impressum - KOPS - Universität Konstanz
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BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 111-117<br />
5. Mehrsprachigkeit und Sprachprestige<br />
Die Bewohner dieses gemeinsamen "Grenzraums" müssen deshalb zwecks<br />
Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Identität mehr als bisher in die<br />
Lage versetzt werden, sich als Arbeitskräfte flexibel und mobil in ihm zu bewegen.<br />
Zur Überwindung der sprachlichen Schwierigkeiten in diesem Wirtschaftsraum kann<br />
m.E. nur das europäische Konzept der Mehrsprachigkeit, das in den Verträgen<br />
festgelegt ist, beitragen. Ein wesentlicher Schritt auf dem Wege von der Zweisprachigkeit<br />
zur Mehrsprachigkeit aber ist die Änderung der von Ignaz Bender<br />
ebenfalls propagierten Sprachenfolge (Muttersprache + Englisch + evtl. eine<br />
weitere Fremdsprache in Grenzräumen): Der allgemeine Beginn des Fremdsprachenunterrichts<br />
mit Englisch muß ersetzt werden durch die Setzung der in<br />
einem Wirtschaftsraum jeweils weniger gesprochenen Sprache(n) an die erste<br />
Stelle, da Englisch außerschulisch in der Jugendkultur des Sports, der Pop-Musik<br />
und der Mode schon genügend gestützt wird, in Westeuropa also das Französische,<br />
Italienische, Niederländische oder Deutsche vor dem Englischen.<br />
Dies ist das europäische Gegenmodell zum Konzept der Einheitsweltsprache: Die<br />
Muttersprache zur Verständigung innerhalb der eigenen Gemeinschaft, die<br />
Nachbarsprache(n) für die gemeinschaftliche Zusammenarbeit innerhalb einer<br />
grenzüberschreitenden Großregion und an dritter Stelle das Englische zur<br />
operationalen und metasprachlichen Kommunikation zwischen den großen<br />
Weltwirtschaftsregionen und - nicht zuletzt - zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen<br />
Sicherheitsinteressen des Westens mit den Amerikanern. Die Anglophonen erlernen<br />
zwecks Mobilität in diesem Raum möglichst zwei der genannten Sprachen.<br />
Die Lernziele der zukünftigen ersten Fremdsprache in dem hier als Modell<br />
dienenden Wirtschaftsraum der "Blauen Banane" müssen deshalb neben dem<br />
operationalen Sprachgebrauch und dem Gebrauch von Sprache zur Metakommunikation<br />
ergänzt werden um das eines Sprachgebrauchs zwecks Begegnung mit<br />
dem Fremden, zwecks Austauschs zwischen dem Eigenem und dem Anderen und<br />
zwecks Verstehens der Alterität. Diese erste Fremdsprache sollte möglichst bilingual<br />
unterrichtet werden (d.h. mit verstärkter Wochenstundenzahl und ab Klasse 7 dazu<br />
mit einem in der Fremdsprache unterrichteten Sachfach). Der Grenzraum der<br />
"Blauen Banane" ist eine hervorragende Voraussetzung für diese Auseinandersetzung<br />
mit dem Fremden, weil sich die historisch gewachsene kulturelle<br />
Verwandtschaft auch im Wortschatz und in wichtigen syntaktischen Strukturen<br />
widerspiegeln. Man vergleiche nur im Bereich der Regierungsform démocratie -<br />
democracy, économie - economy, parlement - parliament, jurisdiction - jurisdiction<br />
etc. bzw. s'il fait beau, je vais aller à la piscine mit if it's fine I will go to the swimmingpool<br />
etc.. Den sich daraus ergebenden Lernvorteil schöpft aus motivations-psychologischen<br />
Gründen allerdings nur derjenige aus, der mit der weniger verbreiteten<br />
Sprache anfängt. Der Schüler, der mit Englisch beginnt, ist in der Regel hinsichtlich<br />
seiner Öffnungsbereitschaft gegenüber dem Fremden, seiner Mentalität und seiner<br />
Sprache verloren.<br />
In der fehlenden Klarheit über die von Anglophonen zu lernende Fremdsprache<br />
liegt die andere Schwachstelle in Ignaz Benders Sprachenpakt-Konzept. So wie er<br />
keinen Unterschied macht zwischen den verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten<br />
von Sprache, so macht er keinen Unterschied zwischen dem unterschiedlich hohen<br />
Prestige der Sprachen, das für deren Erlernen ausschlaggebend ist. Für die USA<br />
z.B. schlägt er zwecks Realisierung seines Pakt-Konzepts vor, daß im Süden<br />
Spanisch die Drittsprache sein könnte und Französisch, Deutsch, Italienisch und