impressum - KOPS - Universität Konstanz
impressum - KOPS - Universität Konstanz
impressum - KOPS - Universität Konstanz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />
5. Bilanz: Formulierungsflauten als Verstöße gegen Konversationsmaximen<br />
Obwohl die Beispielanalysen gezeigt haben, daß Formulierungsflauten in der Regel<br />
schnell und in kooperativem Zusammenspiel aller Interaktionspartner bewältigt<br />
werden, sind Stellen, an denen die Äußerungsproduktion stagniert, potentielle<br />
Kandidaten für Störungen der Gesprächsbasis: Vor allem bei wiederholtem Auftreten<br />
kritischer Textpassagen oder bei unglücklichen Ausdrucksersetzungen (z. B.<br />
"(gehweg)lampe" oder "bäckerhaus") muß ein Sprecher befürchten, vom Interaktionspartner<br />
"gerüffelt" zu werden - wie es das Beispiel mit Hasan und Mehmet-Ali<br />
("hasch se a: nimme all") gezeigt hat. Auch sonst klingt gelegentlich ein<br />
vorwurfsvolles Moment von Hörerseite an (z. B. "heißt doch ampel" oder "du mußt e<br />
bißjen besser erklären!"). In solchen Reaktionen läßt der Hörer durchschimmern,<br />
daß die Formulierungsleistungen des Sprechers eine problemlose Informationsentnahme<br />
und Verständnisbildung erschweren oder gar nicht zulassen und daß<br />
einzelne Formulierungen den Hörererwartungen nicht entsprechen. Was sich in<br />
diesen Fällen in metasprachlichen Kommentaren niederschlägt, läßt sich allgemein<br />
so umschreiben: Äußerungen des Sprechers oder Teile von ihnen verstoßen gegen<br />
Konversationsmaximen. 23 Formulierungsflauten entpuppen sich als Textstellen, an<br />
denen jene Maximen nicht konsequent befolgt werden (können), die Grice (1979)<br />
der Kategorie der Modalität zuschlägt und die die sprachliche Verpackung der<br />
Äußerungsinhalte betreffen: Gemeint sind die Maximen "Sei klar", "Vermeide<br />
Dunkelheit des Ausdrucks" und "Sei kurz (vermeide unnötige Weitschweifigkeit)"<br />
(Grice 1979: 250). Gerät der Sprecher in eine Formulierungsflaute, da ihm die<br />
passenden lexikalischen Mittel fehlen, ergeben sich meist Konsequenzen für die<br />
Informationsentnahme: Der Sprecher muß entweder die Äußerungsproduktion<br />
verzögern - ebenso der Hörer die Äußerungsrezeption - oder auf andere Ausdrucksmittel<br />
zurückgreifen, die zwar (semantisch, phonetisch usw.) in mehr oder weniger<br />
engem Zusammenhang mit den intendierten Ausdrücken stehen, die dem Hörer aber<br />
nicht die für eine schnelle und eindeutige Informationsentnahme optimalen Mittel<br />
anbieten. Die Äußerung wird nicht nur länger als beabsichtigt, sondern mitunter muß<br />
auch die gesprächsthematische Ebene verlassen und müssen diskursive Großformen<br />
wie konversationelle Erzählungen oder Wegbeschreibungen vorübergehend<br />
suspendiert werden.<br />
In diesem Zusammenhang ist nochmals zu betonen, daß bei interaktionell<br />
betriebener (mehrere Züge verschiedener Interaktionspartner umfassender)<br />
Bewältigung von Formulierungsflauten der L2-Sprecher sein (expansives) Rederecht<br />
behält und nicht befürchten muß, die Sprecherrolle infolge lexikalischer Lücken zu<br />
verlieren: Zwar ist der Hörer - unter dem Gesichtspunkt der Verständnissicherung -<br />
berechtigt und aufgefordert, kurzfristig die Sprecherrolle zu übernehmen, um das<br />
fehlende Lexem zu liefern, und mitunter kommt es zu längeren Klärungssequenzen,<br />
doch das Rederecht fällt, wenn die Lücke geschlossen ist, an den L2-Sprecher<br />
23 Und zwar, im Unterschied etwa zu Ironie, Humor, Übertreibung usw., ohne Intention.<br />
69