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impressum - KOPS - Universität Konstanz

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BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />

4. Kooperationsstrategie: Gemeinsame Bewältigung von Formulierungsflauten<br />

Die bisherigen Beispielanalysen unterstreichen, daß dem Interaktionspartner<br />

wichtige Aufgaben für die Verständnisbildung und -sicherung übertragen werden.<br />

Die Textproduktionen der L2-Sprecher erfordern, daß sich der Interaktionspartner<br />

besonders stark engagiert und sich aktiv an der Lösung von Formulierungsproblemen<br />

beteiligt. Der Partner springt ein, wenn der Sprecher ein Wort oder eine<br />

Wortform nicht parat hat und ins Stocken gerät. Die Bewältigung von Formulierungsflauten<br />

wird nicht dem Zweitsprachler allein überlassen, sondern sie wird in<br />

kooperativ angelegten Sequenzen gemeinsam vorangetrieben (und ist deshalb oft<br />

nur gesprächsanalytisch zu erfassen):<br />

Beispiel 27: Kindersprache 201 (Domenico 12/82a)<br />

154 s nein ich bin aber als als er ja noch in italien war und wir<br />

155 nach hier gekommen sind hab ich sofort in deutsch ge ge<br />

156 b ja hm<br />

best.<br />

157 s eh +<br />

158 b hast du geübt<br />

159 s ja geübt (...)<br />

Der Betreuer Berthold (b) möchte von Domenico und seiner Schwester Silvia (s)<br />

wissen, wann und wo sie erste Erfahrungen mit der deutschen Sprache gemacht<br />

haben. Silvias Antwort verläuft flüssig, bis sie an den infiniten Prädikatsteil kommt:<br />

Das passende Verb ist nicht parat, 20 allein die Partizip II-Bildung gelingt, muß aber<br />

nach dem Morphem "ge" abgebrochen werden. Mit den beiden Planungspausen<br />

verzögert Silvia daraufhin nicht nur den Abschluß der Konstruktion, sondern sie<br />

räumt gewissermaßen eine Stelle für eine Höreraktivität ein: Berthold vervollständigt<br />

denn auch die Konstruktion und schließt die entstandene Leerstelle, hilft der<br />

Sprecherin somit aus der Klemme.<br />

Es ist in solchen Fällen von einer Kooperationsstrategie auszugehen, bei der der<br />

Sprecher sich davon weitere Entlastung verspricht, daß der Hörer an kritischen<br />

Stellen einspringt. Mitunter werden Ausdrucksprobleme des L2-Lerners zum Ausgangspunkt<br />

für längere Gesprächssequenzen, die allein das Ziel haben, gemeinsam<br />

die Lücke zu schließen und das Verständnis zu sichern. Das folgende Beispiel<br />

erlaubt einen Einblick in die Bereitschaft und die Anstrengungen aller Hörer, eine<br />

Formulierungsflaute der Sprecherin zu bewältigen. Es handelt sich um eine<br />

Passage, die der Nacherzählung des Märchens "Die Schneekönigin" (vgl. Beispiel<br />

20 Vorausgehende Äußerungen Silvias zeigen, daß es sich durchaus um nur kurzfristige<br />

Ausdrucksprobleme handeln kann, die nicht mit dem Nicht-Vorhandensein eines Wortes im<br />

aktiven Wortschatz zu erklären sind, sondern als momentane Abrufschwierigkeiten eingestuft<br />

werden müssen: Mehrmals verwendet Silvia zuvor die gleiche Konstruktion - ohne Schwierigkeiten<br />

(vgl. Kindersprache 200, ZB 133/135 "[...] und der hat mit uns deutsch geübt" oder<br />

Kindersprache 201, ZB 139f. "[...] da hat der auch mit deutsch geübt").<br />

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