40Der Übergang zu dem Gedanken, daß Leiden überhaupt verdienstlich sei, war nicht eben schwierig,besonders da er durch mehrere <strong>von</strong> den Aposteln berichtete Aussprüche Jesu unterstützt wurde,und so kam es, daß man sich endlich selbst Leiden und Qualen erschuf, nur um sie zu ertragen, undweil man damit meinte, für sein Seelenheil zu sorgen. Das Egoistische und Unmoralische einer solchenHandlungsweise wurde gar nicht erkannt.Die Idee <strong>von</strong> der Verdienstlichkeit, körperliche Martern mit Freudigkeit zu ertragen und sich selbstzu schaffen, kam erst recht zur Geltung, als die während der Verfolgungen unter den Kaisern Dioktetianund Decius hingerichteten Christen durch ihre Standhaftigkeit so hohen Ruhm einernteten.Mögen sich auch die Kirchenschriftsteller nicht immer <strong>von</strong> Übertreibungen ferngehalten haben,wenn sie die Leidensgeschichten der Märtyrer erzählen, so verdienen sie doch im allgemeinenGlauben, denn es ist eine bekannte Erfahrung, daß Menschen in hoher geistiger Aufregung Schmerzoft gar nicht empfinden, wie manche alte Soldaten bezeugen, die es in der Hitze des Kampfes oftgar nicht bemerkten, daß sie verwundet wurden.Diese Schwärmerei nahm besonders im vierten Jahrhundert überhand, und was Zeno, Bischof <strong>von</strong>Verona (um d. J. 360), sagte, war ziemlich der allgemeine Glaube: "Der größte Ruhm der christlichenTugend ist es, die Natur mit Füßen zu treten."Diese düstere Ansicht verbreitete über die ganze christliche Welt eine Trübseligkeit, welche dieErde in der Tat zu einem Jammertal machte. Die frommen Christen hielten sich nicht für wert, daßdie Sonne sie bescheine; jeder Genuß erschien ihnen ein Schritt zur Hölle und jede Qual ein Schrittzum Himmel.Später gestaltete sich freilich alles weit lustiger in der christlichen Kirche, so lustig, daß es einSkandal und Greuel und die Reformation dadurch erzeugt wurde; aber Luther machte die Leutewieder mit der Bibel bekannt, die ihnen <strong>von</strong> der römischen Kirche entzogen war, und das Lesenderselben brachte ähnliche Wirkungen hervor wie das Lesen der Evangelien unter den Christen derersten Jahrhunderte.Beweise dafür finden wir genug in der Geschichte wie auch in den Predigten und anderen geistlichenSchriften aus der Zeit nach der Reformation. Besonders reich daran sind die Gesangbücher, indenen sich hin und wieder noch jetzt nicht minder seltsame Verse finden wie der folgende, derwörtlich einem noch nicht sehr alten Breslauer Gesangbuch entnommen ist:Ich bin ein altes Raben-Aas,Ein rechter Sünden-Knüppel,Der seine Sünden in sich fraß,Als wie den Rost der Zwibbel.O Jesus, nimm mich Hund am Ohr.Wirf mir den Gnadenknochen vor,Und schmeiß mich SündenlümmelIn deinen Gnadenhimmel.Weil Jesus es für nötig hielt, vierzehn Tage in die Wüste zu gehen - zu welchem Zweck hat er niemandgesagt -, so meinten die Schwärmer, auch in die Wüste laufen und ihren Leib durch Fastenund allerlei Qualen kasteien zu müssen, denn Jesus hatte gesagt: "Will mir jemand nachfolgen, derverleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir", und ferner: "Es sind etliche verschnittenaus Mutterleibe <strong>von</strong> Menschen, etliche aber, die sich selbst verschnitten haben um desHimmels willen. Willst du vollkommen sein, so gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gibes den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben - komm und folge mir nach."
41Mancher, der schon aus Mutterleibe - am Gehirn - verschnitten und <strong>von</strong> Natur ein Narr war, magdurch Zufall mit unter die Heiligen geraten sein; aber der größte Teil der Heiligen wurde erst durchsolche ähnliche Stellen der Bibel zu Narren.Die Wüsteneien Syriens und Ägyptens bevölkerten sich mit frommen Christen, welche Oesumnachfolgen" wollten und, Weil dieser gelitten hatte, es für verdienstlich hielten, sich noch weit größereQualen freiwillig aufzulegen. Jeder dieser Frommen strebte danach, die Natur mit Füßen zutreten, und es gelang manchem so vortrefflich, daß uns dabei die Haut schaudert. Diese Schwärmereiwurde epidemisch, und die sonst einsamen Wüsten bevölkerten sich wie Städte.Das anschaulichste Bild <strong>von</strong> dem Leben dieser "Väter der Wüste" gibt uns folgende Schilderungeines Mannes, der ihr Leben und Treiben einen ganzen Monat lang als Augenzeuge beobachtet hat:"Einige flehen mit gen Himmel gerichteten Augen, mit Seufzen und Winseln, Barmherzigkeit; andere,mit auf den Rücken gebundenen Händen, halten sich in der Angst ihres Gewissens nicht fürwürdig, den Himmel anzuschauen; andere sitzen auf der Erde, auf Asche, verbergen ihr Gesichtzwischen die Knie und schlagen ihren Kopf gegen den Boden; andere heulen laut wie beim Todegeliebter Personen; andere machen sich Vorwürfe, nicht Tränen genug vergießen zu können. IhrKörper ist, wie David sagt, voll Geschwüre und Eiter; sie mischen ihr Wasser mit Tränen und ihrBrot mit Asche; ihre Haut hängt an den Knochen, vertrocknet wie Gras. Man hört nichts als WehelWehel Vergebung! Barmherzigkeit! Einige wagen kaum, ihre brennende Zunge mit ein paar TropfenWasser zu erfrischen, und kaum haben sie einige Bissen Brot genossen, so werfen sie das übrige<strong>von</strong> sich, im Gefühl ihrer Unwürdigkeit. Sie denken nichts als Tod, Ewigkeit und Gerichtl Sie habenverhärtete Knie, hohle Augen und Wangen, eine durch Schläge verwundete Brust und speienoft Blut; sie tragen schmutzige Lumpen voll Ungeziefer, gleich Verbrechern in Gefängnissen oderwie Besessene. Einige beten, sie ja nicht zu beerdigen, sondern hinzuwerfen und verwesen zu lassenwie das Vieh!" -Wer <strong>von</strong> diesen Wüsteneinsiedlern noch nicht verrückt war, mußte es bei der oben geschildertenLebensweise notwendig werden. Das Beispiel reizte die Eitelkeit auf, und einer suchte den anderenan Strenge und Selbstquälerei zu übertreffen.Einer dieser armen Verirrten und Verwirrten - Heiligen! - lebte fünfzig Jahre lang in einer unterirdischenHöhle, ohne jemals das freundliche Licht der Sonne wiederzusehen! Andere ließen sich beider größten Hitze bis an den Hals in den glühenden Sand graben; noch andere in Pelze einnähen, sodaß nur ein Loch zum Atmen frei blieb; bei afrikanischer Sonnenhitze eine treffliche Sommerbekleidung,allein doch noch erträglicher als der Paletot, den ein anderer sich aus einem Felsen aushiebund beständig mit sich herumschleppte wie die Schnecke ihr Haus.Sehr viele behängten sich mit schweren eisernen Ketten und Gewichten. Der heilige Eusebius trugbeständig zweihundertundsechzig Pfund Eisen an seinem Körper. Einer dieser Narren namens Thaleläusklemmte sich in den Reifen eines Wagenrades und brachte in dieser angenehmen Stellungzehn Jahre zu, worauf er sich, zur Belohnung für seine Ausdauer, in einen engen Käfig zurückzog.Wahrlich ein rarer Vogel!Einige taten das Gelübde - Frauen taten das, glaub' ich, nicht -, jahrelang kein Wort zu reden, niemandanzusehen oder auf einem Bein herumzuhinken oder nur Gras zu fressen und was des Unsinnsmehr ist.St. Barnabas hatte sich einen scharfen Stein in den Fuß getreten; er litt die entsetzlichsten Schmerzen,aber er ließ sich den Stein nicht herausziehen. Wieder andere schliefen auf Dornen, ja mancheversuchten, gar nicht zu schlafen, und hungern konnten sie wie deutsche Schullehrer und Dichter;nur hatten sie den Vorteil voraus, daß sie verrückte Heilige waren und es eine bekannte Erfahrungist, daß Wahnsinnige sehr lange ohne Nahrung leben können. Simeon , der Sohn eines ägyptischenHirten, aß nur alle Sonntage und hatte seinen Leib mit einem Stricke so fest zusammengeschnürt,
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