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28 2 Zeit und Länge<br />
B0 S Bv<br />
τ<br />
τ<br />
B0 Bv<br />
t<br />
τ<br />
q<br />
O<br />
lv<br />
τ<br />
B0<br />
Abbildung 2.11: Verkürzung bewegter Maßstäbe<br />
beider Maßstäbe stimmen zu diesem Zeitpunkt überein. Der bewegte Maßstab ist kürzer,<br />
denn die Weltlinie seines linken Endes schneidet die Strecke von t zu τ ′ im Punkt q.<br />
Da die Dreiecke t O τ ′ und t τ q ähnlich sind, verhält sich die Länge lv der Strecke τ ′ q<br />
zur Länge l der Strecke τ ′ t wie die Länge der Strecke O τ zur Länge der Strecke O t. Es<br />
ist aber τ = √ 1 − v 2 t die Länge der Strecke O τ und t die Länge der Strecke O t. Also<br />
hat ein mit Geschwindigkeit v bewegter Maßstab die Länge<br />
τ<br />
t<br />
Bv<br />
lv = √ 1 − v 2 l , (2.23)<br />
wenn ihn ein Beobachter mit seinem gleichen, ruhenden Maßstab der Länge l vergleicht.<br />
L<br />
Abbildung 2.12: Beschleunigte<br />
Raketen<br />
l<br />
Wie das rechte Raumzeitdiagramm 2.11 zeigt, ist die Verkürzung<br />
bewegter Maßstäbe wechselseitig. Für den Beobachter Bv<br />
sind die Ereignisse τ und t ′ gleichzeitig und der Maßstab von B0<br />
kürzer.<br />
Werden zwei Raumschiffe, die wir als Punkte idealisieren, und<br />
die zunächst in einem Abstand L ruhen, einige Zeit auf gleiche Art<br />
beschleunigt, so daß ihre Weltlinien wie im Diagramm 2.12 durch<br />
eine Verschiebung um L auseinander hervorgehen, so haben sie<br />
für einen ruhenden Beobachter jederzeit diesen Abstand L. Nach<br />
Ende der Beschleunigung durchlaufen sie mit einer Geschwindigkeit<br />
v gerade Weltlinien. Messen die Raumschiffe dann ihren<br />
Abstand mit einem mitbewegten Maßstab, so erhalten sie einen<br />
Wert l. Für den ruhenden Beobachter ist dieser Maßstab bewegt<br />
und hat die kontrahierte Länge √ 1 − v 2 l. Dabei ist √ 1 − v 2 l = L, da der Maßstab von<br />
einem Raumschiff zum anderen reicht. Es ist also l = L/ √ 1 − v 2 und größer als L.<br />
Ein zwischen die Raumschiffe gespanntes Seil, wie es in [13, Kapitel 9] bedacht wird,<br />
das ursprünglich zum Zerreißen gespannt ist, reißt daher augenblicklich, wenn beide<br />
Raumschiffe und das Seil gleich beschleunigt werden.<br />
Dies sehen auch die Besatzungen beider Raumschiffe. Für sie erreicht die vordere<br />
Rakete schneller die Endgeschwindigkeit und entfernt sich dabei von der hinteren.<br />
2.4 Verkürzung bewegter Maßstäbe 29<br />
Um die Bestandteile eines Seils, die bis zur Zeit t = 0 ruhen, auf die Geschwindigkeit<br />
v zu beschleunigen, so daß von ihnen gesehen die Abstände gleich bleiben, muß man die<br />
in Richtung der Beschleunigung hinteren Teile stärker und kürzer beschleunigen als die<br />
vorderen, so daß alle Punkte bei r, 0 ≤ r ≤ L, in der Zeit 0 ≤ t ≤ v (r + R)/1 − v 2 /c 2<br />
die konzentrischen, hyperbelförmige Weltlinien x(t) =(r + R) 2 + c 2 t 2 −R durchlaufen<br />
und sich danach gleichförmig weiterbewegen. Dabei ist c 2 /R die Beschleunigung des<br />
hintersten Punktes.<br />
Längenparadoxon<br />
So wie Zeitdehnung zum Zwillingsparadoxon führt, so ergibt Längenverkürzung einen<br />
scheinbaren Widerspruch, wenn man durchdenkt, ob ein Auto in eine gleich große Garage<br />
paßt, in die es schnell hinein fährt. Für den Garagenbesitzer ruht die Garage und das<br />
bewegte Auto ist kürzer und paßt in die Garage. Aber aus Sicht des Autofahrers ist die<br />
Garage kürzer und das Auto paßt nicht hinein.<br />
Das zeigen die Raumzeitdiagramme 2.11, in denen B0 und die dazu parallele Linie den<br />
Garagenbesitzer am Garagentor und die Garagenwand markieren und die Weltlinie Bv<br />
und die dazu parallele Linie den Autofahrer an der vordere Stoßstange und die hintere<br />
Stoßstange des Autos.<br />
Denken wir uns einen roten Lichtblitz, der von einer Lichtschranke im Ereignis τ ′<br />
ausgesendet wird, wenn die vordere Stoßstange die Garagenwand erreicht, und einen<br />
grünen Lichtblitz, der im Ereignis τ ausgesendet wird, wenn die hintere Stoßstange das<br />
Garagentor erreicht. Der Schiedsrichter sieht diese Lichtblitze gleichzeitig und da auch<br />
die Lichtlaufzeiten von τ und τ ′ zu ihm gleich sind, bestätigt er, daß Garage und Auto<br />
gleich lang sind.<br />
Der Garagenbesitzer B0 sieht den roten Lichtblitz von τ ′ später als den grünen. Berücksichtigt<br />
er die Lichtlaufzeit, so stellt er fest, daß die vordere Stoßstange die Garagenwand<br />
im Ereignis τ ′ zur Zeit t erreicht hat, also nach dem Ereignis τ, in dem die hintere Stoßstange<br />
das Garagentor durchfuhr. Für ihn hat zur Zeit t das Auto in die Garage gepaßt,<br />
es ist kürzer.<br />
Der Autofahrer Bv sieht den grünen Lichtblitz τ vom Heck des Autos später als den<br />
roten. Berücksichtigt er die Lichtlaufzeit, so stellt er fest, daß der grüne Lichtblitz τ zur<br />
Zeit t ′ ausgelöst wurde, also nach dem roten Lichtblitz bei τ. Für ihn hat erst die vordere<br />
Stoßstange die Garagenwand erreicht und danach die hintere das Tor, also ist für ihn die<br />
Garage kürzer.<br />
Daran ist nichts paradox. Gegeneinander bewegte Beobachter brauchen nicht darin<br />
übereinzustimmen, in welcher Reihenfolge zwei Ereignisse stattfinden, wenn es sich bei<br />
den Ereignissen nicht um Ursache und Wirkung handelt, wie in diesem Beispiel die<br />
Durchfahrt des Hecks durch das Garagentor und der Aufprall der Stoßstange auf die<br />
Garagenwand.