3022248 SPD Antragsbuch Inhalt.indd
3022248 SPD Antragsbuch Inhalt.indd
3022248 SPD Antragsbuch Inhalt.indd
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Anträge<br />
Empfehlungen<br />
der Antragskommission<br />
1<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
60<br />
65<br />
kritisieren und alternative theoretische Ansätze anzubieten. Gegen<br />
die staatliche Dominanz ist hier allerdings schwer anzukommen.<br />
Ein neueres Element des Kampfes um Deutungshoheit ist die sogenannte<br />
„Extremismus-Klausel“, oder auch euphemistisch „Demokratieerklärung“,<br />
die staatliche Förderung letztlich davon abhängig<br />
macht, ob die geförderten Organisationen/Institutionen die Extremismustheorie<br />
teilen. Zustimmung wird mit Förderung belohnt,<br />
Ablehnung führt zum Entzug von finanzieller Förderung und somit<br />
oftmals zum Ende des Projekts. Die Debatte um die Extremismus-<br />
Klausel führte allerdings erstmals seit langem wieder zu einer breit<br />
geführten gesellschaftlichen Debatte um die Extremismustheorie.<br />
Der Kampf um Deutungshoheit wird so weit geführt, dass zivilgesellschaftliche<br />
und antifaschistische Initiativen als „linksextrem“<br />
diffamiert werden und sich als Konsequenz im Verfassungsschutzbericht<br />
wieder finden. Der Inlandsgeheimdienst besitzt hierbei<br />
eine große Macht und nutzt sie auch entsprechend, um seine eigene<br />
Position zu verteidigen. Nimmt man diesen Kampf gegen eine<br />
derartige „hoheitliche Verufserklärung“ (Jürgen Seifert) auf sich,<br />
so steht man vor einer langwierigen und aufwändigen juristischen<br />
Auseinandersetzung. Dies zeigte sich in den letzten Jahren z.B. im<br />
Fall von a.i.d.a., der VVN/BdA, dem Publizisten Rolf Gössner, den<br />
JungdemokratInnen oder sogar der Partei Die Linke.<br />
Dabei muss gerade den zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen<br />
Initiativen zugestanden werden, dass sie trotz erheblich geringerer<br />
Ressourcen oftmals bessere Informationen und analytische<br />
Tiefe bei der Betrachtung neonazistischer Entwicklungen haben,<br />
als der Inlandsgeheimdienst. Sie tragen auch oft erheblich mehr zur<br />
Verteidigung demokratischer Grundwerte bei als die Sicherheitsbehörden,<br />
mit erheblich weniger Ressourcen und ohne den Rückgriff<br />
auf V-Leute oder nachrichtendienstliche Mittel. Dadurch wird die<br />
Deutungshoheit der Sicherheitsbehörden direkt angegriffen und somit<br />
kommt es zu den beschriebenen Verteidigungs- und Diffamierungskampagnen,<br />
die oft den politischen „Segen“ der jeweiligen<br />
Innenministerien haben.<br />
Auch „die anderen“ haben versagt – Zeit für eine grundlegende<br />
Debatte<br />
Gerade im Fall des NSU muss festgestellt werden, dass nicht nur<br />
der Verfassungsschutz, sondern auch der Militärische Abschirmdienst<br />
(MAD), der die Aufgaben des Verfassungsschutzes für den<br />
Bereich der Bundeswehr erfüllen soll, der polizeiliche Staatsschutz<br />
sowie die Staatsanwaltschaften versagt haben. Auch hier ist eine<br />
grundlegende Debatte über Aufgaben, Befugnisse, Zusammenarbeit<br />
erforderlich. An einer grundsätzlichen Debatte über die deutsche<br />
Sicherheitsarchitektur, auch im europäischen und internationalen<br />
Rahmen führt also eigentlich kein Weg vorbei. Dennoch ist<br />
bereits eines jetzt klar: Einem intransparenten und demokratisch<br />
nicht kontrollierbaren Geheimdienst darf der Schutz unserer Verfassung<br />
nicht länger anvertraut werden. Die Inlandsgeheimdienste<br />
und ihre politische Führung legen hier keinerlei Problembewusstsein<br />
an den Tag. Im Gegenzug für bestenfalls kosmetische Reformen<br />
wollen sie mit weitergehenden Zuständigkeiten, erweiterten<br />
Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen und mehr Kompetenzen<br />
belohnt werden. Es ist Zeit für eine klare Zäsur – die Inlandsgeheimdienste<br />
müssen abgeschafft werden.<br />
Chance in der Katastrophe – Aufwertung der Zivilgesellschaft<br />
Obwohl es jetzt noch nicht möglich ist ein abschließendes Fazit<br />
über das Versagen und die Neuordnung der Sicherheitsarchitektur<br />
zu ziehen, obwohl sich dies derzeit zahlreiche PolitikerInnen und<br />
Beamte der betroffenen Behörden anmaßen, ist es doch von hoher<br />
Bedeutung einen entscheidenden Punkt herauszustellen. Obschon<br />
die Zukunft der Sicherheitsbehörden ungewiss ist und zu befürchten<br />
ist, dass sich aufgrund der aktuellen Möglichkeiten die Spirale<br />
von Überwachung, Repression und Ausweitung der Kompetenzen<br />
für nicht-kontrollierbare Institutionen fortsetzt, bleibt festzuhalten,<br />
dass die zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Initiativen<br />
und Vereine im Bereich der Beobachtung der neonazistischen Sze-<br />
134