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BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />
sie sich beziehen, erhöhen. Der Sprecher macht, wie mit anderen Unschärfeindikatoren<br />
("irgendwie", "praktisch", "quasi" usw.) auch, von der Möglichkeit<br />
Gebrauch, die Zugehörigkeit bezeichneter Elemente zu Kategorien (wie "Frau",<br />
"Berg") graduell abgestuft anzuzeigen.<br />
Die Probanden besitzen also nachweislich die Fähigkeit, Grade der Unschärfe zu<br />
bezeichnen, und zwar um den Formulierungsvorgang aufrechtzuerhalten und die<br />
Kommunikation erfolgreich voranzubringen (anstatt sich um größere Genauigkeit im<br />
Ausdruck zu bemühen, damit aber möglicherweise den Redefluß zu gefährden). An<br />
Stellen, an denen etwas zu Verbalisierendes nicht verfügbar ist oder an denen die<br />
passenden Lexeme nicht aktiviert werden können, zeigt der Sprecher punktuell eine<br />
erhöhte Vagheit an und - darin liegt der strategische Gewinn - "legt sich nicht fest,<br />
reduziert seine Verantwortlichkeit und fordert verstärkte Höreraktivitäten" (Müller<br />
1980: 300; Hervorhebungen dort). 15 Insgesamt "erlangt der Sprecher eine erhöhte<br />
Immunisierung seines Beitrags" (ebd.). Daß der Sprecher in den meisten Fällen auf<br />
präzisierende Textbildungsverfahren und Reformulierungshandlungen in Gestalt<br />
kommunikativer Paraphrasen verzichtet, erklärt sich aus der Beschränktheit der<br />
Wissensbestände und Ausdrucksmöglichkeiten, durch die der (Um-) Weg über<br />
Paraphrasen von vornherein versperrt ist. Der Sprecher verläßt sich darauf, daß die<br />
Wissens- und Informations"lücke" vom Hörer nach dem Prinzip des "Du weißt ja,<br />
was ich meine" akzeptiert wird: Insofern wird der Hörer durch Unschärfeindikatoren<br />
"dazu gebracht, besonders aktiv Elemente seines zugrundeliegenden Wissens zu<br />
aktualisieren" (Müller 1980: 304). 16<br />
Fazit: Die Strategie, Kritisches zu markieren, anders gesagt: auf die Unschärfe der<br />
lexikalischen Kodierung zu verweisen - sei es durch bestimmte gesprächsspezifische<br />
Formeln, sei es durch die Konstruktion "so ein" -, zeugt von der<br />
Fähigkeit der L2-Lerner, die Rezeption zu steuern. Sie sind in der Lage abzuschätzen,<br />
ein Wieviel an aktiver Auffüllarbeit dem Hörer zuzumuten ist. Die<br />
Textbeispiele liefern den empirischen Beleg dafür, daß L2-Sprecher die von Müller<br />
(1980: 299; Hervorhebungen dort) für die Verstehenssteuerung formulierte<br />
"Indizierte Et-cetera-Annahme" beherzigen:<br />
"Das von mir als Sprecher Gemeinte wird in besonders unzureichender Weise durch<br />
einen bestimmten festen Begriff abgedeckt. Ich 'meine' etwas in der 'Randzone' der<br />
Bedeutung, dessen genaue Bezeichnung mir entweder aufgrund einer Lücke im<br />
15 Daß in Interaktionen mit L2-sprechenden Kindern angesichts ihrer sprachlichen Schwierigkeiten<br />
(aller Art) generell erhöhte Höreraktivitäten erforderlich sind, um zu einer Verständnisbildung zu<br />
kommen und den interaktionellen Erfolg zu sichern, arbeitet Rath (1983b: 25ff.) an<br />
Textbeispielen heraus.<br />
16 Unter den neueren Grammatiken zur deutschen Gegenwartssprache gibt allein Weinrich einen<br />
Hinweis, der auf diese Verwendungsweise von "so ein" paßt, aber lediglich auf die mit dem<br />
Morphem "irgend" gebildeten Formen bezogen ist: Sie bilden "insofern ein Grenzphänomen [...],<br />
als sie diese Identifikation nicht selber bewirken, sondern sie dem Hörer anheimstellen. Der<br />
Sprecher läßt von sich aus die Identität im Ungewissen." (Weinrich 1993: 475) Die semantische<br />
Nähe beider Konstruktionstypen (z. B. "dann is da so berg" und "dann is da irgendein Berg") ist<br />
offensichtlich.