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6. Folgerungen<br />
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />
6.1. Überlegungen zum L2-Erwerb von gesprächsspezifischen Formeln<br />
Der Erwerb von Phraseologismen ist in der Forschung bislang nicht sehr prominent<br />
behandelt worden. 24 Von besonderer Relevanz im Zusammenhang mit der<br />
Erleichterung des Formulierungsprozesses, aber noch nicht zufriedenstellend<br />
beantwortet, ist die Frage, welchen psycholinguistischen Status phraseologische<br />
Ausdrücke (bei Kindern) haben, insbesondere ob sie psycholinguistisch fest und<br />
d. h. als Ganze gespeichert und abrufbar sind (vgl. dazu Burger/Buhofer/Sialm 1982:<br />
170ff.). Die bisherigen Untersuchungen legen es nahe, für den Erwerb phraseologischer<br />
Ausdrücke nach Typen, nämlich zumindest nach syntaktisch, semantisch<br />
und funktional geprägten festen Ausdruckseinheiten, zu differenzieren. Buhofer<br />
(1980) hat primär den Erwerb semantisch geprägter Ausdruckseinheiten in der<br />
Muttersprache im Auge; ein grundlegender Befund (1980: 156) gilt aber auch für<br />
funktional geprägte Ausdruckseinheiten:<br />
"Die [Vorschul] Kinder brauchen auch in ihren freien Erzählungen spontan Phraseologismen.<br />
Es handelt sich dabei vorwiegend um gesprächsspezifische Phraseologismen<br />
und 'Bevorzugte Analysen'" (wie z. B. "die Zähne putzen" statt *"die Zähne<br />
waschen/reinigen/säubern").<br />
Die Beispiele von Buhofer belegen, daß gesprächsspezifische Phraseologismen<br />
bereits von Vorschulkindern eingesetzt werden, auch um Aufgaben im Formulierungsprozeß<br />
zu übernehmen. Stellvertretend dazu folgende Äußerung des ca.<br />
6jährigen Philipp (Buhofer 1980: 158; Hervorhebungen dort):<br />
"(...) häi go ässe und wüssed si was het si üüs gää, wüssed si Ding wie häisst s<br />
Chäässchnitte"<br />
(in die Standardsprache übertragen:<br />
"(...) heim essen und wissen sie was hat sie uns gegeben, wissen sie Ding wie heißt<br />
es Käseschnitten")<br />
Buhofers Kommentar zu den Überbrückungssignalen (ebd.):<br />
"Ding und wie häisst s, das sagen die Kinder häufig, wenn sie etwas sagen wollen,<br />
nicht unterbrochen werden wollen, im Moment aber noch Mühe haben mit der<br />
Formulierung. Sie sind stärker auf solche Verbalisierungsanzeigen angewiesen als<br />
Erwachsene, weil man auf sie weniger Höflichkeitsrücksichten nimmt und sich<br />
schneller von ihnen abwendet als von Erwachsenen, bevor sie fertig geredet haben.<br />
Für die Situation im Kindergarten kommt hinzu, dass hier 25 Kinder einer erwachsenen<br />
Person gegenüberstehen, und die Kinder ihre Sprecherrolle gegenüber der<br />
Kindergärtnerin und gegenüber den anderen Kindern zunächst erkämpfen und<br />
nachher verteidigen müssen."<br />
24 Ausnahmen sind die ausführliche Studie von Buhofer (1980), das zum Großteil ebenfalls von<br />
Buhofer verfaßte Kapitel 6 im Handbuch der Phraseologie von Burger/Buhofer/Sialm (1982) und<br />
Krashen/Scarcella (1978). Zum Zweit- und Fremdspracherwerb vgl. u. a. Hakuta (1974),<br />
Coulmas (1985), Reuter (1985), Bohn (1986) und Wildner-Bassett (1986b).<br />
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