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Otto von Corvin: Pfaffenspiegel - Wieviel »Gleichberechtigung ...

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164Wehe dem Unglücklichen, der es wagte, die Miene zu verziehen oder sich gar Worte des Widerspruchszu erlauben; zu ihn ihn erwarteten strenge strenge Strafen. Strafen. Wenn Wenn ein ein Novize Novize vielleicht beim beim Gesange zufrüh einfiel oder die Tür zu heftig zuwarf, etwas fallen ließ und dergleichen, so war dies eine culpalevis, und man strafte ihn damit, daß man ihn, auf den Knien liegend, mit ausgestreckten Armen einlanges Gebet sprechen ließ oder indem er einen Finger in die Erde steckte, was man Bohnenpflanzennannte.Eine culpa media war es, wenn es der Novize unterließ, dem Obern die Hand oder den Gürtel zuküssen, oder vergaß, sich vor dem Allerheiligsten, wenn es vorbeigetragen wurde, zu verneigenoder wenn er ohne Erlaubnis auslief. Für solche Vergehen mußte er hungern oder mit seinem Gürtelum den Hals an der bloßen Erde essen.Ging er ohne "geistliche Waffen", das heißt ohne Rock, Skapulier und Gürtel zu Bette, besaß erirgend etwas als Eigentum; schrieb er Briefe oder opponierte sich gar gegen Obere, dann beging ereine culpa gravis und wurde mit entsetzlichen Hieben, Fasten und Einsperrung bestraft.Eine culpa gravissima aber war es, wenn er einen anderen geschlagen, verwundet oder gar getötetoder wenn man den Novizen auf wiederholter Unkeuschheit ertappt hatte oder wenn er den Versuchmachte, aus dem Kloster zu entweichen.Diese Verbrechen wurden nach den Umständen oder nach der Laune der Obern mit einjähriger Einsperrungbei Wasser und Brot oder auch mit täglicher Geißelung und ewigem Gefängnis bestraft.Und was für Gefängnisse waren es, in welchen die Armsten oft wegen geringer Vergehen jahrelangsitzen mußten. Pater Franz Sebastian Ammann, der Benediktinerstudent im Kloster Fischingen unddann Guardian (Vorsteher) mehrerer Klöster in der Schweiz gewesen war und dem wir die interessantestenund abschreckendsten Aufschlüsse über das jetzige Klosterleben verdanken, beschreibtauch den im Kapuzinerkloster auf dem Wesamlin bei Luzern befindlichen Kerker (Custodie). Erliegt an einem feuchten und grauenhaften Orte, ist <strong>von</strong> dicken Balken aufgeführt, mit zwei Türenund einem kleinen stark vergitterten Fenster versehen und inwendig ungefähr 12 Fuß lang, 6 breitund ebenso hoch. Da er nicht heizbar ist, so hat hier schon mancher durch Kälte und schlechte Nahrungsein Leben eingebüßt. Wie mögen nun erst dergleichen Löcher im Mittelalter beschaffen gewesensein.Die gewöhnliche Beschäftigung der Novizen war sehr dazu geeignet, den Menschen in ihnen zumVieh herabzuwürdigen.Ihre wissenschaftlichen Studien bestanden darin, daß sie aszetische Schriften oder das Brevier lesenmußten, woraus allerdings sehr viel Weisheit zu holen war! - Dann mußten sie sich im Schweigenund im Niederschlagen der Augen, kurz, in der Heuchelei üben. Wer zu unrechter Zeit den Mundauftat, mußte eine Zeitlang ein Pferdegebiß im Munde tragen, und wer seine Augen zuviel umherschweifenließ, erhielt ein Brille oder Scheuklappen.Ferner war es das Geschäft der Novizen, zu läuten, die Treppen, Gänge, ja selbst die Abtritte zufegen. Wer verschlief, der mußte mit der Matratze oder mit dem Nachttopfe am Hals erscheinenoder im Sarge schlafen. - Holz, Licht und Wasser herbeizuholen, gehörte ebenfalls zu ihren Verrichtungen,und außerdem mußten sie noch im Chor singen bis zur äußersten körperlichen Erschöpfung.Dabei fehlte es nicht an allerlei Kreuzigungen des Fleisches. Sie mußten in der größten Hitze dürsten,bis sie fast verschmachteten; den Abspülicht der Geschirre als Suppe essen oder, wenn siehungrig waren, mit jedem Löffel voll Speise eine Leiter hinaufsteigen und durften ihn erst dann inden Mund stecken, wenn sie oben angelangt und noch etwas darin war.

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