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4 1 Die Raumzeit<br />

Gerade Weltlinien in der gekrümmten Raumzeit<br />

Für jeden Beobachter steht ohne Bezug auf andere Körper auch im Vakuum fest, ob er<br />

frei fällt oder beschleunigt ist. Das kann er zum Beispiel an einer Sanduhr oder an mitgeführten<br />

Pendeln ablesen. Pendeln sie hin und her, so wirkt eine Beschleunigung senkrecht<br />

zur Drehachse, ansonsten kreisen Pendel mit konstanter Winkelgeschwindigkeit.<br />

Ein Beobachter durchläuft im Laufe der Zeit eine Menge von Ereignissen. Diese Linie<br />

in der Raumzeit ist seine Weltlinie. Für jedes frei fallende Teilchen liegt diese Weltlinie<br />

fest, wenn man ein Ereignis angibt, das es durchläuft, und die Geschwindigkeit, mit der<br />

es durchlaufen wird. Dem entsprechen ein Punkt auf der Weltlinie und die Richtung, mit<br />

der die Weltlinie diesen Punkt durchläuft. Da diese Weltlinien nicht davon abhängen,<br />

welche Teilchen sie durchlaufen, denn alle Teilchen fallen gleich, definieren die Weltlinien<br />

frei fallender Teilchen eine geometrische Struktur, die Geraden der Raumzeit.<br />

Wohlgemerkt, die Weltlinien freifallender Teilchen und von Licht sind Geraden der<br />

vierdimensionalen Raumzeit, aber die dabei räumlich durchlaufenen Bahnen sind nicht<br />

Geraden des dreidimensionalen Raumes. Durch jeden Punkt des Raumes gehen ja in jeder<br />

Richtung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit unterschiedliche Wurfparabeln. Sie sind,<br />

anders als von Geraden zu fordern, nicht durch einen Punkt und eine Richtung festgelegt.<br />

Unter diesen räumlichen Fallkurven kann man bei gleichbleibender Gravitation wiederum<br />

eine Klasse von Linien als Geraden auswählen und tut dies. Räumlich gerade sind<br />

die Bahnen von Licht. Ob eine Kante gerade ist, prüft man durch Vergleich mit Licht:<br />

man peilt an ihr entlang. Da Lichtstrahlen gravitativ abgelenkt werden, können sie sich<br />

mehrfach schneiden und genügen nicht dem Parallelenaxiom. Sie sind Geraden eines<br />

durch Gravitation gekrümmten Raumes. Wenn sich die Gravitation durch Bewegung<br />

der Massen mit der Zeit ändert, dann definieren die Lichtstrahlen keine Geraden mehr,<br />

denn dann durchläuft Licht auf dem Hinweg eine andere Bahn als auf dem Rückweg.<br />

Zwar ist denkbar, in der Raumzeit andere Linien als Gerade zu bezeichnen, zum<br />

Beispiel solche Weltlinien, die in irgendeinem Koordinatendiagramm mit dem Lineal<br />

gezeichnet werden können. Aber solche Linien gehören nicht zu den geometrischen Eigenschaften<br />

der Raumzeit, denn Testteilchen durchlaufen solche andere Weltlinien nur,<br />

wenn man sie durch Kräfte dazu zwingt, die sich für verschiedene Teilchen unterscheiden.<br />

Die einzigen von der Natur allgemein ausgezeichneten Weltlinien sind die Weltlinien frei<br />

fallender Teilchen, dazu gehören auch die Weltlinien von Lichtpulsen im Vakuum.<br />

Wer die Weltlinien frei fallender Teilchen gedanklich verfolgt, die in Abbildung 1.1 auf<br />

verschiedenen Großkreisen die Erde umlaufen, erkennt, daß die Raumzeit gekrümmt ist.<br />

Bezieht man, wie in Abbildung 1.2, in einem Diagramm der Raumzeit die Orte, die von<br />

den Teilchen im Laufe der Zeit durchlaufen werden, auf eines der Teilchen, so pendelt<br />

die ebenso gerade Weltlinie des zweiten Teilchens um die erste Weltlinie herum. Dies<br />

zeigt, daß die Raumzeit gekrümmt ist, denn gerade Weltlinien können sich wiederholt<br />

schneiden.<br />

Grund für die Krümmung der Raumzeit und die relative Bewegung frei fallender Teilchen<br />

ist, daß die Gravitation nicht überall gleich ist: die Erdanziehung wirkt auf erdnähere<br />

Teilchen stärker und bei gleichem Abstand wirkt sie auf nebeneinander laufende<br />

Teilchen in verschiedene Richtung. An der unterschiedlichen Gravitation kann man Or-<br />

te und Richtungen physikalisch unterscheiden. Beschränkt man sich aber auf so kurze<br />

Zeiten und so kleine räumliche Abstände, daß die Ungleichmäßigkeit<br />

der Gravitation sich bei gegebener Meßgenauigkeit<br />

nicht auswirkt, so wird in einem mitfallenden Bezugssystem<br />

die Gravitation unmerklich. In genügend kleinen<br />

Raumzeitgebieten ist die Raumzeit nicht merklich gekrümmt<br />

und hat die geometrischen Eigenschaften eines flachen<br />

Raumes.<br />

Da man Gravitation nicht abschirmen kann, wir aber zunächst<br />

die damit zusammenhängenden Verwicklungen vermeiden<br />

möchten, beschränken wir uns in den ersten fünf<br />

Kapiteln auf so kleine Zeitspannen und Raumgebiete, daß<br />

gravitative Effekte nicht meßbar sind, oder wir berücksichtigen<br />

gedanklich die bekannten Auswirkungen der Gravitation<br />

und ziehen sie vom Verhalten physikalischer Systeme<br />

ab.<br />

Wenn man alle äußeren Einflüsse abschirmt und gravitative<br />

Effekte vernachlässigt, dann kann man für ein Ereignis<br />

Zeit<br />

Ort<br />

Abbildung 1.2: Geraden in<br />

der gekrümmten Raumzeit<br />

im Vakuum nicht seine Zeit und nicht seinen Ort ohne Bezug auf andere Ereignisse messen<br />

– sowenig man auf See geographische Länge ohne Bezug auf Sonnenstand und Uhrzeit<br />

in Greenwich oder ohne gps bestimmen kann. Denn physikalische Vorgänge laufen<br />

überall und jederzeit gleich ab. Die Raumzeit ist homogen. Ebenso sind alle räumlichen<br />

Richtungen gleich. Die Raumzeit ist isotrop.<br />

Drehbewegung<br />

Drehbewegung, die zeitliche Änderung von Richtungen, kann man, anders als gradlinige<br />

Bewegung, ohne Bezug auf andere Körper, wie etwa die Fixsterne, messen. Sendet<br />

man Licht in eine Richtung aus, dann sieht man das reflektierte Licht, wenn man sich<br />

inzwischen gedreht hat, aus einer anderen Richtung zurückkommen, und man muß bei<br />

einer Filmvorführung in eine Richtung projizieren und in eine andere Richtung schauen.<br />

Nur wenn man sich nicht dreht, kommt reflektiertes Licht jeweils aus der Richtung zurück,<br />

in die man es ausgesendet hatte. In drehenden Bezugssystemen sind Lichtstrahlen<br />

nicht umkehrbar. Darauf beruhen Interferometer, die zum Beispiel in Flugzeugen oder<br />

Raketen Drehbewegung mit einer Genauigkeit von 10 −8 Grad pro Sekunde messen [2, 4].<br />

Die Situation, bei der man von einem Objekt umkreist wird, ist von eigener Drehung<br />

physikalisch verschieden. Es kommt zwar in beiden Fällen das Licht vom Objekt<br />

aus Richtungen, die sich im Laufe der Zeit ändern, aber wenn man sich nicht selbst<br />

dreht, sieht man jeden einzelnen, vom Objekt reflektierten Lichtpuls aus der Richtung<br />

zurückkommen, in die man ihn ausgesendet hatte.<br />

Erstaunlicherweise stimmen diese durch lokale Eigenschaften festgelegten, drehungsfreien<br />

Bezugssysteme mit großer Genauigkeit überein mit den Systemen, in denen das<br />

Licht von Sternen aus Richtungen einfällt, die sich im Laufe der Zeit nicht ändern, wenn<br />

man von Sternbewegung, Parallaxe und Aberration absieht. Dies ist nicht selbstver-<br />

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