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122 6 Teilchen im Gravitationsfeld<br />
6.2 Geodätische Linien und Beschleunigung<br />
Die Metrik der Raumzeit bestimmt den Gang von Uhren, die auf Weltlinien Γ : s ↦→ x(s)<br />
Ereignisse A = x(s) und B = x(s) durchlaufen. Zwischen diesen Ereignissen vergeht auf<br />
einer idealen Uhr die Zeit<br />
τ(B, A ; Γ) = 1<br />
c<br />
s<br />
s<br />
ds<br />
<br />
dx k<br />
ds<br />
dx l<br />
ds gkl(x(s)) . (6.4)<br />
Freie Teilchen im Gravitationsfeld durchlaufen, wie wir in Abschnitt 7.3 ableiten, Weltlinien<br />
Γ, auf denen diese Zeit zwischen irgend zwei genügend benachbarten 2 Ereignissen<br />
A und B größer als auf allen anderen Linien wird, die ebenfalls A und B verbinden.<br />
Diese Weltlinien heißen die zeitartig geodätischen Linien oder, weniger technisch, die<br />
zeitartigen Geraden der gekrümmten Raumzeit mit Metrik gmn.<br />
Für die Weltlinien x(s) freier Teilchen im Gravitationsfeld gelten also die Euler-<br />
Lagrange-Gleichungen (4.33) mit der Lagrangefunktion (vergleiche mit (4.14))<br />
L (x, ˙x) = −m cgkl(x) ˙x k ˙x l , (6.5)<br />
wobei wir kurz ˙x k für dxk<br />
ds schreiben. Die Eulerableitung (4.28) dieser Lagrangefunktion<br />
ist<br />
ˆ∂gkl ˙x k ˙x l<br />
= ∂mgkl ˙x k ˙x l<br />
=<br />
ˆ∂x m<br />
Bezeichnen wir mit<br />
1<br />
2gtu ˙x t ˙x<br />
d<br />
−<br />
u ds<br />
gml ˙x l<br />
gtu ˙x t =<br />
˙x u<br />
2gtu ˙x t ˙x u∂mgkl ˙x k ˙x l − 2∂kgml ˙x k ˙x l−gml<br />
u n =<br />
˙x n<br />
gkl ˙x k ˙x l<br />
d<br />
ds<br />
˙x l<br />
gtu ˙x t .<br />
˙x u<br />
(6.6)<br />
(6.7)<br />
den normierten Tangentialvektor und verwenden wir die Christoffelsymbole (C.106) als<br />
Abkürzung für die auftretenden partiellen Ableitungen der Metrik<br />
Γkl n = 1<br />
2 gnm∂kgml + ∂lgmk − ∂mgkl, Γkl n = Γlk n , (6.8)<br />
wobei g nm mit oberen Indizes die Komponenten der inversen Metrik (A.106) sind, so hat<br />
die Eulerableitung die Form<br />
ˆ∂gkl ˙x k ˙x l<br />
ˆ∂x m<br />
= −gmnd<br />
ds un + dxk<br />
ds Γkl n u l. (6.9)<br />
2 Für beliebige Ereignisse A und B auf der Weltlinie freier Teilchen ist nur gesichert, daß die Weltlinie<br />
stationäre Länge hat. Dies ist ähnlich wie bei einem Großkreis auf einer Kugeloberfläche. Sind zwei<br />
Punkte auf dem Großkreis weiter als einen halben Kugelumfang entfernt, so ist die Weglänge auf dem<br />
Großkreis kein lokales Minimum.<br />
6.3 Effektives Gravitationspotential 123<br />
Die Euler-Lagrange-Gleichungen legen die Parametrisierung der Weltlinie nicht fest.<br />
Denn die Eigenzeit ist ein Funktional der Bahn, das nicht von der Parametrisierung ab-<br />
hängt (4.4). Ist s(s ′ ) eine monotone, differenzierbare Funktion, so ist x ′ m (s ′ ) = xm (s(s ′ ))<br />
wegen der Kettenregel d<br />
ds ′ = ds<br />
ds ′<br />
d<br />
ds genau dann eine Lösung, wenn xm (s) die Gleichungen<br />
erfüllt.<br />
Daher können wir als Parameter s die Zeit wählen, die die mitgeführte Uhr bei x(s)<br />
anzeigt. Dann hat der Tangentialvektor konstantes Längenquadrat c 2 (4.6)<br />
und die Eulerableitung vereinfacht sich.<br />
c ˆ ∂gkl ˙x k ˙x l<br />
ˆ∂x m<br />
<br />
<br />
gtu ˙x t ˙x u = c 2 , (6.10)<br />
gtu ˙x t ˙x u =c 2<br />
= −gmn¨x n + Γkl n ˙x k ˙x l<br />
Ist der Bahnparameter s die Eigenzeit, so ist der Vektor<br />
b n = ¨x n + Γkl n ˙x k ˙x l<br />
(6.11)<br />
(6.12)<br />
die Beschleunigung längs einer Weltlinie x m (s). Frei fallende Teilchen sind per Definition<br />
unbeschleunigt. Ihre Weltlinien machen die zu (6.5) gehörige Wirkung extremal und<br />
erfüllen in der Parametrisierung (6.10) die Geodätengleichung (C.114)<br />
¨x n + Γkl n ˙x k ˙x l = 0 . (6.13)<br />
Dabei braucht gmn ˙x m ˙x n = c 2 nur anfänglich gefordert werden. Längs einer geodätischen<br />
Linie ändert sich das Längenquadrat des Tangentialvektors nicht<br />
d<br />
dsgmn ˙x m ˙x n=2¨x n ˙x m gmn + ˙x m ˙x n ˙x k ∂kgmn = 2b n ˙x m gmn = 0 . (6.14)<br />
Ist eine Weltlinie durch ihre Eigenzeit parametrisiert, so hat ihr Tangentialvektor konstantes<br />
Längenquadrat und ist senkrecht zur Beschleunigung b n . Sie hat daher für einen<br />
Beobachter, der die Weltlinie durchläuft, nur räumliche Komponenten.<br />
6.3 Effektives Gravitationspotential<br />
Gravitation beeinflußt freie Teilchen dadurch, daß die Metrik gmn nicht mehr die flache<br />
Metrik ηmn (4.107) ist, sondern eine Lösung der Einsteingleichungen. Die Einsteingleichungen<br />
beschreiben den Einfluß von Energie- und Impulsstromdichten auf die Metrik.<br />
Wir diskutieren sie später in Abschnitt 8.1 und verwenden hier das Ergebnis (8.37) von<br />
Abschnitt 8.4, nämlich die Schwarzschildlösung der Einsteingleichungen. Diese Lösung<br />
beschreibt die Gravitation außerhalb einer kugelsymmetrischen Massenverteilung.<br />
In der Schwarzschildmetrik hat das Längenquadrat (bei verschwindender kosmologischer<br />
Konstante) außerhalb der Zentralmasse in Kugelkoordinaten (x 0 , x 1 , x 2 , x 3 ) =<br />
(c t, r, θ, ϕ) die Form<br />
gkl(x) ˙x k ˙x l = c 2 (1 − r0<br />
r ) ˙t 2 −<br />
˙r 2<br />
(1 − r0<br />
r ) − r2 ˙ θ 2 − r 2 sin 2 θ ˙ϕ 2 . (6.15)