Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe <strong>und</strong> Thomas Evers<br />
C) Viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben schon erlebt, dass bestimmte K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> Hocherregungssituationen<br />
– absichtlich o<strong>der</strong> nicht – eigene o<strong>der</strong> fremde Gegenstände<br />
zerstören. Deswegen begründen sie den Wert des Raumes damit,<br />
dass Zerstörungen vermieden werden: „Dass wenn an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> ausrasten<br />
hier, dass die zum Beispiel nix kaputt machen“ (Heike, 114, 1. Befragung,<br />
2004). Petra konkretisiert: „Wenn welche zum Beispiel Wut haben,<br />
denn machen sie ja im [eigenen] Zimmer die Fenster, äh die Fensterscheibe<br />
kaputt o<strong>der</strong> so Bil<strong>der</strong> von sich o<strong>der</strong> weiß ich nicht, irgendwie Blumen auf<br />
den Boden werfen“ (Petra, 90–92, 1. Befragung, 2004). Markus f<strong>in</strong>det <strong>in</strong><br />
diesem Zusammenhang die Holzpanelen gut: „Damit nicht so viel passiert,<br />
wenn man dagegen boxt“ (Markus, 94, 1. Befragung, 2004).<br />
Das Erleben des Auszeit-Raumes aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Betroffenen wollen wir<br />
anhand <strong>der</strong> Aussagen von drei Jungen darstellen: Rudi (12 Jahre) kommt<br />
von sich aus auf den Auszeitraum zu sprechen, als es um se<strong>in</strong>e persönliche<br />
Entwicklung im Heim geht: Besser geworden ist,<br />
„dass ich nicht mehr so schnell ausraste, dass ich nicht mehr <strong>in</strong> den Time-<br />
Out-Raum muss. Früher musste ich da fast täglich re<strong>in</strong>. Da haben sie mich<br />
per Polizeigriff o<strong>der</strong> mit ’nem normalen Griff da so gepackt <strong>und</strong> re<strong>in</strong> <strong>in</strong> den<br />
Raum. Der Erzieher bleibt mit <strong>und</strong> dann reden wir <strong>und</strong> ich rege mich ganz<br />
schnell wie<strong>der</strong> ab. Ich f<strong>in</strong>de das nicht o.k. erst, zum Schluss ist es dann aber<br />
o.k. Sonst hätt’ ich e<strong>in</strong>en kaputt geschlagen. Ist schon besser Time-out-<br />
Raum als rum zu tillen.“ (Rudi, 28, 1. Befragung „Wellenbrecher“, 2005)<br />
Rudi kann nachvollziehen, warum er e<strong>in</strong>e Zeitlang immer wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />
Raum gebracht wurde: Er gerät wie<strong>der</strong>holt <strong>in</strong> große Wut <strong>und</strong> könnte jemanden<br />
„kaputt“ schlagen. Deswegen ist die Verbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> den Raum<br />
auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen besser als „rum zu tillen“. Allerd<strong>in</strong>gs kann er sehr<br />
deutlich benennen, dass er die erzwungene Verbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> den Raum<br />
zunächst <strong>in</strong>akzeptabel f<strong>in</strong>det <strong>und</strong> erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gut heißen kann. Etwa<br />
e<strong>in</strong> Jahr später bilanziert er:<br />
„Ich beherrsch’ me<strong>in</strong>e Wut jetzt besser, geh jetzt hoch auf me<strong>in</strong> Zimmer<br />
o<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Boxraum im Keller. Ich b<strong>in</strong> halt immer ausgetickt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />
o<strong>der</strong> zu Hause, wenn mich jemand ’ne Zeitlang nervte o<strong>der</strong> mir wehtat. Ich<br />
explodierte dann immer plötzlich, so dass man mich dann irgendwann niemand<br />
mehr beschulen wollte.“ (Rudi, 28, 2. Befragung „Wellenbrecher“,<br />
2006)<br />
Interessant ist, dass er die Explosionen im Heim nicht erwähnt, son<strong>der</strong>n<br />
das Thema sozusagen <strong>in</strong> die Vorzeit verschiebt bzw. auslagert. Auch<br />
<strong>der</strong> Auszeit-Raum spielt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung se<strong>in</strong>er Entwicklung ke<strong>in</strong>e aktive<br />
Rolle. Allerd<strong>in</strong>gs antwortet er auf die Frage, was er noch erreichen<br />
will: