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Otto von Corvin: Pfaffenspiegel - Wieviel »Gleichberechtigung ...

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169In diese Entzückungen verfiel sie gewöhnlich, nachdem sie das Abendmahl genommen hatteoder wenn sie sich in die Betrachtung eines heiligen Ausspruchs vertiefte. Besonders geschah das,wenn sie über ihren Lieblingstext nachdachte; dieser war: Und das Wort ward Fleisch. Einst gerietsie dabei in eine Verzückung, welche <strong>von</strong> abends fünf Uhr bis zum anderen Morgen dauerte. Währendderselben rief sie plötzlich aus: "Das ewige Wort ist in dem Schoße des Vaters unermeßlichgroß, aber in Mariens Schoß ist es nur ein Pünktchen. - Deine Größe ist unergründlich und DeineWeisheit unerforschlich, mein süßer, liebenswürdiger Jesus!"Das innere Feuer drohte- sie zu verzehren, und häufig schrie sie: "Es ist genug, mein Jesus! Entflammenicht stärker diese Flamme, die mich verzehrt! - Nicht diese Todesart ist es, die sich dieBraut des gekreuzigten Gottes wünscht; sie ist mit allzu vielen Vergüngungen und Seligkeiten verbunden!"So steigerte sich ihr Zustand <strong>von</strong> einer Stufe des Wahnsinns zur anderen, und endlich bildete siesich ein, förmlich mit Jesus vermählt zu sein und sowohl <strong>von</strong> ihm wie <strong>von</strong> ihrem Schwiegervaterund dessen Adjutanten, dem Heiligen Geiste, Visiten zu erhalten. Die Hysterie erreichte den höchstenGrad, und "der Geist der Unreinheit" blies ihr die wollüstigsten und üppigsten Phantasien ein, sodaß sie mehrmals nahe daran war, ihre Keuschheit zu verlieren. Aber die Qualen, denen sie sichnach solchen Versuchungen unterzog, waren entsetzlich.Sie ging in den Holzstall, band einen Haufen Dornengesträuch los und wälzte sich so lange darauf,bis sie am ganzen Körper blutete und der Teufel der Unzucht sie verlassen hatte. So ging es fort, bisendlich der barmherzige Tod ihren Qualen ein Ende machte. Die arme Wahnsinnige wurde natürlichheilig gesprochen.Die unendlich vielen Abarten des Zisterzienserordens haben sich im Punkte des Selbstgeißelns sehrausgezeichnet, allein <strong>von</strong> ihnen keine so sehr wie die Trappisten. Sogar Mönche nannten den Stifterdieses Klosters zu La Trappe den "Scharfrichter der Religiösen". Der Orden war durch die Revolutionsehr herabgekommen, aber Karl X. nahm ihn unter seinen besonderen Schutz, und <strong>von</strong> 1814-1827 zählte man in Frankreich nicht weniger als 600 Nonnenklöster dieses Ordens. Die Geißel warhier an der Tagesordnung, und Mademoiselle Adelaide de Bourbon, die Beschützerin dieser Klöster,wie auch die alternde Frau <strong>von</strong> Genslis, geißelten sich <strong>von</strong> Zeit zu Zeit mit den Nonnen infrommer Andacht.Die Krone der Zisterzienser ist aber die hochgepriesene Mutter Passidea <strong>von</strong> Siena, <strong>von</strong> der ichschon früher erzählte, daß sie es für verdienstlich hielt, sich wie einen Schinken in den Rauch zuhängen. Im Geißeln leistete sie Dinge, welche selbst Dominikus den Gepanzerten mit Neid erfüllthaben würden. Die natürliche Folge des unmäßigen Geißelns war ebenfalls ein dem Wahnsinn nahekommenderZustand, in welchem ihr Jesus erschien. Das Blut floß aus seinen Wunden, er streckteihr die Arme entgegen und rief mit zärtlicher Stimme: "Schmecke, meine Tochter, schmecke!" -Elisabeth <strong>von</strong> Genton geriet durch das Geißeln förmlich in bacchantische Wut, was aber die Pfaffenheilige Verzückung nannten. Am meisten raste sie, wenn sie, durch ungewöhnliche Geißelung aufgeregt,mit Gott vereinigt zu sein glaubte, den sie sich als einen schönen nackten Mann und in beständigemBräutigamstaumel mit seiner irdischen Geliebten dachte. Dieser Zustand des Entzückenswar so überschwenglich beglückend, daß sie häufig in den Ausruf ausbrach: "O Gott! o Liebe, ounendliche Liebe! o Liebe; o ihr Kreaturen, rufet doch alle mit mir: Liebe, Liebe!" -Ich könnte die Zahl solcher Beispiele unendlich vermehren: allein, ich halte es für überflüssig, dadie Wirkungen so ziemlich überall dieselben waren.Daß das Geißeln unter den Strafen die Hauptrolle spielte, kann man sich nach dem Gesagten wohldenken. Die Klosterregel der Heiligen Therese ist so reichlich mit Geißelverordnungen gespickt,daß manches Kloster, welches derselben folgte, ein eigenes Magazin für Ruten haben mußte.

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