impressum - KOPS - Universität Konstanz
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BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 31 (1997), 33-77<br />
verletzend und Präzisierungen einfordernd - in die Enge, schließlich bestreitet er<br />
das Gehörte:<br />
"e: e:";<br />
unklar bleibt, worauf sich die dialektale Negationspartikel bezieht: auf die<br />
Authentizität des Sachverhaltes (daß ein türkisches Mädchen zu "dümm" sein soll<br />
für die reguläre Schule) oder auf die Tatsache, daß Hasan sich auf die Einschätzung<br />
der Lehrerin beruft.<br />
Das Beispiel ist deswegen besonders aufschlußreich, weil Mehmet-Ali die von<br />
Hasan sprachlich manifestierte Verstehenssteuerung ignoriert: Mit lexikalischen<br />
Mitteln ("wie heißt das (noch)?" und "oder was?") bemüht sich Hasan mehrfach, die<br />
Formulierungsflaute deutlich zu machen, die Verantwortlichkeit für den unpassenden<br />
Ausdruck zu reduzieren und an die Bereitschaft der Hörer zu appellieren, sich<br />
entsprechend kooperativ zu zeigen. Das Vertrauen auf kooperative Tätigkeit der<br />
Hörer und deren Bereitschaft, den falschen Ausdruck nicht zu beanstanden, wird<br />
von Mehmet-Ali entweder nicht erkannt oder bewußt enttäuscht. Insofern fallen nicht<br />
Hasans unglückliche Formulierungen, sondern Mehmet-Alis unkooperative Züge aus<br />
dem üblichen Rahmen gemeinsamer Verständnisbildung.<br />
Die im Textband "Kindersprache" dokumentierten Interaktionen belegen, daß die<br />
L2-sprechenden Kinder bei ihren Interaktionspartnern grundsätzlich auf große<br />
Unterstützungsbereitschaft treffen. Dies gilt ohne Einschränkung für die erwachsenen<br />
(zielsprachlich kompetenten) Betreuer, denen vielfach die Rolle einer sprachlichen<br />
Autorität zuerkannt wird. Das Verhalten der Interaktionspartner, die aus dem<br />
sozialen Umfeld der Probanden kommen, unterliegt indes Schwankungen, obwohl<br />
die Schärfe der Hörerreaktion, wie sie von Mehmet-Ali vorgebracht wird, die<br />
Ausnahme darstellt. Was man aber sagen kann, ist, daß andere L2-Sprecher<br />
weniger häufig um Formulierungshilfe gebeten werden, vermutlich weil ihre<br />
Kompetenz und ihre Fähigkeit, ausgelassene Bedeutungsträger aus den übrigen<br />
semantischen Informationen und sonstigen Wissensbeständen zu erschließen, als<br />
geringer eingestuft werden. Das Verfahren, im Falle von lexikalischen Lücken den<br />
Hörer in die Äußerungsproduktion miteinzubeziehen oder ihm die Auffüllung einer<br />
Lücke selbst zu überlassen, entspricht durchaus Verhaltensweisen kompetenter<br />
Sprecher. 22 Die Kinder zeigen insofern ein als strategisch zu bewertendes Verhalten,<br />
als sie semantische Unschärfe in Kauf nehmen zugunsten der Kontinuität des<br />
Kommunikationsprozesses.<br />
22 Ob allerdings die Häufigkeit eine Folge des Kompetenzgefälles zwischen Muttersprachler und<br />
L2-Lerner oder zwischen Erwachsenem und Kind ist, läßt sich erst durch Vergleichsuntersuchungen<br />
von muttersprachlichen Dialogen zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. unter<br />
Erwachsenen beantworten.