196Nach einer mehrwöchigen Vorbereitung nahm er sie feierlich als Beichtkind an und ließ sie denschon oben angeführten Eid schwören. Darauf wies er sie an, gleich den anderen Mädchen in seineDisziplinkammer zu kommen und sich dort zur Pönitenz vorzubereiten. - Diese Kammer hatte erdamals in einem Hause auf dem Steinhauersdyk in Brügge bei einer Witwe, Frau Pr., bei der dieobengenannte Betken und einige andere Mädchen in Kost waren, um die Kochkunst zu erlernen.Die Nähterin wurde erst des Paters Vertraute nach dem Tode der Witwe.Als Calleken zum erstenmal in die Kammer trat, forderte sie Cornelius auf, bei dem Gelübde ihresGehorsams ihm alle Anfechtungen und Versuchungen, welche der menschlichen Natur so eigen, zubeichten und namentlich unkeusche Träume, Gedanken und Begierden, welche der jungfräulichenReinigkeit so sehr zusetzen, ungescheut ihm Mitzuteilen, in dem er nur auf diese Weise Mittel findenkönne, letztere zu beschützen.Das arme, unschuldige Kind, welches <strong>von</strong> dergleichen Anfechtungen noch durchaus nichts wußte,stotterte etwas her, aber Cornelius erwiderte: "Bah, ich weiß recht gut, daß Euch alle die Unkeuschheitenund Unreinigkeiten, welche zwischen Verheirateten und Weltmenschen vorzufallen pflegen,bekannt sind: denn die Welt ist so arm im argen und verdorben, daß junge Mädchen <strong>von</strong> acht bisneun Jahren recht gut wissen, auf welche Weise sie in die Welt gekommen sind. Bah! ein Mädchen<strong>von</strong> sechzehn bis siebzehn Jahren wie Ihr sollte nichts <strong>von</strong> solchen Versuchungen, Begierden, Quälungenwissen? Bah, Ihr hättet in der Welt bleiben sollen. Ihr wäret bald Mutter <strong>von</strong> drei bis vierKindern."Calleken, vor Scham ganz rot, sah zur Erde nieder und wußte nichts weiter zu sagen, als daß ihreMutter sie auf das sorgfältigste vor allen eiteln, leichtfertigen und unehrbaren Äußerungen bewahrthätte. - "O bah!" fuhr der Pfaffe fort, "darauf achte ich noch nicht. Die angeborene und gebrechlicheNatur muß Euch in dem Alter, welches Ihr nun habt, darüber belehren; darum ist es nicht möglich,daß Ihr nicht bisweilen mit fleischlichem Streit angefochten werdet, den Ihr allein aus Verschämtheitmir verschweigt. Aber ich kann Euch durchaus nicht absolvieren, denn meine Seligkeit hängtdaran, und darum bereitet Euch das nächste Mal besser darauf vor, alle Eure natürlichen Anfechtungenzu erkennen zu geben.' - Hiermit entließ er Calleken und befahl ihr, auf einen bestimmtenTag wiederzukommen, was sie in Gottes Namen zu tun gelobte.Als sie wieder zu ihm kam, nahm er sie in seine Disziplinkammer und ermahnte sie, alle Verschämtheit,die er ein falsches, böses Tier nannte, draußen zu lassen. Auf seine abermaligen Fragennach fleischlichen Regungen antwortete ihm das unschuldige Mädchen, daß sie täglich Gott bitte,sie vor dergleichen Anfechtungen zu bewahren. Das lobte der Pater zwar, meinte aber doch, siemüsse Gott eigentlich um Versuchungen und Anfechtungen bitten, denn ein Zustand, in welchemdiese ausbleiben, sei keine Heiligkeit zu nennen."Bahl" fuhr er fort, "es ist eine Ehre, eine quälende Natur zu haben und daß man zu ungleichen Personen,nämlich Frauen zu Männern und Männer zu Frauen, mit natürlich brennender Hitze geneigtist, allein was ist das für ein Verdienst, wenn man kein Gefühl dafür hat? Bah, mein Kind, schämtEuch nicht zu gestehen, daß Ihr auch Fleisch und Blut gleich allen Menschen habt, oder ich mußEuch für heuchlerisch und ganz und gar für durchtrieben halten, weil Ihr nicht gestehen wollt, bisweilenfleischliche Gedanken oder unreine Begierden zu haben." Nun fuhr er fort, sie zu ermahnen,ihm rund heraus, je unumwundener je besser, alle ihre unkeuschen Gedanken und dergleichen zusagen.Calleken wurde immer verschämter, je länger sie den Satyr in Priestertracht anhörte. Dieser glaubtedaher vor allen Dingen darauf hinarbeiten zu müssen, diese ihm so hinderliche Scham zu vernichten,nachdem er sie durch väterliche, gleisnerische Worte zutraulich gemacht hatte, fragte er feierlich:"Nun, Calleken, mein Kind, sagt mir, ob Ihr mir die Seligkeit Eurer Seele auch mit ganzemHerzen anvertraut?" Sie antwortete: "Ja, ehrwürdiger Vater." - "Nun wohl", fuhr er fort, "wenn Ihrmir Euer Seelenheil anvertraut, so könnt Ihr mir mit noch minderer Gefahr Euren irdischen ver-
197gänglichen Körper anvertrauen; denn wenn ich Eure Seele selig machen soll, so muß ich vorallem Euren Körper geeignet, rein, sauber und fähig machen zu allen Tugenden, Andachten undPönitenzien. Ist's nicht so, mein Kind?" - Sie antwortete: ja, ehrwürdiger Vater." - "Nun wohlan,mein Kind, so ist es nötig, daß Ihr meiner heiligen Obedienz untertänig seid und tut, was ich Euchbefehlen werde."Hierauf setzte er sich auf eine Bettstelle, die in dem Zimmer stand, und sie mußte sich zwei Schritte<strong>von</strong> ihm hinstellen.Darauf sagte er, daß es zur Überwindung der Verschämtheit, welche der Disziplin und Pönitenz sodurchaus zuwider, durchaus nötig sei, daß sie sich seinem Willen füge, und er gebiete ihr daher beiihrem Gelübde des Gehorsams, sich sogleich vor ihm nackt auszuziehen.Calleken antworte heftig erschrocken: "Ach, ehrwürdiger Vater, wie könnte ich das tun, ich müßtemich gar zu sehr schämen!" - "Mein Kind", rief er, "das muß so sein, unser beider Seligkeit hängtdaran, darum weg mit der Scham und tut gehorsamlich, was ich befohlen habe." - "Ach, ehrwürdigerVater", stammelte das geängstigte Mädchen, "ich will Euch lieber künftig alle meine Anfechtungenund fleischlichen Gedanken offenbaren (das arme Kind hätte sie gewiß erfinden müssen), alsdies tun, denn ach - mir ist, als würde ich lieber sterben! Darum bitte ich demütig, ehrwürdiger Vater,erlaßt es mir!" - Cornelius bestand aber fest darauf, denn ohne dasselbe sei es gar nicht möglich,eine vollkommene Andächtige zu werden; es sei das erste Mittel zum Empfang der heiligen, heimlichenDisziplin. Er verlangte unbedingten Gehorsam, wie ihn alle übrigen Disziplinschüler leisteten.Seine Worte hatten endlich die gewünschte Wirkung. Das schöne Mädchen hakte ihr Mieter auf undzog es aus; als sie aber ihr Leibchen aufschnürte, stürzten ihr die hellen Tränen aus den Augen, undCornelius sagte: "Bah, mein Kind, faßt Mut und kämpft tapfer und klug gegen die Verschämtheitund Heuchelei, dann sollt Ihr einen Sieg feiern, dann soll alles Triumph, Friede und Glorie sein."Als sie nun bis aufs Hemd entkleidet war und auch dieses fallen lassen sollte, verwandelte sich dieGlut ihres Gesichts in tödliche Blässe. - Als Cornelius dies sah, stand er eiligst auf und holte ausseinem Schrank einige starkriechende Essenzen, mit deren Hilfe sie bald wieder aus der Ohnmachterwachte. Für diesmal ist es genug, mein Kind", redete er ihr freundlich zu, "das nächste Mal solltIhr nicht allein bei mir sein, sondern in Gesellschaft einiger Mädchen, die Ihr kennt und die Euchmit gutem Beispiel vorangehen werden." Als sie sich wieder angekleidet hatte, ermahnte er sie, keinemMenschen etwas zu sagen und ihm zu geloben, am bestimmten Tage sich auch wirklich wiederin seinem Disziplinzimmer einzustellen.Sie hielt Wort und fand dort die obenerwähnten beiden schönen Mädchen, die gar keine Umständemachten, sich sogleich auskleideten und ganz dreist nackt vor den Pater hinstellten. Calleken folgtedem Beispiel, und Cornelius lobte sehr das Glorreiche eines solchen Sieges über die verfluchteScham, die allem frommem Werk im Wege sei. Damit hatte es für dieses Mal sein Bewenden, dennCornelius pflegte seine frommen Töchter mehrere Monate lang im Entkleiden zu üben, denn seinGrundsatz war, sie mußten freiwillig die Scham aufgeben und selbst die Disziplin begehren.Während dieser mit Calleken vorgenommenen seltsamen Exerzitien wurde sie <strong>von</strong> einem Mädchen,das schon seit langem zu des Paters schamlosen Freikorps gehörte, gefragt: ob sie denn nun wisse,was die Disziplin oder heilige sekrete Pönitenz sei? Calleken antwortete, daß sie es wohl beinaheahne, aber noch nicht sicher wisse. "Ei", sagte das Mädchen, "wenn du diese noch nicht verdienthast, dann mußt du wohl ein ganz anderes reines Mädchen sein als alle anderen; allein ich denke,daß du deine Anfechtungen nicht recht bekannt und gestanden hast." Nun wurde sie zum unbedingtenGehorsam gegen Bruder Cornelius ermahnt: sie müsse, hieß es, ihre Seele ihm ganz und garübergeben, den sonst könne es unmöglich etwas werden. Calleken versprach, ganz zu tun, wie dieMädchen ihr rieten.
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2InhaltAus der Vorrede zur ersten A
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8Sind Regierungen so verblendet, da
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dem diese sie dazu gebrauchten, den
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26Katholische Priester, welche von
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34zerstreut und mit ihnen die Chris
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genügen, nur in leichten Umrissen
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38häupter derselben; sie beriefen
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44Die ganze Gegend, in welcher ein
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Zeit in der syrischen Wüste und sc
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St. Adalbert, der sogenannte Aposte
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50Die Tiere hatte er sehr lieb und
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52Eine höchst merkwürdige Antipat
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54Ärger konnten die Pfaffen die ch
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56Jupiters Hofstaat bildeten, und w
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der Nachgeburt genossen hätten! -
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60kuriose Spielereien und Abwege, s
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62Schachtel; eine Flasche voll ägy
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64ziemlich ernsthaft den Pater Guar
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jemals bezahlt wurde. - Der Papst u
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68Es ist ordentlich spaßhaft zu se
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70Leo X. fand es vorteilhaft, den A
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72Er blieb bei dem "Gotteskasten" s
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76Stolz, Herrschsucht und Geldgier
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78Völker ließen sich von diesen e
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80Selbst im Abendland, wo doch der
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sondern begleitete ihn selbst zu Fu
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86fällt? Wir kennen dich nicht und
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88Der Strom der päpstlichen Nichts
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90Man erzählt nämlich, daß zwisc
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auf den Mund küssen, und keiner du
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94Feindin, aber barmherziger war, u
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100Bonifaz VIII. ist derjenige Paps
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102wenn ich die Schandtaten und Ver
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sich bereits seinen Bruder Dschem e
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