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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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<strong>Institut</strong>ionelle <strong>Zwang</strong>selemente <strong>in</strong> Heimgruppen<br />

A: K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, die sich auf <strong>Zwang</strong>sformen e<strong>in</strong>lassen können<br />

Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen halten die <strong>Zwang</strong>sform offen o<strong>der</strong> stillschweigend<br />

<strong>für</strong> die eigene Person <strong>für</strong> angemessen bzw. entwicklungsför<strong>der</strong>lich.<br />

Die spannende Frage ist, <strong>in</strong> welchem Alter, nach welcher Zeitdauer<br />

<strong>und</strong> wie lange K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche die von ihnen erlebten<br />

<strong>Zwang</strong>sformen <strong>für</strong> sich <strong>in</strong> dieser Weise empf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> zu welchen Gelegenheiten<br />

sie das so formulieren können. Sicher wird es bis auf wenige<br />

Ausnahmen ke<strong>in</strong>e ambivalenzfreie Akzeptanz von <strong>Zwang</strong> geben können,<br />

dennoch sollte man K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche ernst nehmen, die bestimmte<br />

<strong>Zwang</strong>spraxen <strong>für</strong> sich als angemessen <strong>und</strong> richtig beschreiben. Bei<br />

den Wellenbrechern <strong>und</strong> den Spatzen haben wir K<strong>in</strong><strong>der</strong> kennen gelernt,<br />

welche ihre körperliche Überwältigung <strong>und</strong> ihr Verbr<strong>in</strong>gen an e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en<br />

Ort im Rahmen e<strong>in</strong>es Auszeit-Programms, ausdrücklich als s<strong>in</strong>nvolle<br />

<strong>und</strong> hilfreiche Aktion benennen konnten(siehe Kap. 4). In <strong>der</strong><br />

Bewertung dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> war <strong>der</strong> Gesamtrahmen <strong>der</strong> Heimgruppe <strong>in</strong><br />

Ordnung; sie konnten z. B. wahrnehmen, „dass sich die Erzieher den<br />

Arsch <strong>für</strong> uns aufreißen“ (Günther, 12 Jahre, 1. Befragung, Porta, 11). Insofern<br />

stellten die <strong>Zwang</strong>serlebnisse <strong>für</strong> sie wirklich gut e<strong>in</strong>gebettete<br />

Elemente <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vielseitigen, <strong>in</strong>sgesamt positiven Landschaft dar. Auch<br />

das <strong>Zwang</strong>selement Punkteprogramm konnte zum<strong>in</strong>dest nachträglich<br />

von vier Jugendlichen offen als hilfreich anerkannt werden.<br />

B: K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, die offen gegen <strong>Zwang</strong> o<strong>der</strong> die Heimstrukturen<br />

rebellieren (Reaktanz)<br />

Zu dieser Gruppe lassen sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche rechnen, die<br />

sich den <strong>Zwang</strong>sformen o<strong>der</strong> -elementen offen wi<strong>der</strong>setzen, <strong>in</strong>dem sie<br />

ihre Mitarbeit verweigern, ihren Unmut ausdrücken <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e mit zur<br />

Rebellion anstiften. Für diese Verhaltensweisen steht <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong><br />

Reaktanz (Kähler 2005, 63ff). Das Bild, das diese Gruppe vom Heim besitzt,<br />

dürfte das e<strong>in</strong>er repressiven Anstalt se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> man gezwungen<br />

ist, sich aufzuhalten, was aber noch lange nicht heißt, dass man sich dem<br />

Reglement unterwerfen muss. Sich selbst sehen diese K<strong>in</strong><strong>der</strong>/Jugendlichen<br />

als Rebellen im Kampf mit e<strong>in</strong>em zum<strong>in</strong>dest lästigen, vielleicht<br />

aber sogar ungerechten System. Häufig werden K<strong>in</strong><strong>der</strong>/Jugendliche dieser<br />

Gruppe die Reibung <strong>und</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit den Pädagogen,<br />

die sich an <strong>der</strong> Realisierung des <strong>Zwang</strong>s entzünden, zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Stück<br />

weit genießen, weil diese sie auch <strong>in</strong> ihrem Status des Rebellen <strong>und</strong> damit<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wesentlichen Aspekt ihrer Identität bestätigen. In manchen<br />

Fällen gibt dieser Kampf ihnen so etwas wie Halt, eventuell nur dadurch,<br />

dass er Kräfte bündelt <strong>und</strong> ihnen e<strong>in</strong>en klaren Außenfe<strong>in</strong>d zur Verfügung<br />

stellt, wodurch an<strong>der</strong>e Emotionen häufig maskiert werden wie z. B. Gefühle<br />

von Leere, Nie<strong>der</strong>geschlagenheit.<br />

Für manche Jugendlichen ist die Pose des Rebellen e<strong>in</strong>e feste Rolle, die<br />

sie <strong>in</strong> jedem <strong>der</strong> bisher kennen gelernten Systeme e<strong>in</strong>genommen haben.<br />

Das än<strong>der</strong>t nichts daran, dass sie tatsächlich unter den <strong>Zwang</strong>selemen-<br />

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