, T S 2, keinen Schnitt zu, der nicht in wenigstens einem Punkt verschwindet:<br />
einen Igel kann man nicht (wirbelfrei) kämmen.<br />
2 Diese Menge heißt auch Graph der Funktion f.<br />
Kommutator<br />
Wendet man ein Vektorfeld v auf Funktionen f an, so erhält man eine Funktion v(f). Sie<br />
kann mit einem Vektorfeld u erneut differenziert werden. Die zweifache Differentation<br />
uv ist linear, erfüllt aber nicht die Produktregel (A.12). Hingegen ist der Kommutator<br />
199<br />
[u, v] = uv − vu =u m (∂mv n ) − v m (∂mu n )∂n . (A.23)<br />
zweier Vektorfelder wieder ein Vektorfeld,<br />
[u, v](f g) = (uvf) g +(vf) (ug)+(uf) (vg)+f (uvg) −u ↔ v = ([u, v]f) g +f ([u, v]g) .<br />
(A.24)<br />
Kotangentialraum<br />
Dual zu Vektoren u ∈ Tp am Punkt p sind ihre linearen Abbildungen χ : u ↦→ χ(u) ∈ R<br />
in die reellen Zahlen. Die linearen Abbildungen können addiert und mit reellen Zahlen<br />
multipliziert werden und bilden an jedem Punkt p einen Vektorraum, den Dualraum T ∗<br />
p<br />
des Tangentialraumes Tp, den Kotangentialraum. Die Menge aller Paare von Punkten p<br />
und Dualvektoren χ am Punkt p ist das Kotangentialbündel<br />
T ∗ M<br />
∗<br />
= {(p, χ) : p ∈ M , χ ∈ Tp } . (A.25)<br />
Ein duales Vektorfeld ω ist ein Schnitt des Kotangentialbündels, das heißt, eine Teilmenge,<br />
die für jedes p ∈ M genau ein Paar (p, ω|p) ∈ T ∗ M enthält,<br />
ω = {(p, ω|p) : p ∈ M , ω|p ∈ T ∗<br />
p } ⊂ T ∗ M . (A.26)<br />
Jede Funktion f definiert durch Anwenden von u|x auf f eine lineare Abbildung df|x<br />
von Tagentialvektoren u|x = u n ∂n am Punkt x in die reellen Zahlen<br />
df|x : u|x ↦→ u|x(f) = u m ∂mf|x . (A.27)<br />
Dabei sind zwei Funktionen äquivalent und definieren denselben Kovektor bei x, wenn<br />
dort ihre ersten Ableitungen übereinstimmen. Die Äquivalenzklasse von Funktionen, die<br />
bei x dieselben Ableitungen wie f haben, und die zugehörige Abbildung von Tangentialvektoren<br />
u ∈ Tx in die reellen Zahlen bezeichnen wir als df|x oder, kürzer, als das<br />
Differential df oder die Änderung df.<br />
Die Äquivalenzklassen dx n der Koordinatenfunktionen x n , die Koordinatendifferen-<br />
tiale, bilden an jedem Punkt x die zur Basis ∂m des Tangentialraumes duale Basis des<br />
Kotangentialraumes T ∗<br />
x . Sie bilden also die Tangentialvektoren ∂m auf Eins oder Null<br />
ab, je nachdem ob der Wert von m mit dem Wert von n übereinstimmt, 3<br />
dx n (∂m) = ∂mx n = δm n , (A.28)<br />
3 Das hierbei auftretende, doppelt indizierte Symbol δm n (lies delta m n) heißt Kronecker-Delta.