EDUARD REUT-NICOLUSSI - Centro Documentazione Luserna
EDUARD REUT-NICOLUSSI - Centro Documentazione Luserna
EDUARD REUT-NICOLUSSI - Centro Documentazione Luserna
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
Allegato II 201<br />
„Gestern Abend erfolgte die angekündigte Kundgebung, die von<br />
den Studentenverbindungen von München zur Südtirolfrage und zu<br />
den politischen Problemen des Faschismus veranstaltet wurde.<br />
Der erste Redner des Abends, der Honorarkonsul Pfluger, ein<br />
Sympathisant des Faschismus und persönlicher Freund unseres<br />
Generalkonsuls Comm. Summonte hat versucht, ein objektives Bild der<br />
italienischen politischen Situation zu zeichnen. Dabei bemühte er sich<br />
angesichts der Gesinnung der Zuhörer redlich, mit freundlichen Worten<br />
die außergewöhnliche Persönlichkeit Benito Mussolinis hervorzuheben,<br />
ohne jedoch auf die Südtirolfrage einzugehen. Auf ihn folgte Prof. Herre<br />
von Berlin, Verfasser eines Buches zum Südtirolproblem, der lebhaft mit<br />
Pfluger stritt und sagte, dass der Faschismus, als politisches Phänomen<br />
betrachtet, nicht die Manifestation von Kraft, sondern einfach das<br />
Symptom einer Krankheit darstellt und dass er trotz seiner Bemühungen,<br />
Italien vor dem wirtschaftlichen und politischen Ruin zu retten, der auf<br />
den ,moralisch verlorenen‘ Krieg folgte, nichts anderes tat, als die italienische<br />
interne Situation zu verschlimmern und dass er alles einzig auf die<br />
Gestalt Mussolinis setzt, eines außergewöhnlichen Mannes, der zweifellos<br />
über herausragende Qualitäten verfügt, aber sicher nicht als der mächtigste<br />
der Männer zu betrachten ist, wie manche glauben. Das zeigt sich<br />
auch daran, dass er nicht mehr als Herr der Situation angesehen werden<br />
kann, sondern wie vom wilden Geist getrieben erscheint, den er selbst<br />
unter seinen Faktionen entfesselt hat. Von herzlichem Applaus empfangen,<br />
erhob sich schließlich der frühere Abgeordnete Reut-Nicolussi, der<br />
vor kurzem aus Südtirol geflüchtet ist. Nicolussi führte an, dass die derzeitige<br />
Situation in Italien schlimmer ist als jene, die durch einen<br />
Belagerungszustand gegeben wäre. Die große Mehrheit der Italiener ist<br />
zweifellos gegen das derzeitige Regime. Die besten und angesehensten<br />
Männer der Politik, nicht nur der Linken sondern auch der konservativen<br />
Parteien, waren zur Flucht ins Ausland gezwungen, um dem Terror zu<br />
entgehen. Und der Terror herrscht auch in der Justizverwaltung vor.<br />
Nicolussi zeichnete dann in düsteren Farben die Situation der deutschen<br />
Bevölkerung Südtirols. Jeder, dem das Los der Brüder jenseits des<br />
Brenners am Herzen liegt, muss den Faschismus als unmoralische Sache<br />
betrachten. Die Deutschen Südtirols wurden aller Rechte, auch der<br />
menschlichsten und heiligsten, beraubt und nun wird sogar ihr<br />
Eigentumsrecht bedroht. Ein unerhörtes Leiden herrscht heute in Südtirol<br />
und ein unvorstellbares System der Grausamkeit lastet auf jenem Boden.