100Bonifaz VIII. ist derjenige Papst, welcher das Jubeljahr erfand. Er war auch der erste Papst, derein Wappen führte und der auf die Tiara oder päpstliche Mütze eine zweite Krone setzte. Frühertrugen die römischen Bischöfe die sogenannte phrygische Mütze der Priester der Cybele, Mitra genannt.Ein Bischof, Hormidas, setzte die <strong>von</strong> König Chlodwig erhaltene Krone hinzu. Die dritteKrone kam erst mit Johann XXII. oder mit Benedikt XII. auf die päpstliche Narrenkappe. Mit ClemensV. begann die sogenannte babylonische Gefangenschaft der Päpste (<strong>von</strong> 1305-1374). KönigPhilipp der Schöne fand es nämlich vorteilhaft, die Päpste für seine Zwecke bei der Hand zu haben,und verleitete sie durch allerlei Lockungen, ihren Sitz in Avignon zu nehmen, wo sie siebzig Jahrelang residierten. Sie waren hier völlig abhängig <strong>von</strong> den französischen Königen, lebten aber unterdem Schutz derselben dafür auch weit sicherer als in Rom. Sie beschäftigten sich in ihrem Exil damit,neue Geldprellereien zu ersinnen und das umliegende Land durch ihre eigene und die Sittenlosigkeitihres Hofes zu demoralisieren.Nach dem Zeugnis der geachtetsten Geschichtsschreiber stammt die spätere große Sittenlosigkeit inFrankreich hauptsächlich <strong>von</strong> dem siebzigjährigen Aufenthalte der Päpste in Avignon her.Clemens V. trat ebenso fest wie Bonifazius, nur nicht so heftig und deshalb klüger auf, wodurch erauch mehr gewann. In dem deutschen Kaiser Heinrich VII., dem Luxemburger, würde wahrscheinlichein Feind des Papsttums gleich Friedrich II. erwachsen sein, wenn er nicht, wie man es in Rußlandnennt, gestorben worden wäre. Der Dominikaner Bernard <strong>von</strong> Montepulciano, so erzählt man,reichte ihm eine vergiftete Hostie, und der Kaiser war zu religiös, um dem Rate seines Arztes zufolgen und ein Brechmittel zu nehmen. So starb er dann an seiner Frömmigkeit.Das größte Schanddenkmal hat sich Clemens V. durch den nichtswürdigen Prozeß gegen den Ritterordender Tempelherren und den Justizmord der unglücklichen Ritter gesetzt. Er war freilich nurdie Katze, welche ihre heiligen Pfoten Philipp dem Schönen lieh, um für ihn die Kastanien aus demFeuer zu langen. Die Sittenverderbnis unter den Tempelherren war allerdings groß; allein warenetwa die anderen geistlichen Herren und die Päpste selbst reiner?Übrigens würde ihre Sittenlosigkeit den Tempelherren schwerlich den Hals gebrochen haben; ihrVerbrechen war es, vernünftigere und freiere Religionsansichten zu haben als der andere Kuttenpöbel,und dann - waren sie ungeheuer reich. Indem man ihnen den Prozeß machte, schlug man, wieman zu sagen pflegt, "zwei Fliegen mit einer Klappe".Johann XXII., eines Schuhflickers Sohn, war schon ein Schuft und Betrüger, ehe er den PäpstlichenStuhl bestieg, und auf demselben vervollkommnete er sich noch in seinen Spitzbubentugenden. Ichhabe schon im vorigen Kapitel Erbauliches <strong>von</strong> ihm berichtet und füge nur noch weniges hinzu.Er lag in beständigem Streit mit dem deutschen Kaiser Ludwig dem Bayern und dem Könige <strong>von</strong>Frankreich. Ersterer wehrte sich zwar tüchtig, "kuschte" aber doch zuletzt, denn "er hatte zwei Seelen,eine kaiserliche und eine bayerische".Philipp der Schöne aber ließ dem übermütigen Papst sagen, "er werde ihn als Ketzer verbrennenlassen". Leider ist das nicht geschehen; er starb 90 Jahre alt. Er hinterließ außer seinen 33 Millionen,welche die Kirche verdaute, die bekannte schöne Hymne: "Stabat mater dolorosa".Sein Nachfolger Benedikt XII. war ein herzensguter Mann, und man kann ihm weiter nichts zur Lastlegen, als daß er Papst war. Aber selbst diesen Fehler suchte er nach besten Kräften zu mildern,indem er wenigstens erklärte, "ein Papst habe keine Verwandte", wodurch er seine Vorgänger undNachfolger beschämte, welche ihre "Neffen" usw. nicht reich genug beschenken konnten. HohePersonen hielten um seine Nichte an; aber er sagte: "Für ein solches Roß schickt sich nicht solch einSattel", und gab sie einem Kaufmann aus Toulouse.
101Clemens VI., der Benedikt XII. folgte, war nach dem Ausdruck eines gleichzeitigen Geschichtsschreibers"höchst ritterlich und nicht sehr fromm", welches letztere man wohl <strong>von</strong> mehreren "HeiligenVätern" sagen konnte. Er benahm sich sehr hochmütig gegen Kaiser Ludwig und hatte leichtesSpiel mit dessen Gegner, dem "Pfaffenkönig" Karl IV. Obwohl er selber sehr locker lebte, so hielter es doch für nötig, die höhere Geistlichkeit wegen ihres liederlichen Lebenswandels abzukanzelnund sagte den Herren unter anderem in seiner Strafpredigt: "Ihr wütet wie eine Herde Stiere gegendie Kühe des Volkes!"Clemens war sehr prachtliebend, und mit unerhörtem Pomp krönte er Don Sanchez, den zweitenSohn des Königs <strong>von</strong> Kastilien, zum König der glücklichen Inseln, wie damals die kanarischen hießen.Beim Krönungszug kam als üble Vorbedeutung ein Platzregen, welcher Papst und König bisauf die Haut durchnäßte; und in der Tat wurde auch das Königreich zu Wasser, denn die kühnenNormannen hatten es in Besitz genommen und hielten es fest.Mit diesem Sanchez hatte Clemens große Absichten. Er versprach ihn an die Spitze eines Kreuzzugeszu stellen und ihm den Titel "König <strong>von</strong> Ägypten" zu geben. Der Prinz war außer sich vorDankbarkeit und rief: "Nun, so mache ich Ew. Heiligkeit zum Kalifen <strong>von</strong> Bagdad!" - So erzähltuns der berühmte Dichter Petrarca.Philipps des Schönen Beispiel hatte den Päpsten böse Früchte getragen, denn die Kraft des Bannesfing an zu erlahmen. Das fühlte Urban V. Ein Erzbischof weigerte sich, einen Mönch zu ordinieren,der ihm <strong>von</strong> seinem Landesherrn, Barnabo Viskonti <strong>von</strong> Mailand, empfohlen war. Dieser gottloseMensch ließ den Erzbischof zitieren und sagte zu ihm: "Weißt du nicht, du alter Hurer, daß ich König,Papst und Kaiser in meinem eigenen Reiche bin!" Für dieses ungeheure Verbrechen tat ihnUrban in den Bann und belegte sein Land mit dem Interdikt!Als die Legaten des Papstes die Bannbulle nach Mailand brachten, führte sie Viskonti samt ihremWisch auf die Navigliobrücke und fragte sie sehr ernsthaft: "Wollt ihr essen oder trinken?" Die Legatensahen mit sehr langen Gesichtern auf den Fluß und verlangten höchst kleinmütig zu essen."Nun, so freßt den Wisch da!" - Die Herren Legaten fraßen.Gregor XI. verlegte die Statthalterei Gottes wieder nach Rom. Ich habe schon früher bemerkt, welchedemoralisierenden Folgen die Residenz der Päpste für Avignon und Frankreich überhaupt hatte.Geschichtsschreiber jener Zeit können <strong>von</strong> der dort herrschenden Unzucht nicht genug erzählen,und die meisten Dinge verschweigen sie aus Schamgefühl.Ein schönes Papstexemplar war Urban VI. (1378-1389), doch war er mehr Tiger als Affe. SeineGrausamkeit war empörend. Fünf Kardinäle, die nicht für ihn gestimmt hatten, und mehrere Prälatenließ er fürchterlich foltern und dann teils in Säcke stecken und ins Meer werfen, teils lebendigverbrennen, erdrosseln oder enthaupten. Einen sechsten Kardinal, der <strong>von</strong> der Tortur so elend war,daß er nicht fortkonnte, ließ er unterwegs erwürgen. Als die Kardinäle zur Tortur abgeführt wurden,sagte der Statthalter Gottes zum Henker: "Martere so, daß ich Geschrei höre." Dabei ging er inseinem Garten spazieren und las in seinem Brevier.Die Leichen <strong>von</strong> zwei Kardinälen ließ dieser Henkerpapst in Öfen austrocknen und dann zu Staubzerstoßen. Dieser Staub wurde auf seinen Befehl in Säcke getan und nebst den roten Hüten der Kardinäleauf seinen Reisen auf Maulesel vor ihm hergeführt, anderen als schreckliches Exempel.Zu Ende des 14. und am Anfang des 15. Jahrhunderts finden wir immer wenigstens zwei, meistensdrei Päpste zugleich, die jeder <strong>von</strong> den verschiedenen Parteien als die echten Statthalter Gottes betrachtetwurden.Ich habe es herzlich satt, die scheußlichen Handlungen der Menschen zu berichten, welche denNamen "Statthalter Gottes" zum schändlichsten Hohn machten; allein ich müßte vollends ermüden,
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