64ziemlich ernsthaft den Pater Guardian. Dieser machte eine tiefe Verbeugung und antwortete:"daß man dies so eigentlich nicht wissen könne, er es aber Sr. Majestät sogleich melden lassen wolle,sobald er die Nachricht aus dem Himmel bekäme".Die Kreuzzüge waren anfangs eigentlich weiter nichts als bewaffnete Wallfahrten. Die Päpste begünstigtensie sehr, da sie hofften, dadurch auch ihre Macht auf Asien ausdehnen zu können, wo siedurch den Mohammedanismus verlorengegangen war. Sie wandten daher alle nur möglichen Mittelan, die Leute zu bewegen, "das Kreuz zu nehmen"; das hauptsächlichste und wirksamste war derAblaß. Der Papst ließ nämlich predigen, daß alle Sünden, die ein Mensch begangen, sie möchtenauch noch so groß sein, vergeben wären, sobald derselbe sich das Kreuz auf seinen Rock geheftethabe. Diese Erfindung des Ablasses wurde nun <strong>von</strong> den Pfaffen auf alle Arten benutzt, und siewurde für sie eine Goldgrube, unerschöpflich wie die Dummheit der Menschen.Manche wollten nicht recht an die Macht des Papstes, die Sünden zu vergeben, glauben; aber ClemensVI. gab über sein Recht dazu und über das Wesen des Ablasses durch seine Bulle <strong>von</strong> 1342die nötige und genügendste Erklärung. "Das ganze Menschengeschlecht", sagt er in der Bulle, "hätteeigentlich schon durch einen einzigen Blutstropfen Jesu erlöst werden können; er habe aber soviel vergossen, daß dieses Blut, welches doch gewiß nicht umsonst vergossen sei, einen unermeßlichenKirchenschatz ausmache, vermehrt durch die gleichfalls nicht überflüssigen Verdienste derMärtyrer und Heiligen. Der Papst habe nun zu diesem Schatz den Schlüssel und könne zur Entsündigungder Menschen ablassen, soviel er wolle, ohne Furcht, solchen jemals zu erschöpfen."Ich werde später auf diese Ablaßtheorie zurückkommen und zeigen, wie herrlich sich dieselbe entwickelte,jetzt aber zu den Wallfahrten zurückkehren. Als, wie gesagt, der Ablaß mit ihnen verbundenwurde, kamen sie erst recht in Aufnahme. Wer zu diesem oder jenem Gnadenorte wallfahrteund - notabene - das bestimmte Geld auf dem Altar opferte, der erhielt Ablaß nicht allein für schonbegangene Sünden, sondern sogar für einige Jahre im voraus!In Deutschland gab es wohl hundert Marienbilder, zu denen gewallfahrtet wurde, und in anderenLändern noch mehr. Ein einziger Schriftsteller zählt 1200 wundertätige Marienbilder auf! Das berühmtesteist aber wohl das zu Loretto, in dem Hause der Maria, welches <strong>von</strong> St. Lukas aus Zedernholzabscheulich geschnitzt worden sein soll. Der Dampf der Millionen Wachskerzen hat dasBild allmählich schwarz geräuchert wie eine Kohle, aber das tut seiner Wunderkraft keinen Abbruch,die hauptsächlich darin besteht, den Leuten das Geld aus der Tasche zu locken. Der Marmorrings um das Häuschen ist <strong>von</strong> Wallfahrern so verrutscht, daß sich darin eine förmliche Rinne gebildethat. Sonst kamen jährlich gegen 200000 fromme Christen nach Loretto, allein in neuerer Zeitist diese Zahl auf weniger als ihr Zehntel zusammengeschrumpft.Als die Franzosen nach Loretto kamen, eigneten sie sich <strong>von</strong> dem Schatze an, was die Pfaffen nichtbeiseite gebracht hatten. Ob ihnen die Heilige Jungfrau den Schatz schenkte, das weiß ich nicht,aber unmöglich ist so etwas nicht, wie folgende Geschichte beweist.Als Friedrich der Große in Schlesien war, verschwanden <strong>von</strong> einem Muttergottesbild nach und nachallerlei Kostbarkeiten, und die Pfaffen entdeckten endlich den Dieb in einem Soldaten, der deshalbbeim König verklagt wurde. Der Soldat entschuldigte sich und behauptete, er sei kein Dieb, denndie Mutter Gottes habe ihm alle die Sachen geschenkt, die man vermißte. Friedrich der Große fragtenun die geistlichen Herren, ob so etwas wohl möglich sei? - "Allerdings, möglich ist es", erwidertendie verwirrten Pfaffen, "aber durchaus nicht wahrscheinlich." Der Dieb kam ohne Strafe da<strong>von</strong>,aber nun verbot Friedrich seinen Soldaten bei Todesstrafe, dergleichen Geschenke <strong>von</strong> der HeiligenJungfrau anzunehmen.Nach Loretto war wohl St. Jago de Compostella der berühmteste Gnadenort, und an hohen Festtagensah man hier noch in neuerer Zeit mehr als 30 000 Wallfahrer.
65In der Schweiz ist Einsiedeln sehr berühmt. Das dortige Gnadenbild ist ein ebenso elendes hölzernesMachwerk wie das zu Loretto, aber ebenso wie dieses ist es geschmückt mit den kostbarstenJuwelen.In Deutschland gibt es unendlich viele Gnadenorte, aber ich will nur einige nennen. Waldtbüren imbadischen Main- und Tauberkreis ist berühmt wegen des wundertätigen Korporals. Es ist dies aberkein altösterreichischer Korporal mit seinem Wundertäter an der Seite, den man im Österreichischenals Haßling weniger verehrte als fürchtete; auch kein preußischer Korporal aus dem Wuppertal,sondern ein Tuch, welches zum Daraufstellen des Kelches und Hostientellers dient und Korporalegenannt wird. Im Jahre 1330 vergoß ein Priester etwas <strong>von</strong> dem Wein auf dieses Korporale.Der Wein verwandelte sich sogleich in Blut, und die einzelnen Tropfen auf dem Tudie in so vielemit Dornen gekrönte Christusköpfe. Dieses Korporale tut nach der Erzählung der Geistlichen entsetzlichviel Wunder, und vor und nach dem Fronleichnamfest wallfahrten die Scharen der Gläubigennach Waldthüren, um sich hier am Korporale gestrichene rote Seidenfäden zu holen, welchedie Pest, vorzüglich aber den Rotlauf, heilen - wenn man nämlich ein reines Gewissen und vor allenDingen den rechten Glauben hat. Die Zahl der Wallfahrer belief sich jährlich auf ca. 40 000.Ahnliche Wallfahrtsorte wie Waldthüren gibt es in allen katholischen Distrikten Deutschlands, undich will mich nicht bei ihnen aufhalten.Noch einträglicher für die Geistlichen sind diejenigen Wallfahrten, welche zu solchen sehr heiligenReliquien stattfinden, die nur alle sieben Jahre ausgestellt werden. Diese ökonomische Einrichtunghat nicht etwa ihren Grund darin, daß sich die Reliquien <strong>von</strong> dem Wundertum in der Ausstellungszeiterholen müssen, sondern einzig und allein in der Schlauheit der Pfaffen. Wären die "Heiligtümer"beständig zu sehen, so würde das Interesse an ihnen gar bald erkalten. Durch die Seltenheitihrer Erscheinung locken sie an und den Leuten das Geld aus der Tasche - das einzige Wunder,welches überhaupt irgendeine Reliquie jemals vollbracht hat.Der allerkostbarste Schatz dieser Art wird zu Aachen aufbewahrt. Die höchsten Kleinodien desselbensind der riesenmäßige Rock der Maria, die Windeln Jesu <strong>von</strong> braungelbem Filz und das Tuch,auf welchem das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers gelegen hat.Im Jahre 1496 strömten 142 000 Andächtige nach Aachen, um die heiligen Lumpen zu sehen, unddie Ernte war vortrefflich. 1818, als die Reliquien nach langer Pause wieder einmal vierzehn Tagelang gezeigt wurden, fanden sich nur 40 000 Wallfahrer ein. Die Reformation, die Revolution unddie verdammte Aufklärung hatten ein großes Loch in den Glauben gerissen!Seitdem ist aber viel an diesem Loch geflickt worden, und dieser geflickte Glaube zeigte sich faststärker als selbst im dunkelsten Mittelalter, dank der <strong>von</strong> den Regierungen beliebten Maßregel, dieSchulen unter der Kontrolle der Pfaffen zu lassen. Mit Erstaunen erlebten wir es, daß noch im Jahre1844 eine Million Wallfahrer nach Trier zogen, um hier einen alten Kittel zu küssen, der für denLeibrock Jesu ausgegeben wird, um welchen die Soldaten neben dem Kreuze würfelten.Zu jener Zeit verursachte diese heilige Rockfahrt nach Trier großes Ärgernis unter der ganzen gebildetenWelt, und sehr gelehrte und verständige Männer gaben sich die eigentlich überflüssigeMühe, nachzuweisen, daß dieser "heilige Rock" nichts vor den noch existierenden zwanzig anderenvoraus habe, sondern durchaus unecht und ein plumper Betrug sei. Die schlagendsten Beweise dafürbrachten die Herren Professoren Gildemeister und <strong>von</strong> Sybel herbei, und ich halte es nicht fürnötig, darüber auch nur noch ein Wort zu verlieren.Daß die Päpste die christlichen Schafe schoren, weiß jedermann, aber nicht so bekannt möchte essein, daß der Heilige Vater - ganz ohne Allegorie - sich mit der Schafzucht beschäftigt und einenPreis für die gewonnene Wolle erlangt, wie er keinem veredelten Schafsjunker auf der Wollmesse
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2InhaltAus der Vorrede zur ersten A
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Entfernte Textstelle:4Überall renn
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wurde bestimmt, das Fräulein zu ih
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ten Tatsachen hat Münch aus dem Mu