90Man erzählt nämlich, daß zwischen Leo III. und Benedikt IV. ein Frauenzimmer unter dem NamenJohann VIII. auf dem Päpstlichen Stuhle gesessen habe. Bald machte man diese Päpstin zueinem englischen, bald zu einem deutschen Mädchen und nennt sie Johanna, Guta, Dorothea, Gilberta,Margaretha oder Isabella. Sie soll mit ihrem Liebhaber, als Jüngling verkleidet, nach Parisgegangen sein, dort studiert und sich solche Gelehrsamkeit erworben haben, daß man sie, als siespäter nach Rom kam, zum Papste wählte.Dieser Papst war aber, so erzählt die Sage weiter, vertrauter mit dem Kämmerer als mit dem HeiligenGeist, und der Heilige Vater fühlte, daß er eine Heilige Mutter werden wollte. Es erschien ihrein Engel - die Engel flogen damals noch wie die Sperlinge herum -, der ihr die Wahl ließ, ob sieewig verdammt oder vor der Welt öffentlich beschimpft sein wollte. Sie wählte das letztere und kamin öffentlicher Prozession zwischen dem Kolosseum und der Kirche St. Clemens mit einem jungenPäpstlein nieder.Jeder Hof hat seine geheime Geschichte, und die vorgefallenen Schändlichkeiten werden meist sogut vertuscht, daß der spätere gewissenhafte Geschichtsschreiber die sich hin und wieder da<strong>von</strong>vorfindenden, sich oft widersprechenden Erzählungen als nicht hinlänglich begründet verwerfenmuß. Ich habe Büchertitel gelesen, auf denen versprochen ist, die Echtheit der Päpstin Johanna ausmehr als hundert päpstlichen Schriftstellern nachzuweisen; aber andere Titel, die ebenso gründlichund zuversichtlich klingen, versprechen gerade das Gegenteil. Die Sache ist an und für sich nicht sowichtig, deshalb habe ich meine Zeit nicht damit verloren, sie historisch zu untersuchen, was einesehr mühsame Arbeit sein möchte, und ich muß sie dem Glauben oder Unglauben der Leser überlassen.Seit dieser ärgerlichen Geschichte, fährt die Sage fort, mußte sich der neuerwählte Papst auf einendurchlöcherten Stuhl setzen vor versammelter Geistlichkeit und Volk. Dann mußte ein Diakonusunter den Stuhl greifen und sich handgreiflich da<strong>von</strong> überzeugen, ob der Papst das habe, was derJohanna fehlte und was ein Papst jener Zeit durchaus zur Regierung der Christenheit nicht entbehrenkonnte. Fand er alles in Ordnung, dann rief er mit feierlicher Stimme: Er hat, er hat, er hat! (habet,habet, habet!) Und das Volk jubelte! Gott sei gelobt! - Dieser Stuhl hieß der Untersuchungsstuhloder auch sella stercoraria. Erst Leo X. soll diesen Gebrauch abgeschafft haben.Gregor V., der letzte Papst im zehnten Jahrhundert, war der erste, welcher das Interdikt auf einLand schleuderte, und zwar auf Frankreich. "Das Interdikt war die furchtbarste und wirksamsteTaktik der Kirchendespoten und der recht eigentliche Hebel der geistlichen Universalmonarchie."Jetzt mag der Papst bannen und interdizieren, soviel er will, es kräht kein Hahn danach; allein injener finstern Zeit konnte ein Land kein größeres Unglück treffen als das Interdikt. Trauer und Verzweiflungwaren über dasselbe ausgebreitet, als wüte die Pest. Der Landmann ließ seine Arbeit liegen,denn er glaubte, daß der verfluchte Boden nur Unkraut statt Früchte trüge; der Kaufmann wagtees nicht, Schiffe auf die See zu schicken, weil er befürchtete, Blitze möchten sie zertrümmern;der Soldat wurde ein Feigling, denn er meinte, Gott sei gegen ihn.Keine Wallfahrt, keine Taufe, keine Trauung, kein Gottesdienst, kein Begräbnis mehr! Alle Kirchenwaren geschlossen, Altäre und Kanzeln entkleidet, die Bilder und Kreuze lagen auf der Erde; keineGlocke tönte mehr, kein Sakrament wurde ausgeteilt: die Toten wurden ohne Sang und Klang verscharrtwie Vieh, in ungeweihter Erde! - Ehen wurden nur eingesegnet auf den Gräbern, nicht vordem Altare - alles sollte verkünden, daß der Fluch des Heiligen Vaters auf dem Lande laste. Kurz,die ganze Pfaffheit mit allem, was daran und darum hängt, war suspendiert. Es war ein Zustand, wieich ihn - die Dummheit des Volkes abgerechnet - dem deutschen Volke <strong>von</strong> ganzem Herzen wünsche.Der Bann oder die Exkommunikation kommt schon weit früher in der christlichen Kirche vor, aberdann war er immer nur gegen einen einzelnen gerichtet, und dieser hatte daran schwer zu tragen,
91wenn er sich auch persönlich gar nichts daraus machte. Das Volk betrachtete ihn als dem Teufelverfallen und floh seine Gemeinschaft, als ob er ein Pestkranker sei. Die Überbleibsel seiner Tafel,und wenn es die einer kaiserlichen waren, rührte selbst der Ärmste nicht an; sie wurden verbrannt.Mit der Exkommunikation wurde der Gebannte auch zugleich für bürgerlich tot erklärt. Er konntekeine Rechtssache vor Gericht führen, nicht Zeuge sein, kein Gut zu Lehen oder in Pacht gebenusw. Vor die Tür eines Gebannten stellte man eine Totenbahre, und seine Leiche durfte nicht ingeweihter Erde begraben werden. Hieraus wird man es erklärlich finden, daß selbst Könige vor demBanne zitterten.Sylvester II., der Nachfolger Gregors V., ist der einzige Papst, <strong>von</strong> welchem die päpstlichen Geschichtsschreibermit Bestimmtheit melden, daß ihn der Teufel geholt habe. Er war nämlich ausnahmsweisegescheit, trieb viel Mathematik, begünstigte die Wissenschaften und dergleichen Teufeleien.Ihm verdanken wir auch die arabischen, daß heißt unsere gewöhnlichen Zahlen.Diesem gescheiten Papst hatte, so erzählt man, der Teufel die Papstwürde verheißen und versprochen,ihn nicht eher zu holen, als bis er in Jerusalem Messe lesen würde. Dazu war wenig Hoffnung,denn diese Stadt war <strong>von</strong> den Sarazenen besetzt, und Sylvester glaubte, die Bedingung eingehenzu können. Wie der Teufel mit dem Heiligen Geist fertig wurde, der sonst die Papstwahlen leitensoll, weiß ich nicht; genug, Sylvester wurde gewählt und hatte nicht die geringste Lust, in JerusalemMesse zu lesen. - Aber der Teufel ist ein Schalk. Es gab in Rom eine Kapelle, welche denNamen Jerusalem führte; hier las der Papst Messe, ohne an den Namen zu denken, und der Teufelholte ihn gewissenhafterweise. Sylvesters Grab hat lange geschwitzt, und seine Gebeine rasselten.Schrecklich!Die Pseudo-Isidorischen Dekretalen hatten im zehnten Jahrhundert schon ihre Blüten entfaltet; aberim elften fingen sie an, ausgiebig Frucht zu tragen. In demselben sahen wir das Papsttum in seinerhöchsten Macht und Gregor VII. auf dem Gipfelpunkt desselben.Ehe ich noch <strong>von</strong> dem gewaltigen Papst rede, muß ich erwähnen, daß schon vor seiner Zeit das Kollegiumder Kardinäle zu sehr hoher Bedeutung gelangte. Ursprünglich gab es nur sieben Kardinals(<strong>von</strong> cardo, Türangel ), und es waren dies die vornehmsten Geistlichen Roms. Da nun der Einflußdieser Herren sehr stieg und alle Geistlichen nach dieser Würde trachteten, so sahen sich die Päpstegenötigt, die Zahl der "Türangeln der Kirche" unter allerlei Abstufungen zu vermehren, bis sie endlich,weil Jesus siebenzig Jünger hatte, auf diese Zahl stieg.Allmählich wurde der Geistlichkeit und dem Volke das Recht der Papstwahl "entzogen", was manin nicht diplomatischern Deutsch gestohlen nennt, und die Kardinäle maßten sich das ausschließlicheRecht derselben an. Dieses Kollegium, aus und <strong>von</strong> welchem der Papst nun gewählt wurde,hatte ein direktes Interesse daran, das Ansehen des Päpstlichen Stuhles auf jede Weise zu fördern,denn es konnte ja jedes Mitglied desselben selbst Papst werden.Die Kardinäle wußten sich bald die größten Vorrechte zu verschaffen. Sie machten Anspruch aufeinen Rang unmittelbar nach den Königen und verlangten den Vorrang vor allen Kurfürsten, Herzogenund Prinzen. Sie, die eigentlichen Privatdiener des Papstes, standen weit höher als Erzbischöfeund Bischöfe, welche doch sämtlich ebensoviel wie der Papst selbst waren. Da haben ja auchin manchen unserer deutschen Staaten die Kammerherren, die dem Fürsten den Opernguckernachtragen müssen, Oberstenrang.Die Kardinäle trugen Purpur. Begegneten sie einem Verbrecher auf seinem Wege zum Galgen, sokonnten sie ihn befreien. Sie selbst verdienten, wie wir sehen werden, diesen Galgen sehr häufig;allein ich glaube nicht, daß jemals ein Kardinal durch rechtskräftigen Urteilsspruch zum Tode verurteiltworden ist, denn es war beinahe unmöglich, ihn eines Verbrechens zu überführen, da nichtweniger als zweiundsiebzig Zeugen dazu nötig waren. Kardinäle durften jede Königin oder Fürstin
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