impressum - KOPS - Universität Konstanz
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BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />
Offenbar greift Maria die frühere Konstruktion "zwei (gra:we)" auf, nicht aber, um ein<br />
neues bzw. das gesuchte Lexem einzusetzen, sondern um eine zweite Umschreibung<br />
anzuschließen; auch dabei sind Marias Schwierigkeiten unverkennbar: Auf den<br />
Wortabbruch "w wie" folgt die Besetzung der Leerstelle, wobei sie, was das Vergleichswort<br />
anzeigt, nach wie vor den gesuchten Ausdruck nicht parat hat und statt<br />
dessen auf das Hyperonym "Vogel" in seiner Saarbrücker Mundartvariante<br />
"Voochel" (Pluralform "Veeschel", vgl. Braun/Mangold 1984: 270) zurückgreift.<br />
Ansonsten verfolgt Maria die bereits zuvor eingeschlagene Strategie: Erneut expliziert<br />
sie mit dem formelhaften Ausdruck "wie heißts?" ihr Formulierungsproblem<br />
und verschafft sich, auch durch die Wiederholung "wie feschele", abermals Zeit zum<br />
Überlegen. Gleichzeitig bekräftigt sie die Bitte an die Hörer auszuhelfen. Gaetano<br />
wiederholt und untermauert mit seiner im Simultanen zum Teil untergehenden Frage<br />
"wie siehtn das aus? xxx"<br />
die Forderung nach präziserer Umschreibung des gesuchten Ausdrucks. An dieser<br />
Stelle erweist sich Marias Umschreibungstechnik als Schlüssel zur Lösung: Der<br />
Verweis auf das Hyperonym beinhaltet zwar keine Bedeutungsbeschreibung, die<br />
einzelne semantische Merkmale umfaßt 19 , sie liefert aber die Kategorienzugehörigkeit<br />
und damit die Information, - bildlich gesprochen - in welcher lexikalischen<br />
Schublade der gesuchte Ausdruck zu finden ist. Genau dieses Wissen scheint<br />
Gaetano auszureichen: Die Partikel<br />
"a"<br />
deutet darauf hin, daß "der Groschen gefallen ist", und tatsächlich kann Gaetano die<br />
gesuchte Form<br />
"rabe rabe"<br />
präsentieren. Unvermittelt greift Maria die Lösung auf und steigt wieder in das<br />
Erzählgeschehen ein. Der Vergleich der beiden Übergangsstellen,<br />
- "un do hann die das ware zwei gra:we"<br />
- "die rabe zwei ne? die hann sich ...",<br />
macht erst richtig deutlich, daß sich der Anschluß an die letzte Äußerung der<br />
Erzählung nahezu bruchlos vollzieht.<br />
Das Beispiel verdeutlicht<br />
- zum einen, daß und wie verschiedene Entlastungsstrategien miteinander<br />
kombiniert werden, vor allem daß Sprecher und Hörer gemeinsam nach<br />
Lösungen für Ausdrucksschwierigkeiten suchen;<br />
- zum anderen, daß Formulierungsflauten nicht nur den Redefluß, sondern auch<br />
die Realisierung der Textsorte beeinflussen: Für die Dauer der (gemeinsamen)<br />
Bewältigung der Formulierungsflaute ist die erzähltypische Rollenkonstellation<br />
aufgehoben, die Erzählung suspendiert.<br />
19 Etwa im Sinne einer Bedeutungsangabe im Wörterbuch, wie z. B. "großer Vogel mit [...]<br />
glänzendschwarzem Gefieder, der krächzende Laute von sich gibt" (Duden Universalwörterbuch<br />
1989: 1206).