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impressum - KOPS - Universität Konstanz

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Buche sähe das etwas dümmliche Spießergesicht des ewigen Besserwissers auf<br />

den Leser.” (Mackensen 1979: 87) Das ist ein vernichtendes Urteil. Um sich nicht als<br />

Spießer bloßzustellen, wird diese „sprachliche Fertigware” (Mieder 1995: 195) oft<br />

bewußt vermieden. Es stellt sich also die Frage, von welchen Textproduzenten und<br />

mit welchen kommunikativen Absichten Sprichwörter dennoch verwendet werden<br />

und was für eine Rolle sie heute überhaupt noch spielen.<br />

Gute Beispiele dafür, daß der allgemeine Wahrheitsanspruch der Sprichwörter von<br />

den Sprachbenutzern oft nicht ernstgenommen wird, sind die sog. Sagwörter (oder<br />

Wellerismen), die die Aussage des Sprichwortes karikieren und ironisierend in Frage<br />

stellen. Sie sind so etwas wie Sprichwortparodien (vgl. Mieder 1985a: VIIIf.). Hier<br />

nur ein Beispiel: „Aller Anfang ist schwer, sagte der Dieb, und stahl zuerst einen<br />

Amboß”. Über den Aufbau und den ironischen, komischen Effekt der<br />

Sagwörter/Wellerismen heißt es bei Schellbach-Kopra (1980:19): „Ein Wellerismus<br />

besteht normalerweise aus drei Teilen: einem zugrundeliegenden Sprichwort, einem<br />

Mittelteil, der den Sprecher (die Sagperson) angibt, und dem Schlußteil, der die<br />

Situation mitteilt, in der das Sagwort ausgesprochen wird.“<br />

Oft werden Sprichwörter formal und inhaltlich modifiziert oder ihre Bedeutung wird<br />

sogar ins Gegenteil verwandelt. 2 Damit wird deutlich, wie wenig die in den<br />

Sprichwörtern formulierte Weisheit gilt. Eine Umkehrung ins Gegenteil stellt z.B. das<br />

Gedicht von Josef Reding „Lob den Tag vor dem Abend” dar. 3 Im Gedicht werden<br />

acht geläufige Sprichwörter negiert. Die Karikierung ist teilweise ironisch, teilweise<br />

witzig, auf jeden Fall sehr originell, und scheint den modernen Zeitgeist viel mehr<br />

widerzuspiegeln als die alten traditionellen Volksweisheiten. Hier seien nur zwei von<br />

Redings abgewandelten Lebensweisheiten zitiert:<br />

„Viele müssen alles so heiß essen,<br />

wie es gekocht wird,<br />

sonst ist kein Essen mehr da!”<br />

(Vgl. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird = ‘man stellt sich<br />

vieles viel schlimmer vor, als es dann tatsächlich ist' Duden 1992: 186.)<br />

Die humorvolle Wirkung der umgedrehten sprichwörtlichen Weisheit rührt daher,<br />

daß der Verfasser auf die wörtliche Bedeutung hinweist, das Sprichwort literalisiert. 4<br />

Ebenfalls witzig bzw. sarkastisch wird das Sprichwort im folgenden Beispiel<br />

herausgestellt:<br />

2 Zu diesem Thema vgl. Mieder 1975: 65-88; Mieder 1985b: 73-90; 91-100. Es gibt auch<br />

Sprichwörter, die ohne Modifikation schon gegensätzliche Bedeutungen haben (vgl. Fleischer<br />

1982: 82 und Detje 1995: 107).<br />

3 Reding 1976: 20. Näheres über dieses Gedicht s. bei Mieder 1985b: 87f.<br />

4 Über die Literalisierung s. Burger u.a. 1982: 93ff.; Fleischer 1982: 218ff.; Földes 1991: 110;<br />

Hessky 1992: 90; Koller 1977: 12ff.; Marfurt 1977: 141ff.<br />

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