44Die ganze Gegend, in welcher ein besonders toller Einsiedler sein Wesen trieb, hielt sich für beglückt,und man hat Beispiele, daß diese Heiligen <strong>von</strong> den Bewohnern anderer Landschaften gleichsamwie die wilden Affen in Pechstiefeln eingefangen wurden.Salamanius aus Kapersana, einem Dorfe am Euphrat, hatte sich in ein Haus sperren lassen, welchesweder Fenster noch Türen hatte. Einmal im Jahr öffnete er diesen Käfig, um die Lebensmittel inEmpfang zu nehmen, welche ihm herbeigeschleppt wurden, wobei der heilige Mann aber mit niemandemredete. Die Bewohner seines Geburtsortes glaubten, ein Recht auf diese Blume der Heiligkeitzu haben, und entführten den Narren; aber kaum hatten sie ihn einige Tage, als er ihnen wieder<strong>von</strong> den Bewohnern eines benachbarten Dorfes gestohlen wurde. Alle diese gewaltsamen Veränderungenwaren nicht imstande, dem Heiligen ein Wort zu entlocken.Die Verehrung gegen diese Wüstennarren ging so weit, daß Kaiser Theodosius ihnen sogar seineSöhne Honorius und Arkadius zur Erziehung anvertraute. Es wurde freilich nichts Gescheites ausihnen, denn Honorius war förmlich blödsinnig geworden und fand sein größtes Vergnügen daran,das Federvieh zu füttern. Eine recht unschuldige Liebhaberei für einen Kaiser, die auch moderneImperatoren haben, wenn das Federvieh nur aus der rechten Tonart kräht.Theodosius war überhaupt ein großer Freund der Mönche, und sowohl er wie andere Kaiser nahmenzu ihnen wie zu Orakeln ihre Zuflucht. Er ahmte den großen Alexander nach, indem er sagte:"Wenn ich nicht Theodosius wäre, so möchte ich ein Mönch sein." Sein Volk hatte Ursache genug,zu bedauern, daß er Theodosius war.Unter den "Vätern der Wüste" haben manche einen ganz besonderen Ruf der Heiligkeit erworben,teils durch die unerhörten Qualen, welche sie sich selbst auferlegten, teils durch diw Wunder, welcheihnen zugeschrieben wurden. Unter den schrecklichen Operationen, die sie mit ihrem Körpervornahmen, litt auch der Geist, und so darf es uns nicht befremden, wenn diese Leute allerlei Erscheinungenund Visionen hatten, die sie für Wirklichkeit nahmen und die nur dazu dienten, ihrenzerrütteten Verstand noch mehr zu verwirren. Die Kirchenschriftsteller, welche diese Wunder nacherzählen,waren ernsthafte Männer und tun dies im festen Glauben an die Wahrheit dessen, was sieberichten. Erst die spätern mag hin und wieder Eigennutz zum absichtlichen Betruge verleitet haben.Idi würde alle diese Wunder als abgeschmackt übergehen, wenn man sie nur allein in jener finsternZeit geglaubt hätte, allein noch heute gelten sie Tausenden <strong>von</strong> römischen Katholiken als Wahrheit.Der gemeine Katholik in den echt katholischen Ländern weiß <strong>von</strong> Gott sehr wenig; er versteht diephilosophische Dreieinigkeitsgeschichte nicht und zerbricht sich auch nicht den Kopf darüber; erkennt nur seine wundertätigen Heiligen und den Teufel.Lange wollen wir uns übrigens in dieser halb bemitleidenswerten, halb lächerlich tollen, heiligenGesellschaft nicht aufhalten. Wer den ganzen Unsinn der Wunder kennenlernen will, braucht nureines der Heiligenbücher zu lesen, welche <strong>von</strong> der Geistlichkeit in den römisch-katholischen Ländernempfohlen und verbreitet werden.Den größten Ruf unter den Wüstenheiligen erlangten: St. Paulus, St. Pachomius, St. Antonius, St.Hilarion und St. Macarius Nr. 1 und Nr. 2. Die Schlachten, welche diese Himmelsstürmer mit demTeufel lieferten, waren unzählig, und die ungeheure Tätigkeit des "Erzfeindes" kann nicht in Erstaunensetzen, da diese religiösen Don Quichotes in jedem Affen, in jedem andern Tier und namentlichin jedem Weibe, welche ihnen unvermutet begegneten, nicht nur höllische Windmühlen,sondern den höllischen Windmüller selber sahen.Alle Übel, welche ihr kranker Körper- und Seelenzustand mit sich brachte, wurden für Wirkungendes Teufels gehalten. Antonius schlief auf der bloßen Erde und in feuchten Gräbern und zog sich
45dadurch sehr begreiflicherweise die Gicht zu, wie das auch jedem Nichtheiligen begegnet wäre;er aber bildete sich ein, daß die Schmerzen, die er empfand, <strong>von</strong> einem Faustkampf mit dem Teufelherrührten, - weil er vielleicht wirklich häufig Kämpfe mit den starken Affen zu bestehen hatte, diesich im südlichen Ägypten aufhielten und die wahrscheinlich die Erzväter der Waldteufel sind.Schöne Weiber, die ihm im Traume erschienen, hielt er erst recht für Teufel, da sie ihn am stärkstenversuchten, und eine derartige "Versuchung des heiligen Antonius" sieht man häufig gemalt, weilsie die Phantasie der Maler lebhaft anregte.Manche der Einsiedler mag auch die Eitelkeit verführt haben, Erscheinungen vorzugeben, um ihrVerdienst in den Augen der Menschen zu erhöhen. Wer vermag es, hier die Grenze zwischen wirklichenÄußerungen des Wahnsinns und Erdichtungen anzugeben? Wie lange ist es her, daß die Hexenprozesseaufgehört haben? Mag bei diesen letzteren manche absichtliche Nichtswürdigkeit vorgegangensein, so kann man doch für gewiß annehmen, daß noch vor hundert Jahren viele der geachtetstenTheologen und Juristen an die Möglichkeit der Teufelserscheinungen und des fleischlichenUmgangs mit dem Teufel und andern bösen Geistern glaubten; denn wäre dies nicht der Fall,so müßte man die Richter, welche Hunderttausende <strong>von</strong> Hexen verbrennen ließen, für absichtlicheMörder halten. Hexenprozesse fanden noch im vorigen Jahrhundert statt, und der gemeine Mann invielen, nicht nur römischkatholischen Ländern glaubt noch heute steif und fest an Hexen.Dem heiligen Antonius werden viel Wunder zugeschrieben. Die Kirchenschriftsteller erzählen, daßihm die Tiere der Wüste gehorchten wie dressierte Pudel. Gar häufig umgaben sie zudringlich seineHöhle, warteten aber stets, bis er sein Gebet vollendet hatte, dann empfingen sie seinen Segen undzogen mit den christlichen Gedanken auf Raub aus. Als er den in seinem hundertunddreizehntenJahre gestorbenen heiligen Paulus aus dem ägyptischen Theben begrub, halfen ihm zwei frommeLöwen das Grab machen. Als sie fertig waren, empfingen sie seinen Segen und zogen, christlichmit dem Schwanze wedelnd, vergnügt und mit erleichtertem Gewissen tiefer in die Wüste.St. Macarius, der sich zur Unterdrückung des ihm arg zusetzenden Wollustteufels mit bloßem Hinternin einen Ameisenhaufen setzte, genoß ebenfalls das Vertrauen der wilden Bestien. Einst kameine Hyäne an seine Tür und pochte bescheiden an. Als der Heilige öffnete, legte ihm die gläubigeMutter ein blindes Junges zu Füßen, zugleich aber ein Lammfell als Honorar für die'Kur. "Du hastes geraubt, ich mag es nicht!" schnob der Heilige die fromme Hyäne an, welche so bestürzt wurde,daß ihren Augen Tränen entrollten. Dies rührte den Heiligen, und er sprach freundlicher zu der bußfertigenBestie: "Willst du kein Lamm mehr rauben, so nehme ich das Fell und heile." Die Hyänenickt zu, der Heilige heilt. Dieser geht in seine Zelle, jene trollt vergnügt in die Wüste und raubt<strong>von</strong> nun an keine Lämmer mehr, sondern wahrscheinlich - Schafe.Das erste Wunder, welches der heilige Hilarion tat, klingt nicht so unglaublich. Eine junge Frau, die<strong>von</strong> ihrem Manne verachtet wurde, weil sie ihm keine Kinder gebar, holte sich Rat bei dem zweiundzwanzigjährigenHeiligen. Er betete allein mit ihr, und nach neun Monaten kam sie wirklich miteinem durch tätiges Gebet bewirkten kleinen Heiligen nieder.Doch wozu noch mehr dieser Wunder anführen? - Hier reitet ein Heiliger auf einem Krokodil durchden Nil, dort führt ein anderer einen grimmigen Drachen an einem Bindfaden; hier läßt ein andererSchnee anbrennen, Eisen schwimmen und Früchte auf Weidenbäumen wachsen; dort benutzt einHeiliger einen lebendigen Adler als Regenschirm oder hat den Teufel vor seinen Pflug gespannt; -kurz, diese Heiligen machten nicht allein die Menschen, sondern auch die Natur konfus. Und alldieser Unsinn wurde geglaubt, denn daran zweifelte kein Mensch, daß so heilige Leute die ewigenNaturgesetze ganz nach Willkür verändern und unterbrechen konnten!Die im Orient entstandene Schwärmerei fand auch in Europa den lebhaftesten Anklang, und besonderswirkte dafür St. Ambrosius, Bischof <strong>von</strong> Mailand, dem wir den Ambrosianischen Lobgesang,das Te deum laudamus, verdanken, und St. Hieronymus, <strong>von</strong> dem wir schon früher geredet haben.Beide wirkten sowohl durch eigenes Beispiel als durch Schriften. Hieronymus lebte selbst längere
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