3022248 SPD Antragsbuch Inhalt.indd
3022248 SPD Antragsbuch Inhalt.indd
3022248 SPD Antragsbuch Inhalt.indd
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Anträge<br />
Empfehlungen<br />
der Antragskommission<br />
Die folgenden Ausführungen sind ein Beitrag der NaturFreunde<br />
Deutschlands zur Standortbestimmung der Politik. Auf dem Bundesparteitag<br />
der <strong>SPD</strong> 2009 in Dresden hat die <strong>SPD</strong> den Anspruch<br />
erhoben, die „kulturelle Hegemonie“ zurückzugewinnen. Denn von<br />
Antonio Gramsci wissen wir: Alles hat ein Innen und ein Außen.<br />
Die Macht der Herrschenden ist auch die Ohnmacht der Beherrschten,<br />
ihre Interessen und Ziele durchzusetzen.<br />
Heute wird die Demokratie geschwächt, Colin Crouch spricht von<br />
„Postdemokratie“, denn die Politik wird von starken Wirtschaftsinteressen<br />
getrieben, vor allem von kurzfristigen Erwartungen<br />
der Märkte. Die Banken haben die Gesellschaften zwar nicht auf<br />
Gedeih, wohl aber auf Verderb in Geiselhaft genommen. Der wirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche Umbruch, der Mitte der 1970er-<br />
Jahre mit der Aufkündigung der Weltwirtschaftsordnung von Bretton<br />
Woods und dem Ende der außergewöhnlich hohen Wachstumsphase<br />
begann, wurde entweder in seiner Tragweite nicht hinreichend<br />
verstanden oder für eine neoliberale Kurswende genutzt. Es<br />
begann eine Transformation, wie Karl Polanyi die „Entbettung“ der<br />
Ökonomie aus gesellschaftlichen Zusammenhängen beschrieben<br />
hat. Doch statt die Transformation sozialökologisch zu gestalten,<br />
kam es in den letzten Jahren, gefördert durch eine neoliberale Politik,<br />
mit der Globalisierung der Märkte und der Digitalisierung der<br />
Welt zum Finanzkapitalismus.<br />
Die falsche Weichenstellung wurde begründet mit der irrigen Hoffnung,<br />
so ein höheres wirtschaftliches Wachstum zu erreichen. Doch<br />
es geht um immense Veränderungen, die nicht mit kleinen Schritten<br />
zu erreichen sind und die aus Angst vor den Widerständen immer<br />
kleiner werden. Doch Politik machen heißt Verantwortung übernehmen,<br />
mutig sein und Prozesse gestalten, sozial und ökologisch.<br />
Dazu sind wir nicht in der Lage, solange das Unpolitische das Politische<br />
verdrängt. Zuerst müssen wir die Zusammenhänge verstehen,<br />
Ursachen erkennen und tiefgreifende Reformen durchsetzen.<br />
Denn auch ein Zurück zum keynesianischen Wohlfahrtsstaat der<br />
Nachkriegszeit kann es nicht geben:<br />
• das Wachstum der Nachkriegsjahrzehnte war außergewöhnlich<br />
und lässt sich nicht wiederholen;<br />
• die Kultur der sozialen Marktwirtschaft, deren Grundlagen auch<br />
ein starker öffentlicher Sektor und die Steuerungsfähigkeit des<br />
Nationalstaates waren, ist erodiert;<br />
• Klimawandel, Artenzerstörung und Peak-Oil zeigen: die ökologischen<br />
Grenzen des Wachstums sind erreicht.<br />
Dies sind nicht nur globale Herausforderungen, sondern berühren<br />
auch unser Land. Die extremen Hochwasser von 2002 und 2013<br />
waren in ihren Ausmaßen und in ihrer Häufigkeit bereits eine Folge<br />
der menschlichen Eingriffe in den Treibhauseffekt auch bei uns.<br />
Durch den Klimawandel wird es auch mehr Hitzetote und Gesundheitsschäden<br />
geben, 2003 waren es in Westeuropa über 35.000<br />
Tote. Nicolas Stern und das Umweltbundesamt haben in Studien<br />
deutlich gemacht, welche Kosten auf uns zukommen, wenn wir<br />
nicht heute in eine sozialökologische Transformation investieren,<br />
sondern das Notwendige weiter verdrängen<br />
Mehr noch: Heute haben wir es nicht nur mit einzelnen Krisen zu<br />
tun, sondern erleben einen Epochenbruch. Zusammen kommen<br />
drei große Herausforderungen:<br />
- die Gefahren des Anthropozäns, weil der Mensch seit der industriellen<br />
und urbanen Revolution heute zum stärksten Treiber<br />
geoökologischer Prozesse aufgestiegen ist, was uns eine neue<br />
Dimension von Verantwortung abverlangt;<br />
- die weitreichende Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen<br />
Markt und Demokratie, weil der Nationalstaat durch die<br />
Globalisierung ausgehebelt wurde, so dass er an politischer<br />
Steuerungskraft verloren hat;<br />
- den globalen Finanzkapitalismus, weil es durch die Entfesselung<br />
der Ökonomie zu einer radikalen Marktgesellschaft gekommen<br />
ist, die sozial spaltet und die Zukunft verspielt.<br />
Dieser Epochenbruch erfordert nicht weniger, sondern mehr politische<br />
Gestaltung. Er stellt in aller Schärfe die Frage: Wie wird Fortschritt<br />
möglich? Doch die Politik reagierte auf die großen Heraus-<br />
1<br />
5<br />
10<br />
15<br />
20<br />
25<br />
30<br />
35<br />
40<br />
45<br />
50<br />
55<br />
60<br />
65<br />
267