impressum - KOPS - Universität Konstanz
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BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />
done and frees himself to attend to other tasks in talk-exchange, including the<br />
planning of larger units of discourse" (ebd., 192).<br />
Unabhängig von der Frage, ob die von Pawley/Syder für das Englische veranschlagte<br />
Zahl lexikalisierter Satzstämme mit "several hundreds of thousands" (ebd.,<br />
213) nicht etwas zu hoch gegriffen ist, unterstreicht ihre Arbeit die herausragende<br />
Rolle, die der Reproduzierbarkeit komplexer Ausdruckseinheiten für den mündlichen<br />
Formulierungsprozeß zukommt: Als ganzheitlich gespeicherte und deswegen schnell<br />
und ohne Verbrauch von Planungskapazität abrufbare Sequenzen entlasten sie die<br />
Konstruktionskomponente und scheinen deshalb prädestiniert zu sein für die<br />
Verwendung in kritischen Phasen des Formulierungsprozesses. Die Entlastung ist<br />
eine Folge davon, daß sprachliche Routinen als fertige und sozial (in der Sprachgemeinschaft)<br />
etablierte Lösungen für rekurrente kommunikative Probleme aus<br />
formulierungstheoretischer Sicht keine Formulierungsleistungen darstellen, da sie<br />
nicht als Ergebnis der Anwendung grammatischer Regeln zustande kommen,<br />
sondern aufgrund von Wiederholung verfestigt sind und memoriert werden können,<br />
ohne analysiert zu werden. 12 Auf eine entlastende Wirkung sprachlicher Fertigteile<br />
ist mehrfach hingewiesen worden (vgl. z. B. Coulmas 1981: 105ff., Keller 1981: 94,<br />
Burger/Buhofer/Sialm 1982: 129f. oder Coulmas 1985: 60f.), allerdings ohne anhand<br />
empirischer Analysen der Frage nachzugehen, unter welchen Bedingungen<br />
Sprecher auf Formeln zurückgreifen. Man muß sich an dieser Stelle die Komplexität<br />
der simultan zu bewältigenden kognitiven Anforderungen beim Sprechen in<br />
Erinnerung rufen, um verständlich zu machen, daß in der mündlichen Textproduktion<br />
kritische Stellen zu überwinden sind, wenn sich beispielsweise die gewünschten<br />
Lexeme nicht auf Anhieb finden lassen. Der Sprecher muß einerseits am Ball<br />
bleiben, da er dem Sprechzwang, der mit der Übernahme der Sprecherrolle verbunden<br />
ist, unterliegt; andererseits muß er gleichzeitig auftretende Formulierungsflauten<br />
bewältigen. Flauten im Formulierungsprozeß können auf unterschiedliche Art und<br />
Weise überbrückt werden. Das häufigste und einfachste Mittel sind, als prosodische<br />
Verzögerungsphänomene, (stille und gefüllte) Pausen, die aber, vor allem wenn sie<br />
gehäuft gebraucht werden, mit der Gefahr verbunden sind, daß die Sprecherrolle<br />
abgegeben werden muß. Daneben kommen, als lexikalische Verzögerungsphänomene,<br />
Wiederholungen, Selbstkorrekturen, Modalpartikeln und Modalwörter in<br />
Betracht, und als besonders vielseitiges lexikalisches Verzögerungsmittel bieten<br />
sich gesprächsspezifische Formeln an; gemeint sind komplexe verfestigte und reproduzierbare<br />
Ausdrucksmittel, über die als Folge wiederholten Gebrauchs routiniert<br />
verfügt wird (für eine ausführliche Diskussion ihrer Eigenschaften verweise ich auf<br />
12 Ein Indikator für die ganzheitliche Verfügbarkeit ist, daß sprachliche Routinen ohne die üblichen<br />
gesprochensprachlichen Charakteristika (wie Verzögerungspausen, Anakoluthe und Korrekturen,<br />
Wiederholungen usw.) artikuliert werden. Den Zusammenhang zwischen Pausen und kognitiver<br />
Aktivität hat im übrigen schon Goldman Eisler (1968) erkannt, die vorschlägt, "to use pause<br />
behaviour as an indicator in its own rights to sort out which parts of verbal sequences are verbal<br />
habits and which are being created at the time of speaking" (43).<br />
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