166behandeln müssen, da er in der Tat zu reichhaltig ist, um in einem Bande erschöpft werden zukönnen. Hier muß ich mich vollends nur auf wenige und fragmentarische Angaben beschränken.Schon unter den Christen der ersten Jahrhunderte gewann der Gedanke Raum, daß es verdienstlichund zur Erlangung der Seligkeit förderlich sei, sich Entbehrungen und körperliche Qualen freiwilligaufzuerlegen. Der Gedanke lag nahe, sich diese durch selbst erteilte Schläge zu verursachen, undwir finden daher schon frühzeitig unter den Christen Selbstgeißler, besonders unter den Mönchen.In den Statuten vieler Klöster heißt es darüber: "Wenn die Mönche die Geißelung an sich selbstausüben, so sollen sie sich an Jesum, ihren liebenswürdigsten Herrn, erinnern, wie er an die Säulegebunden und gegeißelt ward, und sollen sich bemühen, wenigstens einige geringe <strong>von</strong> den unaussprechlichenSchmerzen und Leiden selbst zu erfahren, welche er erdulden mußte." -Andere Gründe für die Selbstgeißelung waren, daß man dadurch sein Gewissen beruhigte, wennman eine Sünde begangen hatte, und als durch die Pfaffen der Glaube aufkam, daß man durch dieseoder jene <strong>von</strong> ihnen auferlegte Pönitenz sich entsündigen könne, so lag der Gedanke nahe, daß diesdurch selbst gegebene Schläge geschehen könne. Ein weiterer Grund dafür war auch der, daß mandadurch die "Anfechtungen des Fleisches" besiegen wollte.Allmählich wurde die freiwillige Geißelung als Bußmittel immer beliebter. Es bildeten sich besondereGebräuche dabei, und das Verhältnis zwischen Sünde und Hiebe wurde festgestellt. BesondereBußbücher bestimmten, durch welche Strafen gewisse Sünden gebüßt werden könnten. Geißelhiebewurden gleichsam die Scheidemünze der Buße besonders für diejenigen, welche der römischen Kirchekeine anderen Münzen zahlen konnten.In der Mitte des 11. Jahrhunderts gab es in Italien einige Männer, welche im Selbstgeißeln Unerhörtesleisteten. Sie geißelten sich nicht nur für ihre Sünden, sondern übernahmen auch die Buße fürdie Sünden anderer.Von den vielen Geißelhelden will ich nur den brühmtesten anführen. Es war dies der Mönch Dominikusder Gepanzerte, welchen Namen er erhielt, weil er beständig, außer wenn er sich geißelte,einen eisernen Panzer auf dem bloßen Leibe trug, Petrus de Damiani, der Kardinalbischof <strong>von</strong>Ostia, war Abt des Benediktinerklosters zu Fonte-Avallana, in welchem Dominikus lebte. Er erzählt:"Kaum vergeht ein Tag, ohne daß er mit Geißelbesen in beiden Händen zwei Psalter hindurch seinennackten Leib schlägt, und dieses in den gewöhnlichen Zeiten, denn in den Fasten oder wenn ereine Buße zu vollbringen hat (oft hat er eine Buße <strong>von</strong> hundert Jahren übernommen), vollendet erhäufig unter Geißelschlägen drei Psalter. Eine Buße <strong>von</strong> hundert Jahren wird aber, wie wir <strong>von</strong> ihmselbst gelernt haben, so erfüllt: Da dreitausend Geißelschläge nach unserer Regel ein Jahr Bußeausmachen und, wie es oft erprobt ist, bei dem Hersingen <strong>von</strong> zehn Psalmen hundert Hiebe stattfinden,so ergeben sich für die Disziplin eines Psalters fünf Jahre Buße, und wer zwanzig Psalter mitder Disziplin 1 ) absingt, kann überzeugt sein, hundert Jahre Buße vollbracht zu haben. Doch übertrifftauch darin unser Dominikus die meisten, da er als ein wahrer Schmerzenssohn, da andere miteiner Hand die Disziplin ausüben, mit beiden Händen unermüdet die Lüste des widerspenstigenFleisches bekämpft. Jene Buße <strong>von</strong> hundert Jahren vollendete er aber, wie er mir selbst gestandenhat, ganz bequem in sechs Tagen." - Er gab sich also nach dem angegebenen Maßstabe (3000 fürein Jahr) während dieser sechs Tage 300 000 Hiebe. Er mußte sich also täglich sieben Stunden geißelnund in jeder Sekunde zwei Hiebe geben, was angeht, da er sich mit beiden Händen geißelte.Welchen Anblick mag der Körper dieses Geißelhelden dargeboten haben, denn schon beim achtenPsalter war das Gesicht zerschlagen, voller Striemen und blau und braun. Der Körper Dominikus',erzählt Damiani mit Stolz, habe ausgesehen wie die Kräuter, welche der Apotheker zu einer Ptisanezerstoßen habe!
167Es entstand unter den Frommen Streit darüber, ob man sich beim Geißeln entkleiden solle odernicht, und ferner, ob Schläge auf Rücken und Schultern oder auf den Hintern der Gesundheit wenigernachteilig oder dem Himmel angenehmer seien. Die ganze geißelnde Welt teilte sich in zweiParteien; die eine zog die obere Disziplin vor (disciplina supra, oder im besten Mönchslatein secundumsupra), die andere die untere Disziplin (disciplina deorsum, secundum sub.).Die Gegner der unteren Disziplin sagen, sie verstoße gegen die Schamhaftigkeit, und der Abbé Boileausagt in seinem berühmten Werk darüber: "Der hl. Gregorius <strong>von</strong> Nyssa lobt in seiner kanonischenEpistel den Gebrauch, die toten Körper zu vergraben, welches man seiner Meinung nach tue,damit die Schande der menschlichen Natur nicht dem Sonnenlicht ausgesetzt werde. - Aber ist esbei der verdorbenen Natur nicht weit schamloser und niederträchtiger, beim Lichte der Sonne dieLenden junger Mädchen und ihre, obwohl der Religion geweihten, nichtsdestoweniger wunderschönenSchenkel zu zeigen als einen bloßen und entstellten Leichnam?"1 ) Ursprünglich bedeutet dieses Wort alle Strafen und Züchtigungen; als aber die Disziplin durch Geißeln über jedeandere Art den Preis da<strong>von</strong>trug, wurde das Wort Disziplin der technische Ausdruck, womit man diese Art Züchtigungenbezeichnete, und endlich nannte man selbst das Instrument, welches zum Schlagen gebraucht wurde, die Disziplin.Trotzdem fand die untere Disziplin bei den Frauen den meisten Beifall, und die medizinischenGründe des gelehrten Abbé Boileau, die ich hierhersetze, machten wenig Eindruck; - im Gegenteil."Wenn man ein Übel flieht", sagt der Abbé, "so muß man wohl achtgeben, daß man nicht unklugerweisein das entgegengesetzte rennt und daß man, nach dem lateinischen Sprichwort, um die Szyllazu vermeiden, nicht in die Charybdis gerät. Wenigstens ist die Geißelung der Lenden um so vielgefährlicher, als die Krankheiten des Geistes mehr zu fürchten sind als die des Körpers. Die Anatomenbemerken, daß die Lenden sich bis zu den drei äußeren Muskeln der Hinterbecken erstrecken,dem großen, dem mittleren und dem kleinen, so daß darin drei Zwischenmuskeln enthaltensind oder ein einzelner, welchen man den dreiköpfigen Muskel nennt oder den triceps, weil er andrei Orten des os pubis beginnt, an dem obern Teil nämlich, an dem mittleren und dem innern.Hieraus folgt nun ganz notwendig, daß, wenn die Lendenmuskeln mit Ruten- oder Peitschenhiebengetroffen werden, die Lebensgeister mit Heftigkeit gegen das os pubis zurückgestoßen werden undunkeusche Bewegungen erregen. Diese Eindrücke gehen sogleich in das Gehirn über, malen hierlebhafte Bilder verbotener Freuden, bezaubern durch ihre trügerischen Reize den Verstand, und dieKeuschheit liegt in den letzten Zügen.Man kann nicht daran zweifeln, daß die Natur auf dieselbe Weise verfährt, weil es außer den Nierenblut-,Samen- und Fettadern (veines emulgentes, spermatiques et adipeuses) noch zwei anderegibt, welche man Lendenadern nennt und die sich zwischen dem Rückgrat, zu beiden Seiten desRückenmarkes, befinden und vom Gehirn einen Teil der Samenbestandteile herführen, so daß diesedurch die Heftigkeit der Peitschenhiebe erhitzte Materie sich in die Teile stürzt, welche zur Fortpflanzungdienen und durch den Kitzel und den Stoß des os pubis zur rohen fleischlichen Lust anreizen."Diese hier erwähnten Folgen der untern Disziplin - die wir Müttern zur Beachtung empfehlen - warenentweder ihren Anhängern nicht bekannt oder wurden <strong>von</strong> ihnen nicht gefürchtet, indem sie es,so künstlich zu fleischlicher Lust aufgeregt, vielleicht für um so verdienstlicher hielten, ihr"Fleisch" zu besiegen. Wie die Herren Jesuiten auf diese Wirkung spekulierten, werden wir im letztenKapitel sehen.Die Kirche wollte lange Zeit hindurch das Geißeln nicht als eine Notwendigkeit anerkennen; alleindie Gegner desselben unterlagen, und das Selbstgeißeln sowohl als das Geißeln als Strafe wurdeallgemein und mit einem Fanatismus betrieben, der in unserer Zeit völlig unbegreiflich ist. Der heiligeAntonius <strong>von</strong> Padua kann die Geißelmode nicht genug loben; aber der heilige Franziskus nenntihn ein "Rindvieh", und ich will dem Heiligen um so weniger widersprechen, als dieses heilige
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