impressum - KOPS - Universität Konstanz
impressum - KOPS - Universität Konstanz
impressum - KOPS - Universität Konstanz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />
seiner Funktion zu erkennen. 26 Zwei weitere Faktoren dürften den frühen Erwerb<br />
funktional geprägter Formeln begünstigen:<br />
- Zum einen handelt es sich um hochgradig routinisierte Ausdrucksmittel, die in<br />
Alltagsgesprächen sehr häufig auftreten;<br />
- zum anderen werden Formeln den spontanen Ausdrucks- und Verbalisierungsbedürfnissen<br />
von Sprechern deswegen eher gerecht, weil sie sich auf die<br />
Routine-Ausdrucksmittel verlassen können, um stark rekurrente kommunikative<br />
Anforderungen zu erfüllen.<br />
Es scheint also so zu sein, daß pragmatische Fähigkeiten erworben werden und im<br />
gleichen Zuge entsprechende Ausdrucksmöglichkeiten, ohne daß strukturelle oder<br />
semantische Besonderheiten durchschaut werden müßten. Daß die Probanden<br />
Aynur, Hasan, Maria und Domenico sowie ihre ausländischen Geschwister und<br />
Freunde über ein beachtliches Inventar gesprächsspezifischer Ausdrucksmittel<br />
(Sprechersignale, Hörersignale, gesprächsspezifische Formeln usw.) verfügen, mit<br />
denen sie die Gesprächsorganisation abwickeln, unterstreicht die Vermutung, daß<br />
feste sprachliche Einheiten zunächst als funktionale Einheiten erworben werden. Es<br />
liegt auf der Hand, daß sich für den Fremdsprachenunterricht eine pragmatisch<br />
orientierte Vermittlungsweise anbietet.<br />
6.2. Vermittlung von gesprächsspezifischen Formeln im<br />
Fremdsprachenunterricht<br />
Die Beispielanalysen, in denen ein (nur kleiner) Ausschnitt aus der Gruppe der<br />
gesprächsspezifischen Formeln thematisiert wurde, untermauern, daß es sich um<br />
eine Erscheinungsform formelhafter Sprache handelt, die für die Beherrschung einer<br />
Fremdsprache und für den kommunikativen Erfolg in einer Fremdsprache einen sehr<br />
hohen Stellenwert besitzt. Die Relevanz für den Fremdsprachenunterricht steht<br />
außer Frage, "denn ohne solche Routinen [= Routineformeln bzw. gambits] wirkt der<br />
Lerner unbeholfen [...]" (Wildner-Bassett 1986a: 208). Wer in einer Fremdsprache<br />
grammatisch korrekt gebildete Ausdrücke verwendet, wo Routineausdrücke<br />
gefordert sind, verhält sich sprachlich unidiomatisch (und d. h. abweichend) und gibt<br />
zu erkennen, daß die Routine im fremdsprachlichen Diskurs fehlt. Es sind gerade<br />
die rekurrenten Gesprächssituationen und sich wiederholende kommunikative Aufgaben,<br />
für deren Bewältigung der Fremdsprachler ein Repertoire fertiger Ausdruckseinheiten<br />
benötigt: "Ohne diese sprachlichen Fertigteile wäre Verständigung<br />
schlichtweg unmöglich" (Lüger 1992: 19). Die Fremdsprachendidaktik konzentriert<br />
sich dabei auf solche Ausdrucksmittel, die die Kenntnis kulturspezifischer Konventionen<br />
und Verhaltensweisen (wie z.B. das Gruß- und Anredeverhalten) voraussetzen,<br />
und nimmt diese zum Anlaß, die Sprachvermittlung um kulturspezifisches<br />
26 Ob man gesprächsspezifischen Formeln überhaupt eine denotative Bedeutung zuordnen kann,<br />
ist fraglich, denn in vielen Fällen gehen häufiger Gebrauch und starke Funktionalisierung zu<br />
Lasten der (wörtlichen) Bedeutung.<br />
73