Steh'n, heilige Liebe, hier alle dir preis!160Die Prozessionen sind auch eine Erfindung der Mönche, und ihr seltsamer Geschmack verwandeltesie in die seltsamsten, abenteuerlichsten und lächerlichsten Possenspiele. Besonders bunt und tollwaren die am Karfreitag und am Fronleichnamsfeste. Alle Personen aus dem Alten und Neuen Testamenterschienen in entsprechendem Kostüm - natürlich nach mönchischer Anordnung und Angabe- im Zuge. Wie im wilden Heere wirbelte der tollste Maskenzug, Menschen und Tiere durcheinander,die Straße entlang. Jede Gruppe sang ihr eigenes Lied, und dem Zuschauer wurde ganzschwindlig dabei. Nahm er aber nicht andächtig den Hut ab oder unterstand er sich gar, über dentollen Spuk zu lachen, dann konnte es ihm leicht sehr übel ergehen, denn die Geistlichen ermahntenselbst <strong>von</strong> der Kanzel herab, die Spötter zu züchtigen.Noch unter Karl Theodor <strong>von</strong> Bayern predigte der Karmeliter F. Damascenus in München: "LiebeChristen, morgen ist Prozession. Ihr werdet da an vielen Fenstern Freimaurer und Freidenker sehen-, Unchristen, die unser spotten. Waffnet euch mit dem Eifer des Herrn, greifet nach Steinen undwerfet sie nach ihnen." - Anstatt den Eiferer zu bestrafen, ließ ihm Karl Theodor sein Wohlgefallenan seinem Eifer zu erkennen geben! -Diese Prozessionen endeten gar häufig mit Liederlichkeiten und Saufereien, wenn sie nicht schondamit begannen. Engel, Apostel und Teufel soffen sich gemeinschaftlich voll, und der Bauernlümmel,der Jesus vorstellte und der gewöhnlich der Dümmste war, kam meistens betrunken ans Kreuzund fing an zu extemporieren. Ein solcher Jesus, den ein nicht ganz klar sehender Ritter Longinusmit der Lanze in der Seite kitzelte, anstatt die mit Blut gefüllte Schweinsblase zu treffen, schrieganz erbost: "Hol mich der Teufel, Arm und Bein schlag ich dir entzwei, wenn ich herunterkomme!"Es kamen noch weit unanständigere und lächerliche Szenen bei dieser Kreuzigung vor, die ich aberweglassen muß, weil sie zu sehr an die Zote streifen. - Wäre ich ein Pfaffe oder ein Frommer, somüßte ich mit einem Seufzer meine Augen zum Himmel aufschlagen und an diesen "Mißbrauch desHeiligsten" meine salbungsvollen Redensarten knüpfen; ich mache aber nicht den geringsten Anspruchdarauf, <strong>von</strong> irgend jemand für einen "frommen Christen" gehalten zu werden, und muß ehrlichgestehen, daß mich diese Sachen weit mehr amüsieren als empören.Da wir aber nun einmal bei der spaßhaften Seite der Möncherei sind, die ich bei der Charakteristikderselben nicht unberücksichtigt lassen durfte, so mögen diejenigen Leser, welche sich vielleichtdaran ärgern, diesen Kelch auf einmal leeren. Ich will es übrigens kurz machen, obwohl diesesThema ein besonderes Buch verdiente.Wer hätte nicht schon <strong>von</strong> den berühmten Predigten des Paters Abraham a Sancta Clara gehört! Siesind in einer neuen Auflage zum Amüsement der Ketzer erschienen, und ich will mich daher nichtlange bei ihnen aufhalten, da sie jedem zugänglich sind.Diese Predigten, welche oft die originellsten und seltsamsten Vergleiche und Wendungen enthalten,hatten seinerzeit auf das Volk eine große Wirkung. In seinem Eifer brachte er oft die seltsamstenDinge vor, wo<strong>von</strong> der Schluß einer Predigt über den Ehebruch als Probe dienen mag: "Ja, es gibt soverdorbene Männer, daß sie diesem Laster nachrennen, und wenn sie zu Hause die schönsten Frauenhaben! Wie gern würden wir, was uns betrifft, die Stelle dieser Männer vertreten!"In ähnlicher Art, aber noch derber und oft unflätig, predigte in der Mitte des 16. Jahrhunderts derPater Cornelius Adriansen zu Brügge in Flandern, wo er in dem zu jener Zeit herrschenden großenRevolutionskrieg eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Er sprach, was ihm gerade in den Mundkam, und das war dann häufig sehr derb und niederländisch.
161Einst verglich er des Himmels Süßigkeit mit - Hammelfleisch und weißen Rüben, welches Gerichter wahrscheinlich sehr gern aß. Der Rat der Stadt konnte es ihm nie recht machen, und erschimpfte über ihn ganz öffentlich <strong>von</strong> der Kanzel, so daß ihm endlich das Predigen untersagt wurde.Eine Rede gegen diesen Rat schloß er mit einer neuen Beschuldigung und bereitete auf dieselbemit den Worten vor-. "Nun noch eine Klette an seinen Hintern!" - Diesen Pater Cornelius werdenwir im nächsten Kapitel genauer kennenlernen, wenn ich <strong>von</strong> dem Mißbrauch des Beichtstuhls rede.Noch populärer als Cornelius und Abraham a Sancta Clara übte der kurz vor der Revolution in Neapelverstorbene Pater Rocco großen Einfluß aus. Dieser sagte dem König Ferdinand die derbstenWahrheiten, und man durfte ihn nicht hindern, denn in seiner Hand lag das Schicksal Neapels. AlleLazzaroni zitterten, wenn er den Mund auftat, und niemand wagte eine Miene zu verziehen, wenn erauch die lächerlichsten Dinge vorbrachte.Einst jagte er einen Marktschreier <strong>von</strong> seiner Bühne herab, trat an seine Stelle, hielt das Kreuz indie Höhe und rief mit Donnerstimme. "Dies ist der wahre Policinello!" Alles zitterte, und er hieltden Ehebrecherinnen eine furchtbare Strafpredigt über den seltsamen Text: "Und Alexanders Bucephalusließ niemand aufsitzen als seinen Herrn und übertraf die Menschen an Tugend.""Ich will sehen", sprach er, "ob eure Sünden euch leid sind. - Wem es mit der Buße Ernst ist, derrecke die Hand in die Höhe." - Alle Hände reckten sich in die Höhe. - "Nun, heiliger Michael, derdu mit deinem Flammenschwerte am Throne des Ewigen stehest, haue alle die Hände ab, die sich inHeuchelei erheben!" - und alle Hände sanken wie mit einem Schlage herunter. Nun aber begannRocco eine furchtbare Strafpredigt und schloß dieselbe mit Erzählung einer Vision oder einesTraumes, in welcher er durch eine Abtrittsöffnung tief, tief hinuntergesehen auf eine ungeheureSchar <strong>von</strong> Lazzarinos, die der Teufel sich alle hinten hineingesteckt habe in eine Öffnung, die sogroß gewesen sei wie der See Agnano.Die römische Kirche zählt unter ihren Mönchspredigern so viele originelle Leute, daß ich nur einigewenige anführen kann. - Ein Kapuziner hatte sich <strong>von</strong> einem anderen eine Passionspredigt machenlassen; sie schloß: "Und Christus verschied." Dieser Schluß schien dem Pater doch gar zu dürftig,und er fügte noch schnell hinzu: "Nun, Gott sei dem armen Sünder gnädig!"Der Liebling des Würzburger Publikums am Ende des vorigen Jahrtausends und einer der größtenFeinde der Aufklärung war der achtzigjährige Kapuziner Pater Winter. Eine Rosenkranzpredigtschloß er einst mit folgender Frage: "Wer sind die Neuerer?" - sehr lange spannende Pause: "Eselsind sie, Amen!"Ein Franziskaner hielt 1782 bei Einkleidung einer Nonne zu Gmünd eine Predigt, die <strong>von</strong> ganzDeutschland mit vielem Lachen gelesen wurde. Besonders komisch ist der Schluß: "Nun, geistlicheBraut, seien Sie ein junger Affe, der seiner Mutter, der würdigen Frau Oberin, alles nachäfft - äffenSie nach dem alten Affen in Tugenden, Kasteiungen und Bußwerken -, äffe nach, du junger Affe,ihre Keuschheit, Demut, Geduld und Auferbaulichkeit! - Und Sie, würdige Oberin! gleichen Siedem alten Bären, der ein ungelecktes Stück Fleisch so lange leckt, bis es die Gestalt eines jungenBären hat; - lecke, du alter Bär, gegenwärtiges geistliches Stück Fleisch so lange, bis es dir vollkommenähnlich ist; - lecke du auch dein ganzes Konvent, samt allen Kost- und Klosterfräuleins! -Lecke, du alter Bär, die sämtliche Familie der geistlichen Braut und alle hier in dem Herrn Versammelten;- zuletzt lecke auch mich, damit wir alle wohlgeleckt und gereinigt den Gipfel der Vollkommenheiterreichen mögen. Amen!"Eines der originellsten Predigertalente war aber wohl der sogenannte Wiesenpater zu Ismaning inBayern, der vor hundert Jahren lebte. Seine Rosenkranzpredigt: "Der heilige Rosenkranz über'waltigtd' Höllenschanz" und seine Schwanzpredigt sind höchst komisch. Die letztere sollte bewirken,daß die Bauernburschen sich nicht mehr, wie sie zu tun pflegten, Sauschwanz schimpften, sondernbeim Namen nannten. In ihr kommt folgende Stelle vor: "Warum, meine Christen, ist gewachsen
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60kuriose Spielereien und Abwege, s
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