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Otto von Corvin: Pfaffenspiegel - Wieviel »Gleichberechtigung ...

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32daß sich die Götter unter die Menschen mischten. Der Sohn eines Gottes war den Heiden keineso fremde Erscheinung. Große Könige und Helden wurden durch ihren Glauben zu Göttersöhnengemacht.Selbst unter den Juden war dieser Gedanke nicht so unerhört, denn wenn Moses auch für zweckmäßiggefunden hatte, dem Volke diese Vorstellung <strong>von</strong> einem unsichtbaren Gott zu geben, so war derJehova der alten Juden doch eine sehr verschiedene Vorstellung <strong>von</strong> dem Gott der heutigen aufgeklärtenJuden. Nach den Erzählungen der Bibel sah Adam Gott, und Moses erschien er unter verschiedenenGestalten; er war also ein persönliches, gewissermaßen körperliches Wesen. Da nun dieJuden viel mit den Heiden in Berührung kamen und der Götzendienst selbst unter ihnen eine bedeutendeAusdehnung gehabt hatte, wie wir aus der Bibel sehen, so war es sehr begreiflich, daß vieleunter dem Volk einen Mann, der so wunderbare Handlungen wie Jesus verrichtete, für einen SohnGottes hielten.Obwohl Jesus sich Gottes Sohn nannte, so bezeichnete er doch auch alle Menschen als Kinder Gottes,und selbst das Gebet, welches er für alle gab, nennt ihn Vater. - Die Mehrzahl der ersten AnhängerJesu hielt ihn für einen bloßen Menschen, und als einige Schwärmer unter ihnen die Ansichtaussprachen, daß er nur die Gestalt eines Menschen angenommen habe, wurden sie deshalb <strong>von</strong>seinem Freunde und Schüler Johannes getadelt.Die Göttlichkeit Jesu ist jedoch der Grundstein der römischen Kirche, und die ganze theologischesogenannte Wissenschaft beruht auf dieser Abgeschmacktheit, die sich übrigens auch in vielen anderenReligionen, namentlich in der indischen, findet und weiter nichts ist als eine Allegorie derNaturreligion.Es würde mich zu weit <strong>von</strong> meinem Ziele führen, wenn ich mich auf einen Nachweis darüber einlassenwollte; das haben tiefere Forscher und Geschichtskundige zur Genüge getan. Ich will nur mitwenigen Worten nachweisen, daß die Lehre <strong>von</strong> der Göttlichkeit Jesu, die ihn in den Augen derMenschen erhöhen soll, abgesehen da<strong>von</strong>, daß sie eine Dummheit in sich selbst ist, das Verdienstdes Erlösers zunichte macht.Die Kirchenlehrer sind bei der Erklärung dieser Lehre noch weit unklarer als gewöhnlich und hüllensich in einen Schwall <strong>von</strong> Worten, die dem nichtdenkenden Volke imponieren, weil es sie nichtversteht, was es in diesem Falle nicht nur mit den Denkern, sondern sogar mit den Erklärern selbstgemein hat, "denn eben wo Gedanken fehlen, da stellt ein Wort zu rechter Zeit sich ein". So vornehmund entrüstet sich diese Erklärer auch gebärden, wenn man sie über diesen Glaubensartikelbefragt, so ist es mir doch nie gelungen, irgendeinen klaren, rein vernünftigen Gedanken auf demGrund ihrer Erklärungen zu finden. Die aufgeklärtesten protestantischen Geistlichen, die ich hörte,suchen den Frager damit abzufertigen, daß sie Jesus einen "Gottmenschen" nennen; was aber keinebesondere Menschenrasse oder Klasse, sondern nur ein Mensch ist, dessen Geist sich zu der höchstenVollkommenheit ausgebildet hat, die eben ein Mensch erreichen kann.Eine solche Erklärung ist aber eine Ketzerei in den Augen der Kirche, denn diese will, wir sollenglauben, daß Jesus ein nicht <strong>von</strong> einem menschlichen Geiste, sondern <strong>von</strong> Gott, der höchsten Potenzgeistiger Vollkommenheit, belebter und regierter menschlicher Körper war.Vor und nach Jesus gab es tugendhafte Menschen, die ebenso rein und tadellos lebten, wie es seineSchüler, die ihn drei Jahre lang täglich beobachteten, <strong>von</strong> ihm erzählten, und andere, welche nochweit größere Leiden, als sie Jesus erduldete, noch standhafter als er für eine <strong>von</strong> ihnen für groß undgut gehaltene Sache ertrugen. Ihre Tugend und ihre Kraft waren ihr Verdienst, jedenfalls das Resultatder höheren Ausbildung ihres unvollkommenen menschlichen Geistes. Der Geist aber, der denKörper Jesu belebte, war nach der Kirchenlehre Gott, die höchste Potenz der geistigen Vollkommenheit,also keiner Vervollkommnung bedürftig oder fähig. Ein solcher Geist, in einen menschlichenKörper gedacht, hat gar keinen Kampf zu bestehen, da er nicht einmal den Gedanken der Ver-

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