202Katharina war längere Zeit krank gewesen und besuchte Girard im Refektorium der Jesuiten. Ermachte ihr zärtliche Vorwürfe, daß sie ihn während ihrer Krankheit nicht habe rufen lassen, und gabihr einen glühenden Kuß. - Dem erfahrenen Mädchenkenner konnte es nicht entgehen, welche außerordentlicheWirkung dieser Kuß hervorbrachte. Katharina mußte ihm in den Beichtstuhl folgen,und hier forschte er genau nach ihren Ideen und Stimmungen, befahl ihr, täglich zum Abendmahl zugehen und fleißig die Kirche zu besuchen; auch weissagte er ihr baldige Visionen und ermahnte sie,ihm über diese wie überhaupt über ihre psychischen und physischen Zustände den gewissenhaftestenBericht abzustatten.Diese Visionen stellten sich denn auch wirklich ein und erhitzten ihr Blut und ihre Phantasie immermehr. Ob sie allein durch den aufgeregten Gemütszustand des Mädchens und durch das geistigeGift des Pfaffen oder durch materielle Mittel hervorgerufen wurden, weiß ich nicht anzugeben. Eskam aber endlich so weit, daß sie ihm klagte, wie sie nicht mehr imstande sei, laut zu beten und ihmdie heftige Liebe zu verbergen, die sie für ihn empfinde. Über den ersten Punkt beruhigte er siebald, und "die Liebe", fuhr er fort, "die Ihr zu mir tragt, soll Euch keinen Kummer machen; der liebeGott will, daß wir beide miteinander vereinigt werden sollen. Ich trage Euch in meinem Schoßeund in meinem Herzen; <strong>von</strong> nun an seid Ihr nichts mehr als eine Seele in mir, ja die Seele meinerSeele. So lasset uns denn in dem heiligen Herzen Jesu einander recht brünstig lieben."Anstatt nun der Natur freien Lauf zu lassen und der aufs höchste aufgeregten Sinnlichkeit Genügezu leisten, verfuhr er weit teuflischer. Sein Bemühen war nur darauf gerichtet, den durch ihn hervorgerufenenhysterischen Zustand zur äußersten Stufe heranzubilden. Dies gelang ihm auch. FräuleinCadiere verfiel in hysterische Krämpfe, während welcher sie wunderbare Visionen heiliger undunheiliger Art hatte, die sich aber meistens um Pater Girard bewegten.Schon zur Fastenzeit des Jahres 1729 hatte sie eine wunderbare Vision. Sie hörte eine Stimme, welcheihr zurief: "Ich will dich mit mir in die Wüste führen, wo du nicht mehr mit Menschenkost,sondern mit Engelspeise genährt werden sollst."- Von nun an widerstand ihr jede Speise, und überwand sie ihren Ekel dagegen mit Gewalt, so folgtedarauf heftiges Erbrechen. Dann bekam sie einen Blutsturz. Pater Girard und seine Vertrautenerklärten diese Zufälle als ein Zeichen der ihr nun bald zuteil werdenden Wundergabe.Katharina verfiel nun aus einer Verzückung in die andere.Auf ihrem Gesicht standen Blutstropfen und an ihrer linken Seite und an den Händen und Füßenwurden blutige Stigmen oder Wundmale sichtbar, mit denen nach dem römischen Aberglauben besondersheilige <strong>von</strong> Gott auserlesene Personen begnadet werden. - Ja, hiermit endeten die Wundernicht. Als der Pater dem Fräulein die Haare abgeschnitten hatte, bildete sich um ihr Haupt eine ArtHeiligenschein, und das Tuch, mit welchem sie ihr Gesicht abgetrocknet hatte, erhielt da<strong>von</strong> dasBild eines leidenden Christus mit der Dornenkrone!Wie weit diese wunderbaren Zustände der geistigen und körperlichen Krankheit des Fräuleins undwie weit sie jesuitischem Betruge zugeschrieben werden müssen, weiß ich nicht zu beurteilen. DaßGirard jedoch die Entdeckung des letzteren sehr fürchtete, geht schon aus der Sorgfalt hervor, mitwelcher er darüber wachte, daß <strong>von</strong> dem Zustand des Fräuleins außerhalb des eingeweihten undgläubigen Kreises nichts bekannt wurde. Der Mutter hatte er gesagt, daß Katharina in vierundzwanzigStunden sterben würde, wenn man nur ein Wort über die wunderbaren Vorgänge fallen ließ.Girard hatte nun selbstverständlich freien Zutritt im Hause der Madame Cadiére, denn er mußte jafür die Seele ihrer Tochter sorgen und - die Stigmen untersuchen! Bei diesen Visiten war er stets sovorsichtig, den jüngeren Bruder Katharinas, der damals gerade im Jesuitenkollegium Theologiestudierte, bis an die Haustür mitzunehmen und sich auch <strong>von</strong> ihm wieder abholen zu lassen. Erschloß sich stets mit seiner Beichttochter in deren Zimmer ein und konnte sich an den wunderbaren
203Stigmen, besonders dem in der Seite, gar nicht satt sehen, Verfiel Katharina in hysterischeKrämpfe und Ohnmacht, was für Besessenheit galt, dann wandte der Jesuit die ihm dadurch vergönnteZeit dazu an, seine Lüsternheit auf brutale Weise zu befriedigen, soweit es anging. Wenndas Fräulein erwachte, fand sie sich unanständig entblößt, und hinter ihr stand mit hämischem Gesichtder fromme jünger Jesu.Fräulein Cadiére beklagte sich hierüber mehrmals bei der Guiol, aber diese leichtfertige Personlachte sie aus, daß sie dabei nur etwas Unanständiges finden könne, und ebenso erzählten ihr dieanderen Mitglieder der Schwesternschaft, daß Pater Girard sich mit ihnen noch ganz andere Freiheitenherausnehme, worüber sie indessen durchaus nicht ungehalten wären.Der galante Jesuit war aber auch stets bemüht, sich immer fester in die Gunst seiner Schülerinnenzu setzen. Er wußte ihnen die Andacht sehr zu erleichtern und sorgte dafür, daß sowohl ihre Sinnlichkeitals ihr weltlicher Sinn fortwährend Nahrung erhielten. Er sorgte stets für gute Bedienung,für eine vortreffliche Küche, Landpartien und Blumensträuße. Die Königin all seiner Gedankenaber blieb Katharina.Bei dieser rückte er nun seinem Ziele immer näher. Er führte eine Gelegenheit herbei, um sichscheinbar mit Recht über ihren Ungehorsam beklagen zu können, und nachdem Katharina <strong>von</strong> derGuiol gehörig vorbereitet war, erschien sie demütig bei Girard zur Beichte, bereit, jede Strafe aufsich zu nehmen, die er ihr auferlegen werde. Der Pater kündigte ihr nach einer scharfen Ermahnungdenn auch an, daß sie Pönitenz für den Ungehorsam leisten müsse.Am anderen Morgen erschien er mit einer Disziplin in ihrem Zimmer und sagte: "Die GerechtigkeitGottes verlangt, daß, weil Ihr Euch geweigert habt, mit seinen Gaben Euch bekleiden zu lassen, IhrEuch jetzt nackt ausziehen sollt. Zwar hättet Ihr verdient, daß die ganze Erde Zeuge da<strong>von</strong> wäre,doch gestattet der gnädige Gott, daß nur ich und diese Mauer, die nicht reden kann, Zeugen bleiben.Vorher aber schwört mir den Eid der Treue, daß Ihr das Geheimnis bewahren wollt, denn die Entdeckungkönnte mich und Euch ins Verderben stürzen."Das Fräulein tat, wie er befohlen hatte, und als sie sich bis aufs Hemd entkleidet hatte, gebot er ihr,sich auf das Bett zu legen. Nachdem es auch dies getan, wobei er sie mit einem Kissen unterstützthatte, gab er ihr einige sanfte Hiebe auf die Hüften, die er dann küßte. Nun zwang er sie, auch dieletzte Hülle zu entfernen und sich demütig vor ihn hinzustellen. Das Fräulein wurde ohnmächtig,aber als sie wieder zu sich kam, erklärte sie, gehorchen zu wollen, und kniete ganz nackt vor ihmnieder. Darauf gab er ihr noch einige Streiche und ließ nun seiner Begierde freien Lauf. Katharinasetzte ihm keinen Widerstand entgegen, und der satanische Jesuit erreichte das Ziel seiner Wünsche.Von nun an betrachtete er das Fräulein ganz und gar als sein Eigentum und verführte sie zu Handlungender raffiniertesten Sinnlichkeit, wobei er sich jedoch stets sehr geschickt in ein heiliges Gewandzu kleiden wußte. Was er alles vornahm hier zu erzählen, ist nicht tunlich.Wollte die Mutter oder der Bruder des Fräuleins ihn manchmal in seinen andächtigen Beschäftigungenstören, dann warf er ihnen die Tür vor der Nase zu, und als sich einmal der Dominikanerdarüber bei der Mutter beklagte, hieß sie ihn schweigen und wies ihn sogar zum Hause hinaus. Sosehr war die blödsinnige bigotte Frau <strong>von</strong> der Heiligkeit des Jesuiten und der Tugend ihrer Tochterüberzeugt.Girard merkte sehr bald, daß Fräulein Cadiäre schwanger war, und unter einem Vorwand bewog ersie, einen Trank, den er bereitet hatte, einzunehmen. Es war dies ein abtreibendes Mittel, welchesauch seine Wirkung tat. Katharina fühlte sich durch den erfolgenden Blutverlust sehr geschwächt,so daß ihre Mutter, welche weit entfernt war, die Wahrheit auch nur zu ahnen, ihr sehr dringendriet, einen Arzt zu Rate zu ziehen, was aber Girard durch allerlei Gründe zu verhindern wußte.
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2InhaltAus der Vorrede zur ersten A
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6bens. Kardinal Johann, ein Englän
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8Sind Regierungen so verblendet, da
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Auch der Wechsel der Jahreszeiten m
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dem diese sie dazu gebrauchten, den
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18ausgeglichen werden kann und sehe
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andere Körper; denn wenn auch das
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26Katholische Priester, welche von
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28anerkannt werden, so mußte er Ha
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32daß sich die Götter unter die M
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34zerstreut und mit ihnen die Chris
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genügen, nur in leichten Umrissen
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38häupter derselben; sie beriefen
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40Der Übergang zu dem Gedanken, da
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daß überall Geschwüre hervorbrac
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St. Adalbert, der sogenannte Aposte
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50Die Tiere hatte er sehr lieb und
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52Eine höchst merkwürdige Antipat
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56Jupiters Hofstaat bildeten, und w
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der Nachgeburt genossen hätten! -
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60kuriose Spielereien und Abwege, s
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62Schachtel; eine Flasche voll ägy
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64ziemlich ernsthaft den Pater Guar
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jemals bezahlt wurde. - Der Papst u
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68Es ist ordentlich spaßhaft zu se
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70Leo X. fand es vorteilhaft, den A
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72Er blieb bei dem "Gotteskasten" s
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76Stolz, Herrschsucht und Geldgier
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78Völker ließen sich von diesen e
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80Selbst im Abendland, wo doch der
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86fällt? Wir kennen dich nicht und
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88Der Strom der päpstlichen Nichts
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90Man erzählt nämlich, daß zwisc
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auf den Mund küssen, und keiner du
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94Feindin, aber barmherziger war, u
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100Bonifaz VIII. ist derjenige Paps
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sich bereits seinen Bruder Dschem e
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