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52 3 Transformationen<br />
Masse<br />
Die Masse m verknüpft die Komponenten des Viererimpulses eines freien Teilchens.<br />
Unabhängig von der Geschwindigkeit gilt wegen (3.45)<br />
p 2 = (p 0 ) 2 − p 2 = m 2 c 2 , E = c p 0 =m 2 c 4 + p 2 c 2 . (3.52)<br />
Dies ist die Gleichung für eine Schale eines Hyperboloids: die Viererimpulse eines freien<br />
Teilchens liegen auf der Massenschale.<br />
Die Beziehung (3.52) von Energie und Impuls gilt auch für lichtschnelle Teilchen, zum<br />
Beispiel für Photonen. Sie sind masselos. Ihr Viererimpuls p ist lichtartig<br />
p 2 = (p 0 ) 2 − p 2 = 0 , p 0 = |p| > 0 . (3.53)<br />
Photonen mit Viererimpuls p gehören als Quanten zu ebenen elektromagnetischen Wellen<br />
e −ikx mit Viererwellenvektor k = (| k|, k). Dabei ist der Impuls p = k ein Vielfaches<br />
des Wellenvektors, die Konstante = 1,055ó10 −34 Js [1] ist das von Planck eingeführte<br />
Wirkungsquantum. Die Energie E = ω = c | k| der Photonen ist ein Vielfaches der<br />
Frequenz ν = ω/(2π) der elektromagnetischen Welle. Diese Beziehung liegt Plancks Herleitung<br />
der thermischen Strahlungsdichte und Einsteins Deutung des photoelektrischen<br />
Effektes zugrunde.<br />
Gemäß (3.47) haben ruhende Teilchen die Energie<br />
ERuhe = m c 2 . (3.54)<br />
Dies ist wohl die berühmteste Gleichung der Physik. Auf ihr beruht die Erkenntnis,<br />
daß bei Umwandlung von Atomkernen durch Spaltung oder Verschmelzung Energien<br />
freigesetzt werden können, denn die Gesamtmasse der Kerne ist meßbar verschieden<br />
von der Summe der Einzelmassen. Der Massenunterschied beruht auf Bindungsenergie,<br />
die militärisch oder friedlich, zerstörerisch oder nutzbringend verwendet werden kann.<br />
Gleichung (3.47) enthält auch die Aussage, daß es unendlich viel Energie kosten würde,<br />
ein massives Teilchen auf Lichtgeschwindigkeit zu bringen. Massive Teilchen sind immer<br />
langsamer als Licht.<br />
Die Masse m ist geschwindigkeitsunabhängig. Die mit dem geschwindigkeitsabhängigen<br />
Faktor γ = 1/1 − v 2 /c 2 multiplizierte Größe γ m Masse zu nennen, würde diesen<br />
Begriff vergeuden, denn für E = γ m c 2 haben wir schon den Namen Energie. Als Masse<br />
bezeichnen wir die Größe, die in veralteten Darstellungen umständlich Ruhemasse heißt.<br />
Zudem verleitet die Bezeichnung Masse für γ m dazu, sie in Formeln der Newtonschen<br />
Physik, die sich im Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten aus relativistischer Physik<br />
ergeben, einzusetzen und zu glauben, so Gleichungen zu erhalten, die für alle Geschwindigkeiten<br />
gelten. Auch wenn dies im Einzelfall beim Impuls p = γ mv zutrifft, so ergibt<br />
sich fast immer Unsinn: die kinetische Energie ist nicht γ mv 2 /2.<br />
Ein Teilchen wird nicht mit zunehmender Geschwindigkeit schwerer: Gewicht hängt<br />
von der Beschleunigung im Vergleich zum freien Fall ab. Ein schnell bewegtes Teilchen<br />
bewirkt nicht die Gravitation einer um einen Faktor γ vergrößerten Masse. Es wird<br />
3.4 Energie und Impuls 53<br />
nicht durch seine Geschwindigkeit zu einem Schwarzen Loch. Wenn es nur des Faktors γ<br />
bedürfte, hätte Einstein zehn Minuten statt zehn Jahre gebraucht, in die relativistische<br />
Formulierung von Mechanik und Elektrodynamik die Gravitation einzubeziehen.<br />
Kraft ist nicht Masse mal Beschleunigung. Die Bewegungsgleichung relativistischer,<br />
geladener Teilchen (5.2) besagt, wie wir in Abschnitt 5.3 zeigen, daß der Gesamtimpuls<br />
der wechselwirkenden Teilchen und Felder erhalten bleibt,<br />
F = dp<br />
. (3.55)<br />
dt<br />
Die Kraft F ist der Impuls dp , der pro Zeit dt auf das Teilchen übergeht.<br />
Die Beschleunigung zeigt normalerweise nicht in Richtung der Kraft,<br />
dv<br />
dt<br />
∂v<br />
=<br />
∂pi i<br />
dp i<br />
dt<br />
3.50<br />
=<br />
F<br />
√<br />
m2 + p 2 − (pó F) p<br />
√<br />
m2 + p 2<br />
3 =<br />
1<br />
√ m 2 + p 2 ( F − (vó F)v ) , (3.56)<br />
wobei wir einfachheitshalber im Maßsystem c = 1 rechnen.<br />
Trägheit schneller Teilchen ist richtungsabhängig. Wirkt die Kraft quer zu v, ist die Beschleunigung<br />
dv⊥/dt = √ 1 − v 2 F⊥/m; in Richtung der Geschwindigkeit ist das Teilchen<br />
um den Faktor 1/(1 − v 2 ) träger. Auch masselose Teilchen sind träge, dv⊥/dt = F⊥/|p|,<br />
in Bewegungsrichtung sogar unendlich träge, dv/dt = 0.<br />
Bei der Bewegung mechanischer Anordnungen sind, lange bevor relativistische Auswirkungen<br />
meßbar werden, Korrekturen wichtig, die die endliche Schallgeschwindigkeit<br />
in den Körpern, die ja nicht ideal starr sind, berücksichtigen. Bei hohen Relativgeschwindigkeiten<br />
werden die Kräfte auf ein Teilchen durch Stöße mit anderen Teilchen bewirkt,<br />
die durch Energie- und Impulserhaltung eingeschränkt sind, und durch Wechselwirkung<br />
mit Feldern, wie dem elektromagnetischen Feld oder dem gravitativen Feld, der Metrik.<br />
Zerfall in zwei Teilchen<br />
Zerfällt ein ruhendes Teilchen der Masse M in zwei Teilchen mit Massen m1 und m2,<br />
so sind die Energien der Zerfallsprodukte durch die beteiligten Massen festgelegt. Wegen<br />
Impulserhaltung ist der Impuls p des ersten Zerfallsproduktes dem Impuls des<br />
zweiten Teilchens entgegengesetzt gleich. Ihre Energien sind E1 = √ m1 2 + p 2 und<br />
E2 = √ m2 2 + p 2 , denn Energie und Impuls liegen auf der Massenschale (3.52). Die<br />
Energieerhaltung besagt, daß die Summe dieser Energien mit der Energie M des ruhenden,<br />
zerfallenden Teilchens übereinstimmt<br />
M =m1 2 + p 2 +m2 2 + p 2 > m1 + m2 . (3.57)<br />
Insbesondere ist die Masse M des zerfallenden Teilchens größer als die Summe der Massen<br />
der Zerfallsprodukte. Dies ist, wie beim Zwillingsparadoxon, der geometrische Sachverhalt,<br />
daß die Summe zweier zeitartiger Vierervektoren p1 + p2 länger als die Summe der<br />
Längen der einzelnen Summanden ist.