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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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<strong>Zwang</strong>smomente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienerziehung<br />

abhängigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Sackgasse; wäre sie bereits gegeben, hätte das K<strong>in</strong>d<br />

ke<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong>, weitere Schritte zu e<strong>in</strong>er mit den Jahren wachsenden Unabhängigkeit<br />

zu tun. Ob aber die Konfrontation mit <strong>der</strong> eigenen realen<br />

Abhängigkeit <strong>in</strong> dieser Entwicklungsdynamik weiterführt, kann man freilich<br />

ebenso <strong>in</strong> Frage stellen. Zu früh, zu oft, zu heftig mit <strong>der</strong> eigenen Abhängigkeit<br />

konfrontiert, wird das K<strong>in</strong>d eher ängstlich werden <strong>und</strong> sich<br />

immer wie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> länger an se<strong>in</strong>e Eltern klammern wollen (W<strong>in</strong>nicott<br />

1974, 312ff).<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich wird die Entwicklung von wachsen<strong>der</strong> Autonomie dadurch<br />

angeregt, dass das K<strong>in</strong>d beides erfährt: die Illusion e<strong>in</strong>er weiter reichenden<br />

Selbstständigkeit als ihm momentan tatsächlich schon möglich ist<br />

<strong>und</strong> gelegentliche Konfrontationen mit <strong>der</strong> Realität, die es über den wahren<br />

Status se<strong>in</strong>er Entwicklung belehren. Ähnlich wie beim Kampf um Anerkennung<br />

kommt es hier also auch auf e<strong>in</strong> dosiertes Neben- bzw. Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

zweier gegenläufiger Bewegungen an: Eltern müssen e<strong>in</strong>erseits<br />

Gelegenheiten zu Autonomie- bzw. Machtgefühlen geben <strong>und</strong> diese ermutigen,<br />

auch wenn sie gelegentlich illusionär s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> diese zugleich<br />

auch e<strong>in</strong>schränken, damit sie nicht „<strong>in</strong>s Kraut schießen“ (W<strong>in</strong>nicott 1983,<br />

276ff). Wenn sanfte Korrekturen nicht ausreichen, bedarf es zuweilen e<strong>in</strong>er<br />

drastischen Demonstration <strong>der</strong> eigenen Unverfügbarkeit wie im obigen<br />

Beispiel.<br />

Nicht alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> bedürfen dieser Art von Erfahrung. Viele steuern sich<br />

selbst gut genug zwischen realitätsgesättigten Autonomieerfahrungen e<strong>in</strong>erseits<br />

<strong>und</strong> selbst erkannten E<strong>in</strong>schränkungen ihres Unabhängigkeitsgefühls<br />

an<strong>der</strong>erseits h<strong>in</strong>durch. Aber man darf sich nichts vormachen: K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

die rascher auf das Weggehen <strong>der</strong> Eltern reagieren als das Mädchen aus<br />

dem Beispiel, haben häufig e<strong>in</strong>fach mehr o<strong>der</strong> schneller Angst. Auch wenn<br />

die Eltern sie nie wirklich alle<strong>in</strong>e gelassen haben, reicht ihre Phantasie<br />

doch aus, sich die Situation <strong>der</strong> existenziellen Verlassenheit vorzustellen.<br />

In <strong>der</strong> Regel hat jedes K<strong>in</strong>d solche Erfahrungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Frühgeschichte<br />

irgendwann e<strong>in</strong>mal erlebt <strong>und</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger abrufbar abgespeichert.<br />

Wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situation wie <strong>der</strong> obigen rasch <strong>und</strong> ohne erkennbaren<br />

<strong>Zwang</strong> nachgeben, dann geschieht das häufig, weil ihnen die Erfahrung<br />

des Preisgegeben-Se<strong>in</strong>s <strong>in</strong>nerlich näher ist.<br />

Man könnte dieses mehr o<strong>der</strong> weniger absichtliche o<strong>der</strong> unbedachte Spielen<br />

mit den existenziellen Gefühlen des K<strong>in</strong>des auf Seiten <strong>der</strong> Eltern<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich verurteilen. Aber auch hier kommt es darauf an, wie sicher<br />

<strong>und</strong> klar dieses spezifische <strong>Zwang</strong>smoment <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e sonst gute Beziehung<br />

e<strong>in</strong>gebettet ist. Tatsächlich gibt es viele Eltern, die aus <strong>der</strong> Demonstration<br />

<strong>der</strong> k<strong>in</strong>dlichen Abhängigkeit von den Eltern e<strong>in</strong>e Erziehungstechnik machen,<br />

die sie relativ gezielt e<strong>in</strong>setzen. Während die Eltern <strong>in</strong> dem obigen<br />

Beispiel dem K<strong>in</strong>d vor allem ihre eigene Unverfügbarkeit demonstrieren,<br />

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