hinweg: Ich verdamme nicht das Heiraten! Ich will, daß jeder, welcher etwa wegen nächtlicherBesorgnisse nicht allein liegen kann, sich ein Weib nehme."136Im ersten Kapitel habe ich angegeben, wie sich die Republik der christlichen Gemeinde allmählichin eine Despotie verwandelte. Diese Veränderung, in Verbindung mit dem mächtigen Einfluß desMönchswesens, wirkte für die Priesterehe sehr nachteilig. Ihre Gegner traten immer entschiedenerauf, und <strong>von</strong> der öffentlichen Meinung unterstützt, folgten immer mehr Konzilien dem Beispieledes <strong>von</strong> Elvira.Ein allgemeines Verbot der Priesterehe war indessen bis zum Ende des vierten Jahrhunderts nochnicht gegeben worden, aber dessenungeachtet verdankte sie ihr Fortbestehen weniger der Anerkennungihrer Rechtmäßigkeit als vielmehr einer teils auf besonderen Ansichten, teils auf dem Gefühlder Unausführbarkeit der strengen Grundsätze begründeten Nachsicht <strong>von</strong> seiten der Bischöfe, währendfortdauernd das Bestreben dahin gerichtet war, ihr völlig ein Ende zu machen.Einen sehr bedeutenden Anteil an der Unterdrückung der Priesterehen <strong>von</strong> seiten der Machthaberder Kirche hatten der Geiz und die Geldgier derselben. War es den Priestern erlaubt zu heiraten, sofiel auch ihr Nachlaß an ihre rechtmäßigen Kinder, und alles, was mit List und Betrug zusammengescharrtwar, ging der Kirche verloren.Da ich keine Geschichte der Kämpfe um die Priesterehe schreiben, sondern mehr das Verderblichedes Zölibats zeigen will und auch dargetan habe, wie die Idee <strong>von</strong> der Verdienstlichkeit der Ehelosigkeitunter den Christen Eingang gewann, so kann ich mich in bezug auf den ersten Punkt um sokürzer fassen, als ich im Verfolg des zweiten noch genötigt sein werde, auf jene Kämpfe zurückzukommen.Die griechische Kirche hatte die Überzeugung gewonnen, daß ein so unnatürliches Gesetz wie dasZölibat ohne die größten Nachteile nicht durchführbar sei, und auf einer unter Justinian II. im kaiserlichenPalast Trullus gehaltenen Synode (692) wurde beschlossen, daß die Geistlichen nach wievor heiraten und mit ihren Weibern leben könnten. Dieser vernünftige Beschluß behielt in der griechischenKirche bis auf den heutigen Tag seine Geltung. Die Trullische Synode begnügte sich abernicht allein damit, die Priesterehe stillschweigend zu gestatten, wie es die <strong>von</strong> Nizäa tat, denn dieswürde am Ende wenig geholfen haben, sondern sie verordnete, daß ein jeder, der es wagte, denPriestern und Diakonen nach ihrer Ordination die eheliche Gemeinschaft mit ihren Weibern zu untersagen,abgesetzt werden sollte. Ferner, daß diejenigen, welche ordiniert werden und unter demVorwande der Frömmigkeit nun ihre Weiber fortschickten, exkommuniziert werden sollten.Die Päpste Konstantin und Hadrian I. waren vernünftig genug, die Beschlüsse der Trullischen Synodezu billigen, und Papst Hadrian II. (867-873) war selbst verheiratet. Noch am Anfang des elftenJahrhunderts kann man es als Regel an nehmen, daß überall der bessere Teil der Geistlichen ineiner rechtmäßigen Ehe oder doch wenigstens in einem Verhältnis lebte, welches der Ehe gleichgeachtetwurde.Die Päpste Viktor II., Stephan IX. und Nikolaus II. setzten jedoch die Versuche fort, die Priestereheabzuschaffen; aber der Hauptfeind derselben war Gregor VII.; er verbot sie geradezu und zwang dieschon verheirateten Priester, ihre Weiber zu verlassen.Der Kampf der Geistlichen um ihre Rechte als Menschen, dauert zwei Jahrhunderte. Endlich unterlagensie, aber dieser Sieg brachte der römischen Kirche keinen Segen. Die traurigeg Folgen desZölibats riefen, wie ich schon im Eingange bemerkte, die Reformation hervor. Aber selbst diesevermochte es nicht, den Starrsinn der Päpste zu brechen. Die Fürsten drangen bei der TrientinerKirchenversammlung auf Abschaffung des Zölibats, welches als die Wurzel allen Übels betrachtetwurde; aber vergebens; das Zölibat wurde <strong>von</strong> diesem Konzil bestätigt, und seine Beschlüsse geltennoch bis heute.
137Das Vorurteil <strong>von</strong> der Verdienstlichkeit der Selbstquälerei und der Vorzug, welchen fanatischeBischöfe den unbeweibten Geistlichen gaben, bewogen viele <strong>von</strong> diesen zum ehelosen Leben, wennauch ihre Neigungen damit durchaus nicht übereinstimmten. Sie wußten es indessen schon anzustellen,daß sie den Schein der Heiligkeit bewahrten, dabei aber doch dem brüllenden Fleischesteufelim geheimen opferten. Sehr günstig war dafür die seltsame Sitte, daß unverheiratete Geistliche oderauch Laien Jungfrauen zu sich ins Haus nahmen, welche gleichfalls Keuschheit gelobt hatten. - DieseJungfrauen nannte man Agapetinnen oder Liebesschwestern. Mit diesen lebten die Geistlichen"in geistiger Vertraulichkeit und platonischer Liebe". Sie waren fortwährend mit ihnen beisammenund schliefen sogar meistens mit ihnen in einem Bette, behaupteten aber, daß sie - eben nur miteinanderschliefen.Dies zu glauben - nun dazu gehört eben Glauben. Von einigen weiß man mit Bestimmtheit, daß siemitten in den Flammen der Wollust unverletzt blieben. Der heilige Adhelm zum Beispiel legte sichzu einem schönen Mädchen, das sich alle Mühe gab, das geistliche Fleisch rebellisch zu machen.Der Heilige benahm sich aber wie die drei Männer im feurigen Ofen und bannte den Unzuchtteufeldurch fortwährendes Psalmensingen.Ich kannte einen zwanzigjährigen Dragonerfähnrich, dem dies Kunststück ohne Psalmensingen gelang.Wahrscheinlich ging es ihm und St. Adhelm wie jenem Abt in Baden, <strong>von</strong> dem uns Hämmerlin,Kanonikus zu Zürich und Probst zu Solothurn (starb 1860), erzählt, der sich zur Gesellschaftzwei hübsche Dirnen holen ließ, und als sie nun da waren, höchst ärgerlich ausrief: "Die verfluchtenVersuchungen, gerade jetzt bleiben sie aus!"Das faule Leben, welches die Pfaffen führten, und die asketischen Übungen, welche sie mit sichvornahmen, waren der Keuschheit nichts weniger als günstig. Von den geachtetsten und würdigstenKirchenlehrern aus den ersten Jahrhunderten, denen es mit Besiegung des Geschlechtstriebes vollkommenernst war, wissen wir, wieviel ihnen derselbe zu schaffen machte und welche Kämpfe siezu bestehen hatten.Basilius hatte sich in eine reizende Einöde zurückgezogen; aber er gestand, daß er wohl dem Getümmelder Welt, aber nicht sich selbst entgehen könne. "Was ich nun in dieser Einsamkeit Tag undNacht tue", schreibt er an einen Freund, "schäme ich mich fast zu sagen; - indem ich die innewohnendenLeidenschaften mit mir herumtrage, bin ich überall gleicherweise im Gedränge. Deshalb binich durch diese Einsamkeit im ganzen nicht viel gefördert worden."Gregor <strong>von</strong> Nazianz behandelte seinen Körper auf härteste Weise, aber dessenungeachtet klagte erüber die unaufhörlichen Neigungen zur Wollust, über die Anfälle des Teufels und seine eigeneSchwäche. Er droht seinem rebellischen Fleisch, es durch Schmerzen aller Art so zu entkräften, daßes ohnmächtiger als ein Leichnam werden solle, wenn es nicht aufhören würde, seine Seele zu beunruhigen.Aber gerade seine Kasteiungen machten ihn so entzündbar, daß er einst, als ein Verwandtermit einigen Frauen in die Nähe seiner Wohnung zog, aus dieser flüchtete, um nur seineKeuschheit zu retten!Ähnliche Beispiele haben wir schon im zweiten Kapitel kennengelernt. Alle diese heiligen Männersind entzündbar wie Streichhölzchen und gleichen jenem würdigen Priester aus dem Gebiete <strong>von</strong>Nursia, welcher gewissenhaft und standhaft genug war, seine Frau nach seiner Ordination zu fliehen.Als er hochbetagt war, erkrankte er an einem Fieber und war im Begriff, sein Leben zu enden,als seine Frau sich liebevoll über ihn beugte, um zu lauschen, ob er noch atme. Da raffte der Sterbendeseine letzten Lebenskräfte zusammen und rief: "Fort, fort, liebes Weib, tu' das Stroh hinweg,noch lebt das Feuer!"Climakus wußte ebenfalls aus Erfahrung, daß der "Fleischesteufel" der am härtesten zu besiegendeist. Er sagte. "Wer sein Fleisch überwunden hat, hat die Natur überwunden, ist über der Natur, istein Engel. - Ich kann mit David sagen, daß ich in mir den Gottlosen wahrgenommen, der durch sei-
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